Liebe Leser,
der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hat sich vor dem offiziellen Brexit-Gesuch der Briten und den dann folgenden Verhandlungen nochmals zu Wort gemeldet. Treffender wäre allerdings die Formulierung: Die deutsche Chemieindustrie schlägt Alarm. Denn sie fürchtet heftige Einbußen, sollte es zu einem harten Brexit kommen.
Wovor hat deutsche Industrie konkret Bammel?
Bei einem harten Brexit drohen Importzölle. Für die Chemieindustrie ist Großbritannien nach den Niederlanden und Frankreich der wichtigste EU-Handelspartner. Hiesige Unternehmen exportieren Waren im Wert von 11,7 Mrd. Euro, was einem Anteil am Export von 6,6 % gleichkommt. Umgekehrt importiert die deutsche Chemiebranche Produkte im Wert von 6,2 Mrd. Euro aus Großbritannien, die als Vorprodukte benötigt werden. Der Branchenverband schätzt, dass Strafzölle diese Geschäftsbeziehungen jährlich um 200 Mio. Euro verteuern könnten.
Zudem drohen Rechtskonflikte und erhöhter Verwaltungsaufwand „bei der europäischen Chemikalienverordnung REACH, der Zulassung von Medikamenten, Kosmetika und Pflanzenschutzmitteln oder auch bei neuen Regulierungen zur Kreislaufwirtschaft“. Hinzu kommen die Kosten für neue Verpackungen und Kennzeichnungen.
Viel Geld investiert
Die deutschen Chemie- und Pharmariesen beschäftigt ein weiteres Problem. Sie haben in Großbritannien viel Geld investiert, sei es in Form von Unternehmensbeteiligungen oder in Vertriebs- und Produktionsstandorte. Die aktuelle Investitionssumme liegt bei 1,6 Mrd. Euro. Der Jahresumsatz aller 63 Tochterfirmen, die deutschen Chemieunternehmen angehören, liegt bei 4,1 Mrd. Euro. Auch die Briten lassen sich nicht lumpen: Sie haben derzeit 2 Mrd. Euro in den Chemiestandort Deutschland gesteckt.
Kein Wunder, dass der Chemieverband für einvernehmliche Verhandlungen und Kompromissbereitschaft wirbt. Denn sollten sich die Fronten verhärten, droht der deutschen Chemiebranche ein Milliardenverlust.