Lettlands Wirtschaft steht am Abgrund und läuft im Moment nur durch „lebenserhaltende Maßnahmen“. Trotz des IWF/EU-Kredites in Höhe von 7,5 Mrd. Euro (9,8 Mrd. USD), der im Dezember 2008 freigegeben wurde, wird für das Land im laufenden Jahr ein BIP Einbruch von bis zu 15% erwartet. Dies ist der höchste Einbruch weltweit.
In einer aktuellen Studie von Postbank Research wird praktisch von einem nahenden Staatsbankrott ausgegangen. Der IWF/EU-Kredit wird im schlimmsten Fall nicht ausreichen, einen Bankrott des lettischen Staates zu verhindern, heisst es in der Studie.
Falls dieser Fall eintritt, wird es sehr wahrscheinlich im gleichen Atemzug zu einer Währungskrise (Aufgabe des Fixkurssystems) mit einem starken Wertverfall der lettischen Währung kommen.
Der Premier des Landes Dombrovsksis hatte bereits vor über einem Monat in einem Interview mitgeteilt, dass dem Land der Bankrott drohe, falls es die nächste Kredittranche von 1,7 Mrd. Euro im Juni nicht erhält. Bereits im März hat das Land eine Auszahlung von 200 Mio. Euro nicht erhalten, nachdem es die Budgetvorgaben des IWF nicht einhalten konnte.
Diese sehen ein maximales Budgetdefizit von 5% des BIP vor. Seit rund einem Monat wird nun von lettischer Seite versucht nachzuverhandeln, mit dem Ziel eines maximal erlaubten Defizits von 7%. Aber selbst dies stellt aus Sicht der Postbank Studie noch ein ambitioniertes Ziel dar.
Zum Vergleich: Der Staat muss ca. 40% seines aktuellen Haushaltes einsparen, um diese 7% zu erreichen. Der IWF äußerte sich diesbezüglich relativ zurückhaltend, stellt aber Gespräche in Aussicht.
Die künftige Zahlungsfähigkeit des Staates steht und fällt mit dem Kredit des IWF. Den Devisenreserven von 4,4 Mrd.USD stehen im Moment Gesamtverbindlichkeiten des Landes in Höhe von 46 Mrd. USD gegenüber, davon sind 12 Mrd. Euro kurzfristiger Natur.
Die Handelsbilanz Lettlands ist negativ. Dementsprechend kann hieraus kein Finanzierungsbeitrag erwartet werden. In diesem Zusammenhang besteht die Gefahr von Spekulationen über eine mögliche Aufgabe des Wechselkurssystems.
Lettland unterhält ein Fixkurssystem (currency board) gegenüber dem Euro mit einer Schwankungsbreite von +/- 1%. Typische Anzeichen für derartige „Attacken“ sind schrumpfende Währungsreserven, ansteigende Leitzinsen, sowie als Voraussetzung ein real überbewerteter Wechselkurs.
Gemessen am langfristigen Durchschnitt des realen effektiven Wechselkurses ist die lettische Währung um ca. 30 % überbewertet. Lettlands FX-Reserven sind von 5,2 Mrd. Euro (Ende Dezember) auf zuletzt 3,3 Mrd. Euro (Stand Ende März) geschrumpft. Allein die Kapitalflucht hat zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht im großen Stil eingesetzt, so dass die Zentralbank die Leitzinsen noch nicht erhöhen musste.
Die Folgen einer Aufgabe der Wechselkursbindung wären dramatisch. Aufgrund der hohen Auslandsverschuldung des Landes könnten bei einer starken Abwertung der Währung viele Kredite nicht mehr bedient werden und würden ausfallen.
Die Postbank Analyse hält ein solches Szenario nicht mehr für ganz abwegig. Denn der Staat selbst dürfte kaum ein Interesse daran haben, den Wechselkurs mit aller Kraft zu verteidigen, da ein baldiger Beitritt zum Euro nicht realistisch erscheint.
Ansteckungseffekte für den Rest des Baltikums wären bei einer Währungskrise in Lettland mehr als wahrscheinlich.