Bei Frauen mit niedrigem Bildungsniveau fördert Arbeitslosigkeit dieerste Mutterschaft. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des DIWBerlin, die der Frage nachgeht, wie sich Arbeitslosigkeit aufFamiliengründungen auswirkt. „Joblosigkeit geht einher mit drohendenfinanziellen Engpässen, die eine Familiengründung auf eine unsichereBasis stellen. Das schreckt Frauen je nach Bildungsgrad inunterschiedlichem Maße vom Kinderkriegen ab“, so DIW-FamilienexperteChristian Schmitt, der in seiner Studie die Effekte bei Männern undFrauen aus unterschiedlichen europäischen Wohlfahrtsstaaten untersuchthat.
Erwerbslose Männer schreckten demnach in allen betrachteten Ländern –neben Deutschland, wurden Frankreich, Großbritannien und Finnlandbetrachtet – vor einer Vaterschaft zurück. Schmitt führt dies auf dieBefürchtung zurück, die künftige Familie nicht ausreichend finanziellunterstützen zu können. Dagegen könne Arbeitslosigkeit bei Frauen dasKinderkriegen sogar begünstigen – vor allem bei Frauen mit niedrigembis mittleren Bildungsniveau, bei denen die Arbeitslosigkeit bereitslänger andauere und die Aussichten auf einen schnellen Wiedereinstiegin den Arbeitsmarkt düster seien.
Bei arbeitslosen Frauen entscheidet der Bildungsgrad über das Kinderkriegen
Bei besser ausgebildeten Frauen sei es dagegen eher unwahrscheinlich,dass sie, wenn sie in die Arbeitslosigkeit gerieten, ein Kind bekämen.Sie würden sich eher auf eine schnelle Rückkehr ins Berufslebenkonzentrieren. „Ein Kind kann zu einem solchen Zeitpunkt denendgültigen Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt bedeuteten und damit sowohldie eigenen Investitionen in die Ausbildung entwerten als auch dieKarrierechancen blockieren“, so Schmitt. „Zudem schreckt viele gutausgebildete Frauen die Vorstellung ab, sich in die finanzielle undsoziale Abhängigkeit vom Partner begeben zu müssen.“ Dies gelte vorallem für Frankreich, wo Frauen eine besonders enge Bindung zumArbeitsmarkt aufweisen würden.
In Deutschland lassen sich Beruf und Familie vergleichsweise schlecht vereinbaren
Besonders ausgeprägt sei die Wahrscheinlichkeit, im Falle vonArbeitslosigkeit ein Kind zu bekommen, in Ländern, in denenKinderbetreuung und Familie noch stärker als weibliche Pflichtenangesehen würden, wie in Deutschland oder Großbritannien. Anders als inFrankreich oder Finnland sei hier die Arbeitsteilung zwischen Mann undFrau noch deutlich von einem traditionellen Rollenverständnis geprägt.„Deutschland und Großbritannien fördern zwar weibliche Karrierechancenmit Frauenquoten und anderen Maßnahmen. Gleichzeitig bleiben dietraditionellen Geschlechterrollen aber kulturell und politisch tiefverankert“, so Schmitt. Dies spiegele sich etwa in dem unzureichendenbritischen Mutterschutz wider, in Deutschland in der Vorstellungmütterlicher Betreuungspflichten und dem lückenhaften Angebot anöffentlicher Kinderbetreuung. Ein Kind bedeute damit besonders fürFrauen große Verzichte, die durch den Wunsch nach finanziellerUnabhängigkeit noch gesteigert würden.
Vor diesem Hintergrund tendierten deutsche und britische Frauen mitniedrigen Bildungsabschlüssen und langen Phasen ohne Job – Faktoren,die die Rückkehr in den Arbeitsmarkt ohnehin erschweren – besondersdazu, ein Kind zu bekommen. Auch Frauen, die bereits auf diefinanzielle Unterstützung eines Partners angewiesen seien, seien imFalle der Arbeitslosigkeit eher bereit für Kinder. Mit steigendemAusbildungs- und Gehaltsniveau sinke jedoch bei erwerbslosen Frauen dieWahrscheinlichkeit einer ersten Mutterschaft.
Quelle: DIW / Diskussionspapier Nr. 841: Gender-Specific Effects ofUnemployment on Family Formation: A Cross-National Perspective. VonChristian Schmitt.