Nichtstun kann ziemlich anstrengend sein. Müßiges Herumlungern in tropischen Gefilden ist kraftzehrend und bedarf der Rekonvaleszenz. Hier die Geschichte eines nicht ganz alltäglichen Nachmittags.
3 Uhr und 33 Grad. Nachmittag auf Ceylon. Ich erwache aus einem Mittagsschläfchen. Die Luft ist so feucht, dass nur noch Kiemen der Atmosphäre Sauerstoff abringen können. Unter diesen Umständen Aufstehen ist nicht leicht.
Ich blicke durch das Moskitonetz in den Garten aus tropischen Gewächs. Am liebsten möchte ich mich jetzt langsam auf einer Sänfte Richtung Veranda schaukeln lassen. Dort wartet nämlich schon duftend der Tee auf mich.
Eine Überdosis des heißen Muntermachers bringt meinen Kreislauf langsam auf Trab. Nachdem ich mich von den Strapazen des Aufstehens erholt habe, steht nun die schwierigste Entscheidung des Tages an: Gleich vor dem Anwesen sich ins Meer stürzen, oder 50 Meter links? Oder lieber 50 Meter rechts?
Als ausgeglichener Mensch bevorzuge ich den Mittelweg und werfe mich gleich vor dem Haus in die Wellen des Indischen Ozeans.
Während ich meinen Körper als Spielball den Wellen zur Verfügung stelle, nehmen meine Augen in der Tiefe eine schemenhaft dunkle Masse wahr, die senkrecht nach oben schießt.
Ich erstarre, denke an einen Hai oder sonstiges Ungemach.
Eine Sekunde später ist das Viech an der Oberfläche und starrt mich ebenso verdutzt an wie ich den Meeresbewohner: Es ist eine riesige Schildkröte.
Ich hätte nun mit allem möglichen gerechnet, sogar mit einem weißen Hai – nur nicht mit diesem gepanzerten Flossentier. Während ich noch darüber nachdenke, ob Schildkröten am Meeresboden schlafen oder an der Wasseroberfläche, schnappt diese kurz Luft und taucht schnell wieder weg.
Nachdem ich mich nun von dieser Überraschung erholt habe, bahnt sich schon die nächste an: Am Horizont tauchen drei Gestalten am Strand auf. Mühsamen Schrittes stapfen sie durch den Sand. In einer Gegend, die touristisch nicht kontaminiert ist, bedeutet ein Mensch immer auch Ereignis.
Langsam kommen sie näher, weichen ab und zu den Wellen aus, deren Ausläufer weite Teile des Strandes züngeln.
Minuten später stehen drei vollkommen schweißüberströmte, brandungsnasse und schwer bepackte Männer in zerschlissenem Schuhwerk vor mir. Sie kommen aus Kalkutta, der Hauptstadt Westbengalens in Indien. Sie stöhnen unter den Strapazen der Fortbewegung, leiden unter Knöchel- und Knieschmerzen.
Kein Wunder, bei dem Klima. Warum nehmen diese Herren solcherlei Mühsal auf sich? Man könnte doch zum Beispiel auch mit dem Helikopter hier drüber fliegen.
Der Älteste scheint mit 69 Jahren der Fitteste zu sein. Das Angebot eines Drinks lehnen die Wanderer freundlich ab. Ihr Ziel: Das Ende der Bucht, 10 km weiter. Ich möchte nicht tauschen, bei der Vorstellung in tropischer Hitze mit bleischweren Rucksäcken durch die Gegend zu staksen, spare aber nicht an guten Ratschlägen.
Es sei nicht eine Frage des Geldes, sondern ein besonderer Reisestil – Antwort auf meine Fragen. Sechs Tage sind sie schon unterwegs, immer am Strand entlang, rund um Sri Lanka herum. Weil sie so Land und Leute besser kennen lernen können.
Gott sei Dank kann ich das auch - von meiner Veranda aus, wenn ich durch den duftenden Tempelbaum und die Palmen hindurch auf das blau funkelnde Meer blicke, und freundliches Personal leise erkundet, wie es zu Diensten sein kann.
Nach kurzer Rast und interessiertem Gespräch ziehen die Inder weiter. Ich verabschiede mich nicht ohne höchste Ehrerbietung und Hochachtung vor dem Projekt. „I love crazy guys like you!“
Sie und ich – ein interessanter Kontrast. Ein schöner Höhepunkt an einem Nachmittag in Sri Lanka. Ich gehe zurück auf meine Veranda. Schon fünf Uhr und bald bricht die Dämmerung herein. Ich bin gespannt, was morgen passiert....