Mit einer umstrittenen Durchsuchungsaktion hat die Dresdner Staatsanwaltschaft
die Internet-Gemeinde gegen sich aufgebracht. Anfang voriger Woche drangen die
Ermittler, ausgestattet mit einem Eilbeschluss, in die Wohnung des Betreibers der
deutschen Internet-Seite „Wikileaks“ ein und beschlagnahmten einen Laptop und
eine Festplatte. Der Mann wurde aufgefordert, die Homepage zu sperren. Wikileaks
– mit Hauptsitz in Schweden – hat es sich zur Aufgabe gemacht, interne Papiere
von Regierungen und Geheimdiensten anonym zu veröffentlichen. Der Vorwurf ge-
gen den Domain-Inhaber der deutschen Wikileaks-Seite: Beihilfe zum Vertrieb kin-
derpornografischer Schriften. Grund sind Internet-Sperrlisten der australischen
und thailändischen Regierung, die Wikileaks veröffentlicht hat. Die Aktivisten woll-
ten zeigen, dass nicht nur kriminelle Inhalte von Sperrungen betroffen sind, son-
dern auch normale Seiten. Die deutschen Ermittler glauben jedoch, dass über die
auf Wikileaks gezeigten Links der Aufruf von Kinderpornos ermöglicht werde. Die In-
ternet-Gemeinde sieht in der Aktion einen gezielten Angriff deutscher Behörden auf
eine unliebsame Seite. Auch der Anwalt des Betroffenen, Udo Vetter, hält die
nächtliche Durchsuchung für unverhältnismäßig. Sein Mandant habe weder Kin-
derpornos besessen, noch welche vertrieben. Die Dresdner Staatsanwaltschaft be-
teuert, nicht einmal gewusst zu haben, was Wikileaks ist.
DER SPIEGEL 14/2009