Harte Kritik von Top-Ökonomen an Ratingagenturen – Bofinger: „Europa darf sich nicht von Ratingagenturen abhängig machen“ – Hüther: „Ratingagenturen haben geschlafen“
Führende Ökonomen kritisieren die Ratingagentur Standard & Poors heftig für die Abwertung Griechenlands und Portugals. „Wir sollten das Wohl Europas nicht von den Ratingagenturen abhängig machen“, sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger der Tageszeitung DIE WELT. (Donnerstagausgabe). „Die Ratingagenturen haben von Beginn der Finanzkrise an versagt – warum sollte sich die Europäische Zentralbank (EZB) in dieser kritischen Phase überhaupt noch auf ihr Urteil verlassen?“, sagte Bofinger der WELT.
Am Mittwoch hatten die Bonitätsprüfer von Standard and Poor’s die Kreditwürdigkeit Griechenlands überraschend gesenkt und die Schuldenkrise des Landes damit noch verschärft. Am Donnerstag senkte die Standard & Poors auch die Bonität Spaniens.
„Wir hängen zu sehr am Tropf der Ratingagenturen“, sagte auch Clemens Fuest, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des Bundesfinanzministeriums, der WELT. Das Urteil der Ratingagenturen werde an den Märkten überbewertet. Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), sagte der Tageszeitung: „Es kann nicht sein, dass Ratingagenturen, die die Finanzkrise zu einem großen Teil mitzuverantworten haben, weil sie wertlosen Papieren Bestnoten verliehen haben, immer noch solch eine herausragende Rolle spielen.“ Zudem sei die Methodik der Ratingagentur nach wie vor intransparent.
Auch Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln), geht mit den Ratingagenturen hart ins Gericht. „Die Ratingagenturen haben wieder einmal geschlafen“, sagt er. Hüther hält ihr Agieren für fragwürdig, weil sie wieder sehr spät gehandelt hätten. Statt nach und nach Griechenland und Portugal herabzustufen, hätten sie mehrere Schritte auf einmal vollzogen und damit Nervosität auf den Märkten ausgelöst. Er verlangt, dass Ratingagenturen künftig ihre Bonitätsbewertungen graduellen vornehmen müssten. EZB werde aber nun wohl die herabgestuften griechischen Staatspapier als Pfand gegen Sicherheiten akzeptieren müsse.
Auch Bofinger plädierte nun für ein pragmatisches Vorgehen der Währungshüter. „Die EZB sollte sich von dem Urteil der Ratingagenturen frei machen und die griechischen Staatsanleihen trotz des Ramsch-Status akzeptieren.“ Tue sie das nicht, werde innerhalb kürzester Zeit das gesamte griechische Bankensystem zusammenbrechen, mit schwer wiegenden Folgen auch für deutsche Institute. „Das sollte Europa nicht riskieren“, sagte er.