Lieber Investor,
der Bundestagswahlkampf 2017 ist noch gar nicht in seine heiße Phase eingetreten, da zeichnet sich schon eines seiner möglichen Kernthemen ab: die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Martin Schulz, der Kanzlerkandidat der SPD, hat sie sich auf seine Fahne geschrieben. Das war politisch geschickt und hat seine Partei in den Umfragen quasi über Nacht nach vorne gebracht.
Die einen sehen in ihm nun den neuen Messias, dem man das Unmögliche zutraut, die anderen den träumerischen Sozialrevolutionär, der Deutschlands gute Stellung an den Weltmärkten akut gefährdet und damit den Export als die zentrale Stütze unserer Wirtschaft ins Wanken bringt. Immer, wenn die Dinge in so einem harten Schwarz-Weiß-Gegensatz gesehen werden, liegt die Wahrheit mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwo in der Mitte.
Will auf die aktuelle politische Diskussion übertragen heißen: Deutschland muss dafür sorgen, dass seine Wirtschaft weiterhin auf den Weltmärkten bestehen kann. Das kann es nur, wenn die hier gefertigten Produkte von hoher Qualität und für die Käufer mit einem akzeptablen Preis verbunden sind. Gleichzeitig müssen die Menschen vom Lohn ihrer Arbeit leben können. Je besser sie das können, umso mehr Geld steht für neue Anschaffungen zur Verfügung.
Die aktuelle Diskussion wird mal wieder so geführt, als schließen sich beide Ansichten kompromisslos aus. Man ist entweder für höhere Löhne und Gehälter, gerade in den unteren Lohngruppen und opfert dafür etwas vom Exportüberschuss. Oder man hält die Kosten streng im Griff, nimmt in Kauf, dass unsere Gesellschaft immer ungleicher wird, und sichert damit die wirtschaftliche Zukunft des Landes.
Das wahre Problem wird mal wieder nicht benannt
Überspitzt formuliert läuft die Entscheidung somit auf die Wahl zwischen Angela Merkel und Martin Schulz hinaus und möglicherweise werden die Wahlkampfstrategen beider Parteien ihren jeweiligen Spitzenkandidaten entsprechend zu positionieren suchen. Bis zum Wahlabend wird uns dann ein harter Schlagabtausch geliefert und nach der Wahl wird sich herausstellen, dass egal, wer zum neuen Chef der Republik gekürt wird, die Dinge, von keinen, kosmetischen Änderungen abgesehen, im Wesentlichen so bleiben, wie sie sind.
Das liegt dann aber nicht an Angela Merkel oder Martin Schulz, sondern an einem Punkt, der im Wahlkampf vermutlich nicht thematisiert werden wird, weil er nicht leicht in einfach zu vermittelnde Botschaften umzusetzen ist: den zu hohen Schulden.
Die Bessergestellten wären in der Lage die Schulden zu bedienen
Mit den Schulden stiegen in den letzten Jahrzehnten auch die Guthaben. Sie sind für die Reichen und Wohlhabenden im Lande eine Einnahmequelle, während die Schulden für den Schuldner immer eine Belastung darstellen.
Ein Ausgleich könnte dann stattfinden, wenn die reicheren Bevölkerungsschichten die Schulden und die anderen die Guthaben besitzen. Die Bessergestellten wären durch ihre höheren Gehälter in der Lage, die Schulden zu bedienen und langsam abzubauen und die Ärmeren im Lande könnten ihre Einkünfte durch zusätzliche Einnahmen, die sich aus ihren Guthaben speisen, aufbessern und mehr konsumieren.
Leider ist das Gegenteil der Fall. Das Geld und damit auch die Guthaben konzentrieren sich im oberen Teil der Gesellschaft, teilweise nur bei einigen wenigen Superreichen, und der Mangel bleibt dem Rest vorbehalten. Ein Ausgleich kann so nicht stattfinden, denn nur wenige Reiche verbrauchen ihre gesamten Einkünfte, also ihre Gehälter und ihre Kapitaleinkünfte, für den privaten Konsum.