An Europas Aktienmärkten machen vor allem kurzfristig ausgerichtete Spekulanten die Kurse. So eindrucksvoll wiein der nun abgelaufenen Handelswoche lässt sich dafür kaum ein zweiter Beleg finden. Um satte 200 Punkte kletterte beispielsweise der Dax zur Wochenmitte, als der Markt seine Hoffnungen auf ein zweites Konjunkturprogramm der chinesischen Regierung zur Belebung der Konjunktur richtete. Denn wenn die chinesische Wirtschaft wieder anzieht, so die Lesart, wird dies die Nachfrage nach den Produkten der exportstarken deutschen Unternehmen unterstützen.
Doch als Regierungschef Wen Jiabao vor dem Volkskongress lediglichvon Exporthilfen und Programmen zur Ankurbelung des Konsums sprach, die eigentlich kurstreibende Botschaft aber vermied, nahmen die Börsennotierungen am Donnerstag schnell wieder das Tempo des Vortagesauf - nur tendierten sie diesmal in die Gegenrichtung. Zum Schluss stand der Dax wieder 195 Punkte tiefer. Akteure, die den richtigen Riecher hatten und sich im Markt schnell positionierten, erzielten innerhalb von zwei Tagen ansprechende Gewinne und wussten die hohen Schwankungen anschließend zu schätzen. Für die längerfristig engagierten Anleger blieb unter dem Strich nichts übrig.
Es ist zu befürchten, dass die Märkte dieser Investorengruppe auchin den kommenden Wochen und Monaten keine Perspektive bieten. Die Verunsicherung der Anleger ist und bleibt extrem groß - und da haltensich große Anlegergruppen, die für einen nachhaltigen Aufschwung an den Aktienmärkten benötigt werden, lieber zurück. Wie sollte es auch anders sein angesichts immerfort schwacher Konjunkturdaten aus sämtlichen Regionen? So kletterte die Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten auf das höchste Niveau seit mehr als 25 Jahren, und auch aus Europa und Asien blieben zuletzt ermutigende Signale weiterhin aus.
Mit 20 Monaten dauert die Finanzmarktkrise nun schon fast so langewie der Durchschnitt aller seit 1875 gemessenen Wirtschaftskrisen, hat die Kapitalanlagegesellschaft Allianz Global Investors ausgerechnet. Und mit einem Kursverlust von mehr als 50% - gemessen am US-Leitindex S&P500 - wirkt sich die aktuelle Krise bereits deutlich schärfer als die zurückliegenden aus, in denen die Notierungen im Schnitt um 35% einbrachen. Dies bedeutet aber nicht, dass nun alsbald die Bodenbildung an den Aktienmärkten vollzogen wird. Dazu sind die Risiken für die Konjunktur und das Finanzsystem weiterhin viel zu hoch.
Unter den Investoren hat sich längst noch keine Stimmung eingestellt, die auf eine vollständige Kapitulation hindeutet. Dies gilt vielen aber als Notwendigkeit, damit der Markt auf einem tragfähigen Fundament zu einer Trendwende ansetzen kann. Lediglich der Pessimismus der US-Anleger erreichte im Zuge des jüngsten Einbruchs im S&P500 unter 700 Punkte einen Rekordwert: Mehr als 70% der Privatanleger zeigten sich in einer seit 1987 regelmäßig durchgeführten Umfrage für die nächsten sechs Monate pessimistisch. Ob dies allerdings einen bevorstehenden Ausverkauf signalisiert, ist fraglich, denn ein anderer zu beachtender Parameter, das Verhältnis von Verkaufs- zu Kaufoptionen auf Aktien, ist aktuell recht niedrig.
Signal für Bärenmarkt-Rally
Zudem zeigen die Volatilitätsindizes sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks keinesfalls eine Panik an. So notiert der VDaxzwar über seinem langjährigen Durchschnitt, aber weiterhin sehr deutlich unter dem Rekordstand vom vergangenen Herbst, als panikartige Verkäufe insbesondere von Hedgefonds die Volatilität extrem steigerten.
Sehr gut denkbar ist daher, dass der hohe Pessimismus unter den Anlegern lediglich auf eine Kursrally im Bärenmarkt hindeutet. Sie könnte den Dax, der allein auf Sicht eines Monats um rund 1000 Zählereingebrochen ist und aktuell 23,8% unter dem Stand vom Jahresanfang notiert, zumindest bis an die 200-Tage-Linie heranführen. Sie verläuft aktuell bei etwa 4200 Zählern.
Gemessen vom aktuellen Indexniveau bei 3666 Punkten eröffnet das den spekulativ agierenden Anlegern wieder eine gute Chance auf schnelle und durchaus achtbare Gewinne. Langfristig ausgerichtete Investoren werden die Aktienquoten niedrig halten und dem Treiben lieber nur zusehen. (Börsen-Zeitung)