Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler hat die zunehmende Strom-
linienförmigkeit seiner Parlamentskollegen beklagt und zu einer umfassenden Re-
form des deutschen Parlamentarismus aufgerufen. Er habe den Eindruck, „dass
Abgeordnete, die eigenständig über das eigene Land reden wollen, nicht mehr er-
wünscht sind“, sagte Gauweiler in einen Gespräch mit dem Nachrichten-Magazin
DER SPIEGEL. „Was mich beunruhigt, ist, dass das Funktionieren im System so kri-
tiklos hingenommen wird. Das gefährdet die Demokratie.“ Gauweiler beklagte ins-
besondere, dass die Fraktionsführung Union bei wichtigen Themen, etwa der Ab-
stimmung über die Erbschaftsteuerreform, massiv Druck auf Abweichler gemacht
habe. „Da wurden bis zum Schluss Abgeordnete, die ihr abweichendes Votum be-
reits angekündigt hatten, in einer Weise geknetet und gedreht, dass es einem
schlecht werden konnte.“ Gauweiler forderte einen Umbau des Parlamentarismus,
um die Stellung des einzelnen Abgeordneten zu stärken. Er plädierte unter ande-
rem dafür, die Listenaufstellung für die Bundestagswahlen durch die Parteien kom-
plett abzuschaffen, damit Abgeordnete künftig nur noch direkt von den Bürgern ge-
wählt werden können. Gauweiler kritisierte auch die mangelnde innerparteiliche De-
mokratie in der CSU. Es sei ein „blamabler Vorgang“ gewesen, dass der ehemali-
ge Parteichef Edmund Stoiber ersetzt wurde, ohne dass die Parteibasis zuvor ge-
fragt wurde. „Um eine derart gravierende Entmachtung zu legitimieren – Stoiber war
mit einer Zweidrittelmehrheit des Volkes gewählt worden –, hätten über den Partei-
vorsitzenden und zukünftigen Spitzenkandidaten wenigstens die Mitglieder der CSU
in einer Urabstimmung entscheiden müssen“, sagte Gauweiler und fügte mit Blick auf
die damaligen Hinterzimmerabsprachen hinzu: „Manchmal haben wir vor Feigheit ge-
stunken.“ DER SPIEGEL 16/2009