Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt, liegt am Beagle-Kanal. Hierschipperte einst Charles Darwin durch die Gegend. Im Hintergrund dieBerge Feuerlands.
In einer gewagten Kurve setzt das Flugzeug zur Landung an.Im 90 Grad-Winkel weicht der Pilot offenbar einem Berg aus, um die Landebahnanzuvisieren. Die uralte Boeing steht mit den Flügeln quasi senkrecht zurLandschaft. Nur dank der Gesetze der Physik und der Zentrifugalkraft fallen wirnicht aus den Sitzen. Ich denke an Newton und an Absturz. Aber die alte Mühle,die nicht in die Luft sondern ins Museum gehört, landet sicher auf demFlughafen von Ushuaia.
Ein paar Kreuzfahrer, wagemutige Antarktis-Touristen und ichschlendern durch Ushuaia, das kleine Städtchen am Ende der Welt, an derSüdspitze des südamerikanischen Kontinents. Das sagenumwobene Kap Horn und einpaar Inselchen trennen diesen Punkt der Erde von der Antarktis und vom Südpol.
Von Buenos Aires sind es über 3000 km. Man kann Ushuaia auchauf dem Landweg erreichen. Es ist quasi die einzige Strasse, die quer durch densüdamerikanischen Kontinent nach Süden führt. Diese Strasse endet – derLandkarte nach – irgendwo hier in der Gegend. Aber wo? Ein Blick auf dieLandkarte verrät, dass es nicht weit sein kann.
Auf dem Weg zum Ende der Welt.
Ich halte einen Taxifahrer an. Ein Mann in einer klapprigenKiste bietet seine Dienste an. Ich sage im besten Hochspanisch: "Fin alMundo, por favor" - Zum Ende der Welt, bitte.
Der Mann, eine Mischung aus Eskimo, Indio und Spanier schautmich besorgt an. Ich steige ein und spezifiziere meinen Wunsch. Mit den wenigenSpanischkenntnissen, die mir zur Verfügung stehen, heisse ich ihn mich so langedie Strasse entlang zu fahren, bis sie zu Ende ist. Das kann ja wohl nichtallzu weit sein.
Fin al Mundo - das versteht ja wohl jeder. Der Taxifahrersetzt seine Klapperkiste also in Bewegung. Das Taxameter bleibt jedoch aus.Also gebe ich ihm zu verstehen, dass er dieses bitte einschalten solle. Wennman schon zum Ende der Welt unterwegs ist, dann bitte auch genau abgerechnet.
Doch dieser Hinweis verwirrt den Mann am Steuer noch mehr.Nein, bedeutet er mir mit hastigen Handbewegungen. "Zum Ende der Welt nurohne Taxameter!" - ok, ich habe Einsehen, will aber wissen, welche Kostenauf mich zukommen.
Er kontaktiert die Zentrale per Funk. Mir schwante schon dasSchlimmste. Ist das Ende der Welt vielleicht doch nicht so nahe? Kostet eswomöglich ein Vermögen? Sind es Stunden bis zum Ziel? Nach meinen Erkenntnissenmuss doch die Strasse in Kürze zu Ende sein. Vielleicht habe ich mich geirrt?
In der Zwischenzeit aufgeregter Funkverkehr zwischen Taxiund Zentrale. Was ich mitkriege, ist in etwa Folgendes: "Hey Jungs, hierwill so ein Irrer zum Ende der Welt fahren. Was soll ich denn dafürnehmen?"
Mit Taxi Nr. 220 unterwegs in Feuerland. Die letzte Brück vor dem Ende der Welt
Ich rechne schon mit mehrstelligen Dollarbeträgen. IrgendeinHorrorpreis. Oder vielleicht werde ich ja auch irgendwo in den BergenFeuerlands verklappt und ausgeraubt? Zur Hilfe eilen würde hier jedenfallsniemand.
"30 Pesos" knirscht es aus der Handgurke zurück.Umgerechnet 10 Euro! Das soll mir das Abenteuer wert sein. Hurtig hoppelt das Gefährtüber die Schotterpiste und ich bin frohen Mutes. Wo wird die Strasse enden? Wiesieht das Ende der Welt aus?
Ab und zu muss der Chauffeur anhalten. Schliesslich sollalles fotografisch dokumentiert werden. Erst unverständlich widerwillig, danngleichmütig beugt sich der Mann meinem Wunsch.
Nach einer halben Stunde sind wir da. Eher unspektakulär.Ein kleiner Platz mit Blick auf die chilenische Seite Feuerlands. Wasser.Inseln. Ein Kiosk und die argentinische Nationalflagge. Für den Argentinier istdie Welt also hier zu Ende. Ich werde beim nächsten Mal allerdings dieAntarktis bezwingen...
So sieht es aus, das Ende der Welt. Zumindest aus argentinischer Sicht.