Nachfolgend ein Auszug aus dem neuesten Werk von Prof. Bernd Senf: "Bankgeheimnis Geldschöpfung". Der Artikel ist Teil einer umfangreichen Abhandlung, welche auf den unten angeführten Quellen als PDF heruntergeladen werden kann. Wer die Geldsystemkrise verstehen will, kommt nicht umhin, sich mit den Analysen von Prof. Senf auseinanderzusetzen. --->www.berndsenf.de
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---->Vollständiger Artikel von Bernd Senf überBankgeheimnis Geldschöpfung (PDF)
Im Gegensatz zu den meistenWirtschafts- und Finanzexperten, Politikern und Gewerkschaftlern, die von derKrise völlig überrascht wurden, kam sie für mich überhaut nicht unerwartet, imGegenteil: Seit vielen Jahren habe ich auf die im bestehenden Geldsystemverankerten problematischen Strukturen und auf not-wendige Veränderungenhingewiesen – wie schon auf dem Titelbild meines 1996 erschienen Buches „DerNebel um das Geld“ erkennbar wird. Zu den wesentlichen Problempunkten gehören
- die Struktur und langfristig destruktive Dynamik des Zinssystems.
- die bestehende Art der Geldschöpfung aus dem Nichts
durch (zum Teilprivate) Zentralbanken und durch private Geschäftsbanken.
Zur Problematik desZinssystems
Die Problematik des Zinssystems soll hier nur ganz kurzangedeutet werden. Der scheinbar selbstverständliche Zins und Zinseszins lässtdie Geldvermögen exponentiell, das heißt in sich beschleunigendem Maßeanwachsen. Bei 5 % Zinseszins kommt es nach jeweils knapp 15 Jahren zu einerVerdoppelung. Nach ungefähr 15, 30, 45, 60, 75, 90, 105, 120, 135, 150 ...Jahren wächst demnach 1 Euro auf 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256, 512, 1024 ...Euro an. (Die genaue Zahl nach 150 Jahren liegt sogar bei 1.507 Euro.) Auseiner Milliarde würden entsprechend 1,507 Billionen. So schön das aus der Sichtder Geldanleger erscheinen mag, so problematisch ist dieses immer schnellerwerdende Wachstum aus der Sicht der Schuldner – und aus gesamtwirtschaftlicherSicht. Denn das Anwachsen der Geldvermögen hat zur Grundlage (und treibthervor) ein entsprechendes Wachstum der Schulden irgend woanders imGesamtsystem: bei privaten Unternehmen, privaten Haushalten und beim Staatinnerhalb eines Landes oder im Ausland.
Die Schulden sind das Spiegelbild der Geldvermögen, und siewachsen wie ein Tumor im menschlichen Körper. Der Zins wirkt demnach wie Krebsim sozialen Organismus. Exponentiell wachsende Zinslasten, die aus demjährlichen Sozialprodukt aufgebracht werden müssen, können von den Schuldnernim Durchschnitt immer weniger erwirtschaftet werden, weil in ein Weltbegrenzter Ressourcen und Absatzmärkte ein exponentielles Wachstum derRealwirtschaft auf Dauer nicht möglich ist. Es muss sich vielmehr – auch beigrößten Anstrengungen – nach einigen Jahrzehnten abschwächen, und dieDurchschnittsrenditen in der Realwirtschaft werden sinken.
[...]
Giralgeldschöpfungder Geschäftsbanken – Mythos oder Realität?
Durch die Gründung einer Zentralbank und deren Emissioneines gesetzlichen Zahlungsmittels traten die Banknoten der Geschäftsbanken inden Hintergrund. Ihre Forderungen gegenüber Schuldnern wurden nun bei derZentralbank eingereicht und gegen Zentralbankgeld eingetauscht, das an dieKreditnehmer weiter geleitet wurde. Nachdem also das Privileg der Geldschöpfungauf die Zentralbank übergegangen war, haben sich die privaten Geschäftsbanken –lange Zeit unbemerkt von der Öffentlichkeit, der Wirtschaftswissenschaft undder Politik – eine neue Möglichkeit der Geldschöpfung aus dem Nichtserschlossen: die Giralgeldschöpfung, die seit langem den größten Teil derGeldmenge M1 (Bargeld +Sichtguthaben) ausmacht.
Mitte des 20. Jahrhunderts hat die Volkswirtschaftslehredieser Veränderung im Bankgeschäft mit der Theorie der multiplen Kreditschöpfungzwar Rechnung getragen, aber diese Theorie lenkt – wie noch zu zeigen sein wird– in scheinbarer mathematischer Exaktheit den Blick von der wesentlichenProblematik der Giralgeldschöpfung ab. Sie deckt das BankgeheimnisGeldschöpfung nicht wirklich auf, sondern führt eher in die Irre. Es hat michselbst viele Jahre gebraucht, um mich aus diesen (und anderen) Verwirrungenmeines VWL-Studiums nach und nach heraus zu winden und einen realitätsnäherenBlick zu entwickeln. Aber selbst in freiwirtschaftlichen Kreisen, die inAnlehnung an Silvio Gesell das Zinssystem und das private Bodeneigentumkritisieren, gab es noch vor wenigen Jahren heftige Kontroversen darüber, ob esnun eine Giralgeldschöpfung gibt oder ob diese nur ein Mythos sei. Nachgründlicher Abwägung vieler Argumente für und wider bin ich zu dem Ergebnisgekommen:
... und es gibtsie doch – die Giralgeldschöfung der Geschäftsbanken,
nur anders undviel problematischer als in der VWL-Lehrbuchtheorie.
Im Folgenden möchte ich meine Sichtweise zurGiralgeldschöpfung der Geschäftsbanken grob skizzieren. (Ausführlich habe ichdiese Zusammenhänge in meinem Buch „Der Tanz um den Gewinn“ im Kapitel„Kontroversen um das Geld“ abgeleitet. Die Kritik an der VWL-Lehrbuchtheorieder multiplen Kreditschöpfung findet sich in meinem Buch „Der Nebel um dasGeld“ auf den Seiten 158 – 166.)
Vom Bargeld zumGiralgeld
Das Verhältnis von (Zentralbank-)Bargeld zum Giralgeld derGeschäftsbanken ist sehr ähnlich dem Verhältnis von Goldmünzen zu Banknoten.Ein Beispiel soll wieder zur Veranschaulichung dienen: Werden 100 Euro Bargeldvom Bankkunden A zur Geschäftsbank GB-1 gebracht und auf ein Girokontoeingezahlt, entsteht auf diesem Konto ein Guthaben in gleicher Höhe. Weil derBankkunde über dieses Guthaben vereinbarungsgemäß jederzeit verfügen kann, dasGeld also auf kurze Sicht zum Beispiel in bar abheben oder unbar auf andereKonten überweisen lassen kann – und weil das Guthaben durch Einzahlung oderEinlage entstanden ist, spricht man von „Sichteinlage“ – im Unterschied zuTermineinlagen und Spareinlagen, die längeren Bindungsfristen unterliegen. Dieerste Sichteinlage ist noch vollständig durch Bargeld gedeckt.
Wenn nun Bankkunde A an den Bankkunden B bei der gleichenBank 100 Euro zahlen will, könnte er diesen Betrag von seinem Girokontoabheben, dem B in bar aushändigen, und B könnte ihn wieder bei der gleichenBank auf sein Girokonto einzahlen und dafür ein Sichtguthaben von 100 Eurobekommen. Dieser Vorgang ist allerdings viel umständlicher , als wenn A denBetrag von der Bank direkt auf das Konto des B überweisen lässt – ohne einedazwischen geschaltete Barabhebung durchA und Bareinzahlung durch B. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass B dieÜberweisung als Bezahlung akzeptiert. Er wird dies tun, wenn er daraufvertraut, dass er dieses Sichtguthaben jederzeit in bar abheben oder perÜberweisung oder Scheckkarte darüber verfügen kann. Für die Durchführung derbankinternen Überweisung braucht die Bank kein Bargeld zu bewegen, sondernlediglich eine Umbuchung vorzunehmen: vom Konto des A den Betrag abbuchen unddem Konto des B zubuchen oder gutschreiben. Früher wurde das tatsächlich in denBüchern der Banken verbucht (daher auch der Ausdruck „Buchgeld“, was dasgleiche bedeutet wie „Giralgeld“).
Angenommen, die bargeldlosen Zahlungen haben sich so weitdurchgesetzt, dass nur noch maximal 1/3 der Sichtguthaben in bar von denGirokonten abgehoben werden. Dafür mussdie Bank Vorsorge treffen und eine entsprechende Barreserve halten, um dervereinbarten Bargeld-Einlösegarantie gerecht zu werden. 2/3 er anfänglich von Aeingezahlten 100 Euro bleiben demnach als Überschussreserve übrig. Eigentlichgehören sie anfangs dem A, und nach der Überweisung auf das Konto des B solltensie dem B gehören. Eigentlich müssten sie auch zu 100 % in der Kasse oder imTresor der Bank in bar gehalten werden. Dann wäre es eine 100%-Deckung odereine Volldeckung des Giralgeldes durch Bargeld.
Grundlagen derGiralgeldschöpfung aus dem Nichts
Die Geschäftsbank könnte aber auch auf die Idee kommen, die2/3 Überschussreserve anderweitig zu verwenden – in dem Vertrauen darauf, dasssie nicht durch Barabhebungen angetastet werden und insofern nur ungenutztlagern würden. Sie könnte diese 66,66 Euro zum Beispiel in bar als Kredit an Dritteverleihen – gegen Zinsen, Tilgung und Sicherung – und sich damit ein Zubrot„verdienen“. Oder noch besser: Sie verwendet die 2/3 als Grundlage für dieSchöpfung von 2 x 100 Euro aus dem Nichts, die sie dem C und dem D jeweils alsKredit gewährt und als Sichtguthaben auf deren Girokonto bucht. Für denangenommenen Fall, dass auch diese Sichtguthaben maximal bis zu 1/3 abgehobenwerden, würde die Überschussreserve von 66,66 Euro (= 2 x 33,33 Euro)ausreichen. Wo vorher durch Bareinzahlung von 100 Euro nur ein Sichtguthaben ingleicher Höhe entstanden war, sind jetzt zwei weitere Sichtguthaben je 100 Euroentstanden – und zwar allein durch entsprechende Buchungen auf die Konten von Cund D.
Auf der einen Seite verpflichtet sich Bank gegenüber C undD, die Guthaben jederzeit in bar einzulösen oder entsprechende Überweisungendurchzuführen (was in der Bankbilanz auf der Passivseite erscheint), auf deranderen Seite verfügt sie über jeweils eine Forderung gegenüber den SchuldnernD und D auf Verzinsung und Tilgung des eingeräumten Kredits (was auf derAktivseite der Bankbilanz erscheint). Dadurch hat sich die Bilanz der Bank aufbeiden Seiten um den gleichen Betrag verlängert („Bilanzverlängerung“). DurchGiralgeldschöpfung aus dem Nichts hat die Bank in diesem Beispiel denanfänglichen Betrag von 100 Euro auf 300 Euro vergrößert, indem sie auf einemSockel von 100 Euro Bargeld einen dreifachen Überbau von 300 Euro Giralgelderrichtet hat. Auf die Gesamtwirtschaft übertragen würde das bedeuten: das vonder Zentralbank geschöpfte Geld würde um das von den Geschäftsbanken geschöpfteGiralgeld ergänzt. Auch wenn Giralgeld im rechtlichen (noch) nicht alsgesetzliches Zahlungsmittel gilt, sondern nur als Anspruch auf Einlösung inBargeld, wirkt es im gesamtwirtschaftlichen Kreislauf doch längst wieZentralbankgeld, weil man auch mit Giralgeld Güter und Dienstleistungen (alsoSozialprodukt) kaufen und auch Steuerschulden und andere Schulden damitbegleichen kann. (Die offizielle Definition der Geldmenge M-1 umfasst entsprechendauch die Summe aus Bargeld und Giralgeld.)
Was hier nur am Beispiel einer Bank mit bankinternenÜberweisungen und Kreditvergaben dargestellt wurde, wird etwas komplizierter,wenn es sich zum Teil auch um bankexterne Überweisungen handelt. Aber amPrinzip ändert sich dabei wenig. Angenommen, einige Überweisungen gehen vonGB-1 an Kunden einer anderen Geschäftsbank GB-2, dann müssten dieseÜberweisungen eigentlich begleitet sein durch entsprechende Bargeldbewegungenvon GB-1 nach GB-2, ließen sich also doch nicht einfach durch Umbuchungenabwickeln. Andererseits wird es auch Überweisungen in umgekehrter Richtunggeben (dies um so mehr, je größer die Banken und die Anzahl ihrer Kunden ist),so dass Bargeld pro Tag jeweils nur in Höhe des verbleibenden Saldos bewegtwerden müsste. Und das ist zwischen großen Banken deutlich weniger als dasgesamte Überweisungsvolumen. Wenn die großen Banken einigermaßen imGleichschritt Giralgeldschöpfung betreiben, ergibt sich für alle ein größererSpielraum. Nur die kleinen Banken haben kaum die Möglichkeit derGiralgeldschöpfung, weil ihre Überweisungen in der Regel überwiegend bankexternsind und von außen nur wenige Überweisungen eingehen.
Grenzen derGiralgeldschöpfung
Anfang der 30er Jahre betrug das Verhältnis von Bargeld zuGiralgeld in den USA schon ungefähr 1 : 10. Bei noch weiterer Verbreitung desbargeldlosen Zahlungsverkehrs (Scheckkarten usw.) kann das Verhältnis noch vielweiter ansteigen (zum Beispiel auf 1 : 20 oder 1 : 40), wenn dem nicht gesetzlicheSchranken gesetzt werden. Eine der möglichen Beschränkungen liegt in der„gesetzlichen Mindestreserve“, die die Zentralbanken von den Geschäftsbanken inmanchen Ländern fordern können – und die den Spielraum für dieGiralgeldschöpfung im Rahmen der so genannten „Mindestreservepolitik“ mehr oderweniger einschränken können. Aber auch dort, wo dieses geldpolitischeInstrument angewendet wurde oder wird, geht es nicht darum, dieGiralgeldschöpfung ganz zu unterbinden, sondern nur zu begrenzen.
Eine weitere Möglichkeit der Begrenzung liegt ingesetzlichen Beschränkungen der Kreditvergabe im Verhältnis zum Eigenkapitalder Banken. Eine gesetzliche Veränderungder geforderten Eigenkapitalquote kann bisherige Spielräume derGiralgeldschöpfung schlagartig in die eine wie in die andere Richtung verändernund Bankensysteme ganzer Länder in die Krise stürzen. Problematisch werdensolche Vorschriften insbesondere dann, wenn sie ohne Rücksicht auf diebesonderen Bedingungen einzelner Länder weltweit durchgesetzt werden, wie zumBeispiel durch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel,einer Art Zentralbank der Zentralbanken, die weitgehend von der Öffentlichkeitunbemerkt im Hintergrund agiert.
Zur Problematik derGiralgeldschöpfung
Das Bankgeheimnis Geldschöpfung verdeckt dieFragwürdigkeit, dass die Banken für aus dem Nichts geschöpftes Geld von denKreditnehmern Zinsen und Tilgung fordern – und bei Nichterfüllung auf dasbeliehene Eigentum der Schuldner – wie zum Beispiel Immobilien – zurückgreifen und es zwangsversteigern lassen. Auf diese Weise verlierenüberschuldete Schuldner zuweilen das Dach über dem Kopf und den Boden unter denFüßen. Diese Konsequenz kann auch ganze überschuldete Länder (zum Beispiel derDritten Welt) treffen, so dass die Gläubiger die Kontrolle über Menschen undRessourcen bekommen. Die zugrunde liegende Abfolge „Kreditbedarf – Verschuldungund Enteignung“ zieht sich wie ein roter Faden, wie ein Thema mit Variationendurch einige Tausend Jahre Geldgeschichte, aber sie wird besonders grotesk,wenn die Mittel zur Kreditvergabe – wenn auch in gewissen Grenzen – aus demNichts geschöpft werden. Man kann diesen Zusammenhang auf einen kurzen Nennerbringen:
Mit selbstgeschöpftem Geld – kaufen sie die Welt.
Und sie tragen auf diese Weise mit dazu bei, dass dieexponentiell wachsenden Forderungen der Geldvermögen ermöglicht werden durchentsprechend wachsende Verschuldung, für die immer wieder Kredite bereitgestellt und Schuldner immer tiefer in die Schuldenfalle gelockt oder getriebenwerden, so dass eine wachsende Zahl von ihnen zusammen brechen muss. DieseTendenz ist im bestehenden Zinssystem in Kombination mit der Geldschöpfung desBankensystems angelegt. Und für den Fall, dass die Forderungen ausfallen unddie faul gewordenen Kredite die Bilanzen der Banken in die roten Zahlen geratenlassen, gibt es mittlerweile staatliche Rettungsschirme, für die dieZentralbanken das nötige Geld aus dem Nichts schöpft und den Staaten alswachsende Staatsschuld „bereit stellt“ – bis hin zum Staatsbankrott oder zurHyperinflation (um nur zwei mögliche Verlaufsformen zu nennen).
Es kommt noch eine weitere Problematik derGiralgeldschöpfung hinzu: Das Geldsystem insgesamt steht unter diesenBedingungen auf einem äußerst unsicheren Fundament. Wird aus irgend welchenGründen der schmale Bargeld-Sockel der Geschäftsbanken vermindert, so müssendie darauf aufgebauten Kredite in Form von Sichtguthaben um ein Vielfacheszurück gefahren werden (beim Verhältnis 1 : 10 um das Zehnfache des Bargeldabflusses).Dadurch entsteht die in letzter Zeit viel beklagte, aber wenig verstandeneKreditklemme im Bankensystem. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich,warum sowohl die Banken als auch die Regierung panische Angst vor einem Ansturmder Bankkunden auf die Banken haben. Wenn nämlich alle Inhaber von Girokonteneiner Bank ihre Guthaben gleichzeitig in bar abheben wollen, würde sich aufdramatische Weise heraus stellen, dass ihr Geld gar nicht bei der Bank ist –oder jedenfalls nur ein Bruchteil davon. Die betreffende Bank müsste ihrenLaden dicht machen, und die Gefahr besteht, dass dann auch andere Banken vonden Kunden gestürmt werden – mit dem gleichen Ergebnis. Wenn es erst einmal soweit kommt, nützen auch keine Einlagensicherungsfonds oder staatliche Garantien– ähnlich, wie eine Feuerwehr einzelne Brände wirksam bekämpfen kann, abereinem Flächenbrand hilflos gegenüber steht. Auf derart fragwürdigem Fundamentist das bestehende Geldsystem aufgebaut – und das weltweit. Und lange Zeit wolltekaum jemand etwas von diesem unerhörten Gefahrenpotenzial wissen (auf das ichschon in meinem Buch „Der Nebel um das Geld“ 1996 hingewiesen habe).
Die Theorie der multiplen Kreditschöpfung – Verschleierungstatt Aufklarung
Warum trägt die VWL-Lehrbuchtheorie der multiplenKreditschöpfung nicht zum wirklichen Verständnis der Giralgeldschöpfung undihrer Problematik bei? Diese Theorie hat Modelle entwickelt, in denen dieGeldschöpfung aus dem Nichts verborgen bleibt, und täuscht mit ihrer exaktenmathematischen Formulierung über ihre groben inhaltlichen Mängel hinweg. IhreArgumentation soll wieder an einem Beispiel erläutert werden. Am Anfang derÜberlegungen steht eine Bareinzahlung auf ein Girokonto von 100 Euro. Wegen dererforderlichen Mindestreserve für eventuelle Barabhebungen (und vielleicht auchzur Erfüllung gesetzlicher Mindestreserve-Verpflichtungen) – zum Beispiel inHöhe von 1/3 – würde 2/3 des Bargeldes als Kredit an einen Dritten ausgeliehen.Dieser würde mit dem Kredit Nachfrage entfalten und bei einem Vierten kaufen,und dieser Vierte wiederum würde die Erlöse auf sein Girokonto bei einer Bankin bar einzahlen.
Also kämen in diesem einfachen Beispiel in der nächstenRunde 66,66 Euro neue Bareinzahlung zur Bank, von denen wiederum (abzüglich derMindestreserve von 1/3) die übrigen 2/3 (also 44,44 Euro) als neue Krediteausgeliehen werden – und so weiter. Wegen der jedes Mal einbehaltenenMindestreserve ebben die zusätzlich vergebenen Kredite immer weiter ab, aberaufsummiert über unendlich lange Zeit (mit der mathematischen Formel fürunendliche Reihen) ergibt sich schließlich ein Kreditvolumen in Höhe desDreifachen der anfänglichen Bareinzahlung. (Allgemein ist das Ergebnis immerder Kehrwert des Mindestreservesatzes (bei 1/10 sind es also 10, bei 1/20 sindes 20 usw.). Diese so errechnete Zahl wird „Kreditschöpfungs-Multiplikator“genannt und der Vorgang selbst „multiple Kreditschöpfung“.
Dieser Vorgang grenzt fast an Zauberei, und vor lauterBewunderung kommt kaum jemand mal auf die Frage, wie das Ergebnis eigentlichzustande gekommen und was von den Grundannahmen zu halten ist. DieAufsummierung ökonomischer Größen – die immer zeitbezogen sind – über unendlichlange Zeit macht keinen Sinn. Auf eine sinnlose Frage kann es entsprechend auchkeine sinnvolle Antwort geben. So einfach ist das – und doch so schwer zudurchschauen. Was würde sich denn an Umsätzen aus einem Euro ergeben, wennder Euro über unendlich lange Zeit durchunendlich viele Hände gehen würde? Umsätze in Höhe von unendlich! Na und? Dawird der Unsinn der Fragestellung offensichtlich. In der mathematischverklausulierten Theorie der multiplen Kreditschöpfung bleibt er hingegenverborgen.
Das Irreführende an dieser Theorie liegt darin, dass derfalsche Eindruck erweckt wird, die jeweils neu vergebenen Kredite würden jedesMal auf voran gegangenen Bareinzahlungen beruhen. Genau das ist aber bei derGiralgeldschöpfung nicht der Fall, denn sie wird – wie oben dargestellt – ohnejeweils neue Bareinzahlungen aus dem Nichts geschöpft. Aus einer falschenTheorie über die Giralgeldschöpfung folgt allerdings nicht, dass es dieGiralgeldschöpfung nicht gibt – ebenso wenig, wie aus einer falschen Theorieüber die Bewegungen der Himmelskörper gefolgert werden kann, dass es dieHimmelskörper und ihre Bewegungen nicht gibt. Vielmehr gilt es nach Erklärungenzu suchen, die die Phänomene zutreffender beschreiben. In der Astronomie wardas die Wende vom Weltbild des Ptolomäus zu dem des Kopernikus – diekopernikanische Wende.
Warum liegt aber die Realität der Giralgeldschöpfung nicht offen zu Tage, warum ist sie nicht direkt aus den Bankbilanzen und den daraus abgeleiteten Statistiken unmittelbar erkennbar? Weil die aus dem Nichts geschöpften Sichtguthaben irreführender Weise mit dem gleichen Begriff bezeichnet werden wie das anfänglich auf Bareinzahlung begründete Sichtguthaben, nämlich mit dem Begriff „Sichteinlagen“ – obwohl das von der Bank zusätzlich geschaffene 2. und 3. Sichtguthaben von jeweils 100 Euro nicht auf weiteren Bareinzahlungen oder Bareinlagen beruhen, sondern lediglich aus einem Buchungsvorgang entstanden sind. (Diese Täuschung – ob bewusst oder unbewusst – ist ganz ähnlich wie seinerzeit die Täuschung bei der Schöpfung zusätzlicher Banknoten aus dem Nichts, die äußerlich genau so aussahen wie die anfängliche Banknote, die durch Einzahlung von Gold entstanden und zunächst zu 100 % durch Gold gedeckt war.) Wer in den Bankbilanzen und Statistiken danach sucht, ob das Volumen der Kreditausleihungen die „Einlagen“ übersteigt, wird nicht fündig werden. Und also scheint es für ihn keine Kreditschöpfung aus dem Nichts zu geben. Dass sich aber unter dem Begriff „Sichteinlagen“ auch solche Guthaben verbergen, die gar nicht auf Einlagen beruhen, sondern aus dem Nichts geschaffen wurden, bleibt dadurch verschleiert – und damit die ganze Ungeheuerlichkeit, die mit dem Bankgeheimnis Geldschöpfung und dem dahinter Verborgenen verbunden ist.
Diese Begriffsverwirrung bezüglich des Geldsystems und der falsche äußere Schein können kaum Zufall sein. Es sieht eher nach bewusster Täuschung aus, die irgendwann einmal auf den Weg gebracht wurde. Später hat man sich einfach an die Begriffe und Praktiken der Bankgeschäfte gewöhnt und sie überhaupt nicht mehr hinterfragt. Zu vieles in der Geldgeschichte deutet darauf hin, dass es von bestimmten Seiten eher ein Interesse an der Verschleierung wesentlicher Zusammenhänge gegeben hat als an deren Aufklarung. Es ist auch bemerkenswert, dass diejenigen Sichtweisen, die den Nebel um das Geld gelichtet und das Bankgeheimnis gelüftet haben, in der Wirtschaftswissenschaft, der Politik und den Medien schlicht und einfach immer wieder tot geschwiegen wurden.