SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat Bundeskanzlerin Angela Merkel
erstmals auf breiter Front attackiert. In einem Gespräch mit dem SPIEGEL warf der
Außenminister der Kanzlerin Führungsschwäche und der Union Orientierungslosig-
keit vor. „Den Unionsparteien fehlt in der Krise die nötige Orientierung. Dass Frau
Merkel als Kanzlerin am Ende trotzdem die richtigen Entscheidungen trifft, verdankt
sie der SPD“, sagte Steinmeier. Zur Debatte über das Konjunkturpaket habe die
Union „außer einem öffentlichen Streit über Steuersenkungen kaum einen Beitrag
geleistet“, kritisierte er. „Die Kanzlerin kann froh sein, dass sie sich auf die Ideen
der SPD stützen konnte. Sonst stünde sie jetzt mit leeren Händen da.“
Steinmeier warf Merkel zudem vor, Verabredungen mit der SPD nicht einzuhalten,
weil sie diese gegenüber der CSU nicht durchsetzen könne. „Frau Merkel lässt sich
von der CSU auf der Nase herumtanzen. Sie hat das Umweltgesetzbuch vor vielen
Jahren als Umweltministerin selbst vorangetrieben. Jetzt ist sie Kanzlerin und
schaut zu, wie es scheitert, nur weil die angeschlagene CSU sich um jeden Preis
profilieren will.“ Mit Blick auf das Umweltgesetzbuch und die Durchsetzung von Min-
destlöhnen verlangte der Vizekanzler, dass Merkel Verabredungen einhalte: „Man
darf von der Kanzlerin doch wohl erwarten, dass sie sich bei solch zentralen Fra-
gen ein- und durchsetzt.“
Bei der Bundestagswahl fasst die SPD nach den Worten Steinmeiers auch eine Am-
pelkoalition ins Auge. „Unsere erste Option, unsere Machtoption ist eine Wieder-
auflage des rot-grünen Bündnisses. Sollte das nicht reichen, sind wir für eine Am-
pelkoalition“, sagte er dem SPIEGEL. Er lobte FDP-Chef Guido Westerwelle als „po-
litischen Profi und klugen Kopf“, der sich neben Schwarz-Gelb auch „andere Op-
tionen, auch die Ampel, offenhalten“ werde.
DER SPIEGEL 7/2009