Alle Blicke waren gestern Abendauf Moskau anlässlich des Grand Prix Eurovision bzw. Eurovision Song Contest 2009gerichtet. „Is it true?“ war der Titel aus Island, der übrigens damitüberraschend den zweiten Platz belegte und mir persönlich am besten gefiel. InMoskau spielte auch die Hauptmusik unter den Weltbörsen (+50% seit Jahresbeginn!).Der Titel „Is it true?“ könnte auch an die USA gerichtet sein. In den letztenMonaten wurden die Anleger vor allem wegen besser als erwarteten Zahlen und Zahlen-Interpretationenrasant nach oben befördert.
Erst machten die Quartalszahlenbei einigen US-Großbanken wie vor allem bei der Citibank den Anlegern Mut, dannschien ein US-Bankenstresstest für Erleichterung an den Weltbörsen. Sogar die US-Arbeitsmarktdaten wurden trotzeiner Rekordarbeitslosenquote von 8,9% positiv aufgenommen, weil die Zahlenzumindest nicht schlechter ausfielen als erwartet worden war. Die US-Arbeitslosenzahlenbetrugen im April „nur“ 530.000 anstelleder erwarteten 600.000. Zusätzlich sorgten einige Stimmungsindikatoren für eineStimmungsbesserung auch an der Börse. So drehte zuletzt auch der imHandelsblatt veröffentlichte KID-Indikator kräftig nach oben. Schließlichmeldeten sich einige Börsengurus wie George Soros und Warren Buffet zu Wort,die beide der Auffassung sind, dass das Gröbste überstanden sei und es im nächstenJahr wieder bergauf gehe. Rein in die Krise und punktum raus aus der Krise? Soeinfach ist es leider nicht!
Ohne nun den Anlegern wieder denMut zum Investieren nehmen zu wollen, sollte sich alle Anleger vor allem dasUS-Zahlenwerk kritisch überprüfen, ob die „schönen Zahlen“ zu sehr geschönt sindnach dem Motto: „Enron lässt grüssen!“ Die USA haben de facto die schwersteRezession seit 1929 zu verkraften: das Minus von 6% beim BSP im 1. Quartal istnoch geschönt. Die US-Lohnsummen fallen,was später auch auf den Konsum sich bemerkbar machen wird. Leider reagieren vieleAnleger auf Börsennachrichten immer wieder zu schnell ohne die Zahlen abzuwägenund zu hinterfragen. Jedem Anleger sollte klar sein, dass die jetzt vorgelegtenQuartalszahlen durch die äußerst gewagte Bilanzierungs-Wahlfreiheit nicht dem tatsächlichenwirtschaftlichen Bild entsprechen. Vor allem das Thema „Altlasten imDerivate-Bereich“ ist nicht aus der Welt. Im Gegenteil: bei einem Volumen vonüber 700 Billionen USD (!) im Derivate-Bereich tickt hier nach wie vor einegewaltige Zeitbombe. Das Thema „badbank“ wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen. Sicherlich müssen dieBankvorstände jetzt wegen Konkursverschleppung nicht mehr ins Gefängnis, abervieles, was früher unter „Bilanzmanipulation“ lief und verboten war, ist jetzterlaubt, damit ein Bankenrun vermieden wird. Den USA droht auch bei Staatsanleihendas ohnehin nicht gerechtfertigte AAA-Rating zu verlieren, womit die Risikoprämiensteigen würden. Gerechtfertigt wäre eher „Junk Bond-Niveau für so mancheUS-Anleihen, die noch ein „AAA-Rating“ hat.
Ich möchte beim US-Bankenstresstestnicht zu sehr ins Detail gehen: ich kann aber nicht erkennen, dass derUS-Bankenstresstest „gute Nachrichten“ für die Anleger erbrachte. Es sei einmaldahingestellt, ob die Parameter BSP, Arbeitslosenzahlen und Immobilienpreise alleineüber das Wohlergeben und Überleben der US-Großbanken entscheiden, was ich bezweifele.Ich kritisiere aber schon seit Jahren, dass zumindest die BSP-Zahlen, auch dieInflationszahlen und erst recht die US-Arbeitsmarktdaten nicht dietatsächliche, reale Entwicklung wiedergeben. Immer wieder werden diese Zahlennachträglich nachkorrigiert, weil sieauf groben Schätzungen beruhen. Die BSP-Zahlen werden annualisiert berichtet,bei den Inflationszahlen ist der gewählte Warenkorb sehr fragwürdig und bei denUS-Arbeitslosenzahlen werden auch sehr fragwürdige Schätzungen auf Basis vonGeburts- und Sterbetabellen benutzt, die sich im Nachhinein immer wieder alsfalsch erweisen. So setzt die US-Rezession bekanntlich wesentlich früher ein als zuvor vom Zahlenwerk ablesbar war. Siesollten auch wissen, dass die US-Inflation wesentlich höher und vor allem dieUS-Arbeitslosigkeit wesentlich höher ist als berichtet. Die Börse ist also keinSpiegel der wirtschaftlichen Entwicklung, auch wenn die US-Arbeitsmarktdatengerade jetzt für Stimmung an den Weltbörsen sorgen. Sie werden dann imNachhinein immer nachadjustiert, was auch eine Strategie des „Plunge protectionteams“ sein könnte, das bisher ganze Arbeit geleistet hat. Einige Shortseller wurdezwar in den Monaten März/April aus dem Markt gejagt, aber sie werden wiederkommen, wenn sich die US-Wirtschaftsdaten nicht wirklich verbessern. Sorgenbereitet zudem die ausufernde Verschuldung in den USA. Die US-Bahnfrachtraten nahmen weiter um 18,2%in den ersten vier Monaten ab, was kein Anzeichen für einen Aufschwung ist.
Aber wie würden wohl weltweit dieAnleger reagieren, wenn die USA voneiner Arbeitslosenquote von realistischen 15-16% berichten würde. Oft sind esBeruhigungspillen ebenso wie die Statements des Notenbank-Chefs Bernanke, der sichbei Wirtschaftsprognosen lieber zurückhalten sollte, da er mit seiner damaligenSchätzung von 50 Mrd. USD Abschreibungsbedarf infolge der Immobilenkrise völligfalsch lag.
Ich bin immer wieder verwundert,wie sehr die Akteure an den Finanzplätzen auf diese zwar wichtigenKonjunkturdaten und Meinungen des US-Notenbankchef reagieren. Nun ist es immerso, dass die reale Entwicklung immer wieder die Börse einholt und auf den Bodender Tatsachen holt. Was viele Anleger bisher auch nicht registriert haben, ist,dass es bereits einen Anleihen-Crash in denUSA gab ohne dass dies eine Auswirkung auf die Börse hatte. So stiegen die Anleihenzinsenin den USA von 2 auf über 4%. Ich kann mir sogar vorstellen, dass wir weitersteigende Zinsen in den USA bekommen, damit auch alle US-Bonds platziert werdenkönnen. Ähnliche Entwicklungen kommen dann mit einer gewissen Zeitverschiebungauch in Europa. Achten Sie also schon jetzt auf den Bund-Futures. Wenn dieserunter 119 fällt, könnte es zu steigenden Zinsen kommen.
Demnächst werden einige Schicksalsfragengestellt, wo geschönte Bilanzen nicht mehr ausrichten können wie bei GeneralMotors. Dort zählt nur der Satz. „Nur Bares ist Wahres“. Das gleiche gilt fürOpel in Deutschland, die wiederum von GM abhängig sind. Anleger sind auf einChapter 11 von General Motors noch nicht vorbereitet. Dahinter steckt aber aucheine Schicksalsfrage für die USA, was Arbeitslosenzahlen angeht. Die nächstenWochen werden einige in Erinnerung rufen, dass diese Krise wirtschaftlich nochnicht überwunden ist. Allerdings macht China ordentlich Dampf, um seinen Rufals neue Welt-Konjunkturlokomotive gerecht zu werden. Von der Rohstoffnachfragein China und Indien hängen viele Rohstoffmärkte und mittelbar damit auch vieleRohstoffexporteure und damit auch Russland ab. China geht weiter auf Einkaufstour, nicht nur zur Aufstockung derGoldbestände. In den USA sind immer noch 8 Billion USD geparkt und werdenfrüher oder später nach neuen Anlagemöglichkeiten suchen. Auch sind die meisten Börsen-Stimmungsindikatorennoch am Boden, so dass ein neuer Crash so schnell nicht zu erwarten ist.
Die Anleger in Moskau dürftensich über eine Korrektur nach einem Plus von 50% seit Jahresbeginn nichtwundern. In den nächsten Tagen sollten die Anleger weiter auf die Markttechnikachten. Die 200-Tagaeslinie ist nach wie vor fallend und wurde noch nicht überschritten.Der DAX schloss am Freitag fast auf Vortagsniveau bei 4702 Indexpunkten, derDow Jones mit einem Minus von 0,75% bei 8268 Indexpunkten und der S&P miteinem Minus von 1,14% bei 882 Indexpunkten. Bearish wird es erst, wenn der DAXunter 4650, der S&P unter 850 (erst recht unter 820 Indexpunkte) oder der DowJones unter 7700 Indexpunkte fällt. Zunächst ist aber nur eine Korrektur aufdie Trading-Rang , die sich im April gebildet hatte und die Anfang Mai nach obenverlassen wurde, wahrscheinlich. Danach kommt auch marktechnisch die Stunde derWahrheit. Entweder nehmen die Weltbösen dann einen neuen Anlauf auf die 200-Tageslinie(beim DAX sind wir mit 5000 Indexpunktenschon sehr knapp dran, bei S&P und Dow noch einiges entfernt). In jedem Fallist der kurzfristige Haussetrend seit März beim DAX schon nach unten gebrochen,was eher ein bearishes Zeichen ist. Von daher sollten Sie auch an den Ostbörsenjetzt die Stop-loss-Marken sehr knapp nachziehen bzw. mehr in Liquidität gehen. Auf der Ostbörsen-Hotline 0901-8614001 (1,86 €/Min) werden für aktiven Tradertäglich Hinweise auf aktuelle Trends an den Ostbörsen gegeben.
Über dieZukunftschancen der Aktien aus Osteuropa und auch in Afrika – ein Kontinent,der noch entdeckt werden will – können Sie sich informieren bei dem nächstenESI-Ostbörsen-Seminar am 27. Mai in Frankfurt/M um 17.30 Uhr (Info undAnmeldung unter www.eaststock.de, dortbei Seminare).
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