Liebe Leser,
seitdem im zweiten Halbjahr 2016 eine Preiserhöhung nach der nächsten erfolgreich am Markt durchgesetzt wurde, arbeiten Deutschlands Stahlriesen thyssenkrupp und Salzgitter wieder unter Volllast. Und auch der Stahlhändler Klöckner & Co macht seinen Schnitt. IG-Metallchef Dieter Lieske kommentierte die derzeitige Lage gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“ mit den knackigen Worten: „Die Hütte brummt. Bis Oberkante Unterlippe.“ Aber ist dieser Stahlboom auch nachhaltig?
Auslastung bei 90 %
Die deutschen Stahlwerke berichten von einer Auslastung im Bereich von 90 %. Das ist ein Spitzenwert. Denn weltweit liegt dieser Wert aktuell bei lediglich 70 %. Aber diese glänzenden Zahlen sollten nicht über die Realitäten hinwegtäuschen. Am Markt bestehen nach wie vor Überkapazitäten.
Beispiel China: Die Preiserholung an den Stahlmärkten war unter anderem eine Folge der Entscheidung, mehrere Hochöfen in China stillzulegen. Die Regierung sah schnelles Handeln geboten, um dem Smog in etlichen Ballungszentren des Landes Herr zu werden. Inzwischen pumpt China wieder große Mengen Stahl (+4,6 %) auf die Weltmärkte. Auch die Branchenriesen ArcelorMittal, Baosteele und U.S. Steel legten nochmals kräftig nach, indem sie ihren Output im Februar gegenüber dem Januar um rund 4 % erhöhten.
Politische Hilfestellung
Die höheren Stahlpreise der deutschen Erzeuger sind derzeit nur dank der Rückendeckung aus der Politik möglich. Die Stahlbranche gehört zu den eifrigsten Lobbygruppen hierzulande und konnte die EU von hohen Importzöllen überzeugen. Das hat die Dumpinganbieter aus Fernost zusätzlich ausgebremst – vorläufig.
Denn wer vermag schon zu sagen, was die Präsidentschaft von Donald Trump noch alles an Folgen zeitigt? Wenn die USA die Zollschranken hochfahren, muss die EU möglicherweise enger mit China und anderen Ländern im asiatischen Raum zusammenarbeiten. Dann werden unter anderem die Importzölle für Stahl und Solarprodukte zur Diskussion stehen. Und ob die deutsche Stahlindustrie ohne politische Hilfe international überlebensfähig ist, wage ich doch zu bezweifeln. Das gescheiterte Amerika-Abenteuer von thyssenkrupp sollte in diesem Zusammenhang Mahnung genug sein.