Zunächst sprach man nur hinter vorgehaltener Hand darüber. Das Thema war in der Öffentlichkeit bisher absolutes Tabu. Doch heute nimmt das "Handelsblatt" kein "Blatt" mehr vor den Mund. Im Kommentar über die Enteignungsdebatte schreibt die Zeitung:
Auch wenn es keiner gerne hört: Ohne den Staat, ohne den Bürger, sind die Banken zumindest nach heutiger Rechnungslegung pleite. Schon mit der Garantie der Spareinlagen durch Bundeskanzlerin Angela Merkel im Oktober wurde das Ausmaß der Misere deutlich. Wahrscheinlich konnte nur mit diesem beherzten Schritt das Horrorszenario eines "Bank-Runs" verhindert werden.
Auch in Sachen Enteignung beweist das Handelsblatt Scharfsinn:
Das böse Wort von der Enteignung der Banken macht in Berlin die Runde. Strikt ökonomisch gesehen ist das ein Hirngespinst, denn enteignen lässt sich nur, was noch einen Wert hat. Der ist in der Finanzbranche aber schon längst flöten gegangen. Das gilt zuvorderst für die Hypo Real Estate, leider aber - Ausnahmen mag es geben - auch für große Teile des übrigen Bankensystems. Außer dem Staat will deshalb derzeit niemand mehr Kapital zur Verfügung stellen. Springt er über Kapitalerhöhungen ein, wird er automatisch zum maßgeblichen Aktionär. Ein Enteignungsgesetz ist nicht nötig, taugt auch nicht als parteipolitische Propaganda im Wahljahr.
Unterdessen entwickelt sich die Enteignungs-Debatte zu einem politischem Theater.
"Ich habe da tiefste verfassungsrechtliche Bedenken", sagte derVorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU,Josef Schlarmann, dem "Hamburger Abendblatt". "DemBundesfinanzministerium geht es offenkundig darum, einenwiderspenstigen Gesellschafter zu entfernen." In diesem Zusammenhangverwies Schlarmann auf Artikel 14 des Grundgesetzes, der Enteignungennur in engen Grenzen erlaube.
Der Haushaltsexperte der Unionsfraktion, Steffen Kampeter,bemängelte in der "Frankfurter Rundschau": "Es macht wenig Sinn, dieLeute am Beginn der Entscheidung mit Verstaatlichungs-Gesetzentwürfenzu verunsichern." Zunächst müsse die Bundesregierung klären, ob eine"Sanierungsübernahme" des angeschlagenen Immobilienfinanzierers HypoReal Estate (HRE) wirklich unvermeidlich sei.
SPD-Fraktionsvize JoachimPoß sagte dem Blatt dagegen, es gehe darum, die bei der HRE bereitseingesetzten Milliarden Steuergelder zu schützen und einenBankenkollaps zu verhindern. "Dafür müssen alle Möglichkeiten geprüftwerden, die unsere Rechtsordnung hergibt."
Den Plänen von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zufolge sollenEnteignungen bis zum 31. Dezember gegen Entschädigung möglich sein.Diese solle nach dem gewichteten durchschnittlichen Börsenpreis derbeiden Wochen zuvor beruhen. Mit dem angestrebten "Gesetz zur weiterenStabilisierung des Finanzmarkts" will Steinbrück zudem dieMöglichkeiten erweitern, strauchelnden Geldhäusern unter die Arme zugreifen.