Hand in Hand mit der Ratlosigkeitder „Experten“ ob des gegenwärtig ablaufenden, wirtschaftlichen Super-Gaus,geht die im Brustton der Überzeugung von der politischen Klasse rund um denGlobus verbreitete Behauptung, „der Kapitalismus“ hätte nun – 20 Jahre nach dersowjetischen Planwirtschaft – gleichfalls seinen Bankrott erklärt. Diekontrafaktische Behauptung, die „Ideologie des Neoliberalismus“, „unregulierteFinanzmärkte“ und ein „entfesselter Turbokapitalismus“ habe die Welt in diegrößte Wirtschaftskrise seit 1929 gestürzt, wird pflichtschuldig von den staatlichsubventionierten Mainstreammedien verkauft. Dass Politiker undStaatsintellektuelle es verstanden haben, ein System, in welchem dasUnternehmertum beinahe zu Tode reguliert wird, und das seinen Bürgern Steuernauf historischem Rekordniveau abpresst, als „Kapitalismus“ zu etikettieren, istein zynischer Witz.
An dieser Stelle soll kurz innegehaltenwerden, um Großteils unreflektierte Anklagen gegen den freien Markt zuhinterfragen. Wahr ist: Wir stehen am Beginn einer Rezession, deren Ausmaß undDauer kein seriöser Kommentator vorhersagen kann. Einige Parameter lassenbefürchten, dass die Depression ab 1929 gegenüber dem, was uns jetzt ins Haussteht, vergleichsweise ein Picknick gewesen sein könnte. Die von den Apologeteneiner staatsgelenkten Planwirtschaft (also von der politischen Kaste und denvon dieser abhängigen Staatsintellektuellen und „Wirtschaftsexperten“) ins Feldgeführte Behauptung, der Mangel an Koordination, gnadenloser, „darwinistischer“Wettbewerb und das Fehlen einer vollständigen Information über den Markt, diedarauf agierenden Konsumenten und Konkurrenten, wäre ein immanenterKrisengarant des marktwirtschaftlichen Systems, ermangelt jeden Belegs. Dass eseine dem „Kapitalismus“ innewohnende Schwäche wäre, „zyklische Krisen“ zuproduzieren, ist ebenso unbewiesen.
Selbstverständlich ist es ineinem frei von politischen Interventionen agierenden Markt unvermeidlich, dasses zu Fehlallokationen und zu Firmenpleiten kommt. Das liegt daran, dass einigeder Unternehmer oder Manager kommende Trends – den künftigen Bedarf derKonsumenten – falsch antizipieren und daher fehlerhafte Entscheidungen treffen,die zu Verlusten oder zum Ruin des Betriebs führen können. Aufs falsche Pferdzu setzen und strategisch nachteilige unternehmerische Entscheidungen zutreffen, hat aber weder mit Unfähigkeit oder kriminellen Machenschaften, nochmit einer Systemschwäche zu tun, sondern liegt lediglich in der Natur von imZustand der Ungewissheit vorzunehmenden Handlungen. Der US-ÖkonomMurray Rothbard findet dazu folgende Worte: „No Businessman in the real worldis equipped with perfect foresight; all make errors.“ Das trifft in umso größeremAusmaß allerdings auch auf im Elfenbeinturm sitzende „Experten“ zu, die – freivon jedem persönlichen (Verlust-) Risiko – die Menschheit mit ihrenkonstruktivistischen Tabula-Rasa-Rezepten zur Weltverbesserung beglücken.
Politiker und Staatsbürokraten, kurz:Gesellschaftsklempner aller Art, maßen sich an, von der Zahl der zuproduzierenden Strumpfhosen bis zur Höhe der Investitionen in dieAutomobilindustrie sämtliche Faktoren eines Wirtschaftsraumes verlustfreiplanen und verordnen zu können.
Dass es indessen bevorzugtMusterbetriebe der sowjetisch inspirierten Staatswirtschaft sind, die unausgesetztmit leuchtend roten Bilanzen aufwarten (und vom Steuerzahler zu alimentierensind), wird geflissentlich übersehen.
Aber zurück zur angeblich „dem Kapitalismus“geschuldeten „zyklischen Krise“: Es gibt für kein Unternehmen eine Erfolgs-oder dauerhafte Bestandsgarantie, da auf eine ungewisse Zukunft gerichteteEntscheidungen selbstverständlich falsch sein können. So ist es unvermeidlich, dassimmer wieder einzelne Betriebe – in den unterschiedlichsten Branchen – scheitern,andere dafür neu entstehen. Die Wirtschaft kennt keine stabilere Konstante alsdie der Veränderung. Warum aber sollten – wie es gegenwärtig der Fall ist – rundum den Globus, genau zeitgleich, so gut wie alle Betriebe in Schwierigkeitengeraten und sich dennoch keine neuen Chancen auftun? Weder die Theorie derKeynesianer noch die der Monetaristen bietet eine plausible Erklärung diesesPhänomens.
Dass über viele Jahre hindurch – unabhängigvoneinander – korrekt planende, die künftigen Konsumentenerwartungen akkurat antizipierendeund daher erfolgreich agierende Unternehmer exakt zur selben Zeit allesamt diegleichen unternehmerischen Fehler begehen, die sie in eine existenzielleNotlage bringen, ist nur dann plausibel zu erklären, wenn es einen für allegleichermaßen relevanten Anlass für ihr kollektives Fehlverhalten gibt. MurrayRothbard spricht in diesem Zusammenhang vom „sudden general cluster of businesserrors“.
Dessen alles entscheidendenTeilaspekt bildet die Manipulation des Zinses durch das staatlich gesteuerte Währungssystem.Zins ist weder die Ausgeburt von Gier oder „Kapitalismus“, noch eine Erfindungdes Teufels, sondern ein dem Umstand geschuldeter Indikator dafür, dass derMensch die Möglichkeit zur augenblicklichen der zukünftigen Verfügung über einGut vorzieht. Anders formuliert: Heutiger Konsum wird höher bewertet als künftigerKonsum. Man spricht von der „Zeitpräferenz“. Je höher die Zeitpräferenz, destomehr ist man bereit, für den augenblicklichen Konsum zu bezahlenbeziehungsweise ein umso höheres Entgelt wird man für den momentanen Verzichtfordern. Seinen konkreten Niederschlag findet die Zeitpräferenz in der Höhe einesAufschlags auf den Preis: im Zins.
Da der Zins also ein natürlichesPhänomen ist, das in einer freien Wirtschaft ausschließlich vom Aggregat der Zeitpräferenzender Konsumenten bestimmt wird, ist dessen Höhe der entscheidende Indikator fürdie Investitionsplanung von Unternehmern. Niedrige Zeitpräferenzen derKonsumenten manifestieren sich in hohen Sparquoten und niedrigen Zinsen. Das vonden Unternehmern empfangene Signal lautet: die Konsumenten verfügen über hoheErsparnisse, sind also bereit, ihre Konsumwünsche auf später aufzuschieben.Dies führt zur Konzentration der Investitionen auf „Güter höherer Ordnung“ (dasheißt solche, die nicht dem augenblicklichen Konsum dienen, sondern die nach längererVorlaufzeit den Konsum von durch ihren Einsatz erstellten Gütern in der Zukunftverfügbar machen werden). Das heißt, dem Konsumenten werden erst nach dem Bauentsprechender Fabriken oder der Entwicklung neuer Produkte Güter angeboten undverkauft werden können.
Anders formuliert: Es kommt zueiner tendenziellen Verlagerung der unternehmerischen Investitionen von derKonsum- zur Kapitalgüterindustrie. Die in Boomphasen zu beobachtende, deutlichsteigende Bewertung der Aktien entsprechender Industriebetriebe gegenüber jenenin der Konsumgüterindustrie oder die allgemeine Steigerung von Grundstückspreisensind Symptome dieser Tatsache.
Das alles wäre absolutunbedenklich, wenn die Konjunktur durch real gebildete Ersparnisse angetriebenwäre, und damit den Konsumentenpräferenzen tatsächlich entspräche. Denn dannhätten die Unternehmer richtig gehandelt – die künftig angebotenen Güter träfenauf kaufkräftige Nachfrage und alle Welt wäre glücklich! Ist der Boom indessen nichtauf real gebildete Ersparnisse, sondern auf aus dem Nichts geschaffenen Kreditengegründet (und exakt das war in den zurückliegenden Jahren der Fall!),verhalten sich die Unternehmer auf breiter Front fehlerhaft, weil sie Investitionsentscheidungenauf Grund nicht gegebener Voraussetzungen treffen. Die aufwendigen Investitionenin Güter höherer Ordnung gehen vielfach verloren, weil die ausgestoßenen Güterauf keine kaufkräftige Nachfrage treffen, da die vermuteten Ersparnisse zum Kaufder erstellten Gütern nie gebildet wurden. Folge: Überkapazitäten inIndustriezweigen, die nicht ohne weiteres einer alternativen Verwendungzugeführt werden können. Das bedeutet eine Vernichtung realer Werte. Fazit:Nach Abschluss des Boom-Bust-Cycles (der mit einer künstlich entfachtenKonjunktur beginnt und mit einer Rezession endet) befindet sich dasWohlstandsniveau einer Volkswirtschaft dank des Totalverlustes der provoziertenFehlinvestitionen auf einem niedrigeren Niveau als wenn dieser Zyklus nie inGang gesetzt worden wäre.
Die von Ludwig von Mises vor rund80 Jahren entwickelte „Konjunkturzyklustheorie“ ist bis heute von derWirtschaftswissenschaft nicht widerlegt, sondern schlicht „vergessen“ worden.Das mag erstaunen – angesichts der Tatsache, dass nur sie jene Mechanismen zu erklärenvermag, denen wir die gegenwärtige Wirtschaftskrise verdanken. Denkt man sichan die Stelle politischer Führer, schwindet indessen das Erstaunen. Denn welchesKonzept wird ihnen attraktiver erscheinen: „Österreichisches Laissez-faire“,das sie ihrer Macht – der Möglichkeit, Gott zu spielen – beraubt? Oder eine sozialistischeUtopie wie der (Neo-) Keynesianismus, in der allein sie das Sagen haben?