Der Piratenüberfall auf das Kreuzfahrtschiff "MSC Melody" am Wochenende verlief dramatischer als bisher bekannt. Reiseteilnehmer schildern SPIEGEL ONLINE, es sei vor allem dem beherzten Handeln von Passagieren zu verdanken, dass die Piraten nicht an Bord kamen.
Eine Frau entdeckte demnach das Seeräuberboot aus Zufall und rief Mitreisende zu Hilfe. Diese bewarfen dann die Piraten mit Tischen und Liegestühlen aus Plastik, noch bevor die Sicherheitsleute alarmiert und mit Waffen ausgerüstet waren. Minutenlang sei der Kampf hin- und hergegangen. Einer der Seeräuber sei am Seil schon fast auf ein Deck geklettert gewesen. Ein Gegenstand traf ihn laut den Zeugenaussagen mit voller Wucht, er stürzte in die Tiefe, das Boot drehte ab.
Erst nach sechs bis acht Minuten tauchten den Darstellungen zufolge die bewaffneten Sicherheitsleute auf. Die Passagiere wehren sich gegen Behauptungen des Kapitäns Ciro Pinto, denen zufolge vor allem das Eingreifen seiner Crew das Schiff gerettet habe.
Die Schilderungen der Kreuzfahrtteilnehmer werden seitens der italienischen Reederei MSC als "authentisch" bestätigt. "Die Passagiere haben die Angreifer behindert, verscheucht wurden sie von den Schüssen unserer Sicherheitsleute", sagte Unternehmenschef Pierfrancesco Vago zu SPIEGEL ONLINE. "Wir waren professionell, aber wir haben auch Glück gehabt."
Einem Passagier wurde den Kreuzfahrtteilnehmern zufolge von Piraten ins Bein geschossen, eine Kugel streifte ein Crewmitglied am Kopf. Dies widerspricht der Darstellung des Kapitäns, es habe "keine Verletzten" an Bord gegeben.
Die Reederei geht davon aus, dass die Piraten noch einen Angriff auf das Schiff planten. Kurz nach der vereitelten Attacke sei auf der Brücke ein Anruf per Satellitentelefon eingegangen, in dem ein Mann in gebrochenem Englisch mit Straßenlärm im Hintergrund Positionsdaten gefordert habe, dann werde man zu Hilfe eilen. Da der Anrufer seinen Schiffsnamen nicht nennen wollte, kam Kapitän Pinto der Aufforderung nicht nach. Reederei-Chef Vago sagte SPIEGEL ONLINE, er sei sicher, "dass die Seeräuber versuchten, uns mit den Positionsdaten erneut zu überfallen".
Die Reederei zieht nun Konsequenzen. "Wir werden nicht mehr in die gefährdeten Gebiete des Indischen Ozeans vor der somalischen Küste fahren", sagte Vago. Eine geplante Fahrt der "MCS Symphonia" im Herbst wird verlegt: "Wir werden diese Route nicht fahren und stattdessen eine nehmen, die an Westafrika vorbeiführt."