Die Börse istim Moment in dem Spannungsfeld zwischen Visionen, Hoffnungen, Fata Morganas(=Wunschvorstellungen), Halluzinationen (erdachten Realitäten) und „harten“ Realitäten (=Fakten).
Ich binsehr für visionäres Management auch für Politkern mit glaubhaften Visionen undObama ist hier sicherlich der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigenPlatz. Nur könnte sich Visionen als Fata Morgana (= unerfüllbareWunschvorstellung) herausstellen und Hoffnungen könnten zu Halluzinationen oderSeifenblasen werden. Obama will die Finanzaufsicht in den USA revolutionierenund damit eine „heilige Kuh“ schlachten.
Ob sein Programm durch den US-Kongresskommt, ist noch fraglich. Letztendlich entscheiden an der Börse nach einergewissen Zeitverzögerung immer die „harten Wirtschafts-Realitäten“. An der Börsewerden aber zu 80% nur Zukunftserwartungen über wirtschaftliche Prozessegehandelt und dies war auch einer der Gründe, warum die Börse sich in denletzten 3 Monaten trotz schlechter Konjunkturdaten wieder nach oben bewegen konnte.
EinigeStimmungsindikatoren wie der ZEW-Indikator, aber auch andere Frühindikatoren sowieder Baltic Dry–Index für Frachtraten drehten nach oben; zudem steigen einigeRohstoffpreise wie Kupfer, Nickel und Öl stark an. Dies machte Hoffnung, dasswir im 2. Halbjahr eine (nachhaltige?) Konjunkturerholung bekommen werden. Ichhabe absichtlich bei „nachhaltig“ ein Fragezeichen gemacht, denn auf dieNachhaltigkeit wird es in 2009/10 ankommen. Ein bloßes Strohfeuer kann sichkein Land aufgrund de Mega-Verschuldung mehr leisten.
Wird die Konjunkturerholung„nachhaltig“ sein oder ist sie nur das Ergebnis von einigen Bestandteilen von staatlichenKonjunkturprogrammen wie die Abwrackprämie, die übrigens jetzt in etwas modifizierterForm auch in den USA eingeführt wird. Falls die Konjunkturerholung nichtnachhaltig sein sollte, wird das dem Steuerzahler mittelfristig viel Geldkosten.
In Osteuropa verbessertensich im Mai einige Konjunkturindikatoren wie Kapazitätsauslastung undIndustrieproduktion, die ebenso wie in den USA in den Monate Januar bis Aprilim zweistelligen Prozentbereich einbrachen und auf eine tiefe Rezessionhindeutete. Wir werden sehen, was die Sommermonate ergeben, aber hier glaubeich mehr an fortgesetzten Erholungstendenzen auf niedrigem Niveau, was die Börsewohlwollend mit steigenden Kursen honorieren könnte. Auch die Währungen haben sichmerklich stabilisiert, obwohl die BRIC-Länder die Abwendung vom Dollarforcieren und eine eigene BRIC-interne Handelswährung schaffe wollen.
Deswegenfindet jetzt auch ein Treffen inEkaterinburg (Russland) statt. Es wird demnächst wohl einige Vorschläge zuWährungsreformen geben, um nicht von Dollarschwankungsrisiko so abhängig zusein. Vor allem kommt der chinesische Yuan als neuer Weltreservenwährung immer mehr in die Diskussion. ImMoment ist der Yuan als Handelswährung noch nicht akzeptiert. Diese Diskussionengehören also in die Rubik Visionen, aber keinesfalls langfristig in die Rubrik Fata Morgana.
Eine weitereharte Realität sind die leere Staatskassen und die zunehmende Verschuldung inden USA. Sie beträgt jetzt schon 375% des BIP unter Einbeziehung von Pensionszusagenund Verpflichtungen der Gesundheitswesen, die oft fälschlicherweise aus der staatlichenVerschuldungsquote herausgerechnet werden. Wenn man in den USA Gebietskörperschaftenund Gemeinden einbezieht, ist die Staatsverschuldung schon 100% des BIP unddamit fast auf dem Niveau von Italien oder Belgien. In Deutschland nähern wiruns der 70%-Marke bei der Staatsverschuldungsquote, was auch viel zu hoch ist, Ineiner vernünftigen Bilanz müssen aber auch zukünftige Verpflichtungenbilanziert werden.
Die Verschuldung der USA beträgt jetzt schon 53 BillionenUSD, die über den Anleihenmarkt finanziert werden. Das Volumen desUS-Anleihenmarktes beträgt auch schon über 50 Billionen USD und weltweit über100 Billionen USD. Gekauft haben dies in erster Linie Pensionskassen, Versicherrungensowie Notenbanken. Nun kommt aber eine neue Lawine von Staatsanleihen auf denMarkt. Wenn diese nicht von Anleihenkäufern absorbiert werden steigen die Zinsen.Dies würde dann wieder dramatisch die Zahllast des Staates erhöhen.
Die Zinslastmacht jetzt schob über 25% des Staatshaushalt bei einigen Ländern aus. Wenn nun die Zinsen steigensollten, könnten die Staaten schnell an der Rand der Pleite kommen. Vor allemist dann wenig Geld für soziale zwecke, Gesundheit und Bildung vorhanden (am Militäretatwird eigenartigerweise auch in den USA nicht gekürzt – die Rüstungslobby lasstweltweit grüßen!) Auch diese latenten Gefahren müssen gesehen werden.
Im Augemüssen wir auch weiterhin einigegefährdete Länder wie Litauen, Lettland, Ukraine und Türkei behalten, wo wohl wiedereinmal der IWF aushelfen muss. Dies ist wiederum notwendig, um einen Dominoeffektzu vermeiden. Der USA kann aber nur die FED bzw. die Geldruckmaschinen imMoment helfen. Die USA kritisieren Europa, dass die Konjunkturprogramme zuzögerlich seien; Europa mahnt umgekehrt die USA (FED) an, die Ausgabenwuteinzuschränken. Und jeder hat aus seiner Sicht der Dinge recht.
Ich kann esnur immer wieder betonen: die Kardinalfrage für das kapitalistische System wirdsein, ob die Pferde in 2010/11 saufen werden, sprich ob die Konjunktur wiederanspringt. Die Ausweitung der Verschuldung ist eine Versündigung an die Nachfolgegeneration,denn irgendeiner muss zum Schluss die Zeche bezahlen. Letztendlich müssen Sieals Steuerzahler die Zeche bezahlen und Ihre Kinder und Enkelkinder noch mehr.
Wiewird es also weiter gehen mit der Börseals Spiegel von Visionen, Hoffnungen, (Wunsch) Fata Morgana und harten Realitäten.Letztendlich entscheiden an de Börse immer die harten wirtschaftlichen Realitäten,wenn auch oft nur mit einer gewissen Zeitverzögerung, da die Börse zunächst anVisionen und Fata Morganas glaubt. Nächste Woche könnte die FED schon einwichtiges Signal mit Langfristwirkung geben, nämlich, das die Zinsen im 4. Quartalwieder ansteigen könnten. Die US-Staatsanleihen haben sich schon 2 auf über 4%mehr als verdoppelt.
Die Börsenwaren am Freitag sehr stabil, was auch das Auslaufen von Optionsterminen nichtverhindern konnte. Der DAX schloss am Freitag auf Vortagsniveau bei 4839 Indexpunktenund der S&P auch nur leicht über Vortagsniveau bei 921 Index-Punkten. DerRTS-Index stieg wieder über die magische 1000-Marke auf 1011 Indexpunkten(+1,37%).
Damit konnten sich die Kurse nach der von mir erwarteten Korrekturwieder stabilisieren. Bisher handelt es sich um ganze normale Korrektur nacheiner fulminanten Frühjahrsrallye. Gefährlich und damit sehr bearish wird eserst, wenn der S&P unter 880 Indexpunkte bzw. der DAX unter 4600 (bzw. beieinem ersten Warnsignal unter 4800 Indexpunkte schließen sollte. Bei einemS&P von unter 880 sollten Sie auch an den Ostbörsen mehr in Liquiditätgehen.
Russlandanlegersollten den RTS weiter im Auge haben. Über 1000 ist die die Welt wieder in Ordnung;bei unter 950 wird es sehr bearish und Siesollten dann mehr in Liquidität gehen. Dabei sollten Russlandanleger auch denÖlpreis beachten, der zuletzt zur Outperformance führte. Welche Aktien voneinem hohen Ölpreis profitieren, können Sie im EAST STOCK TRENDS (www.eaststock.de nachlesen.
Ein Ölpreis vonüber 70 USD/Barrel (am Freitag bei 71 USD/Barrel) hilft Russland sehr, aus derKrise schneller herauszukommen. Hier sind übrigens die Demonstrationen im Irannicht unbeutend, den Iran ist bedeutsamer Player im Öl- und vor allem Gasmarkt.Nimmt man Saudi-Arabien, Irak, Kuwait und Iran zusammen, dann sind das gut die Hälfteder weltweiten Öl/Gasproduktion und mehr als die Hälfte der Öl/Gasreserven.Letzte Woche wurden einige Pipelines in Nigeria in Brand gesetzt. Wie man siehtist der Kampf um das schwarze Gold voll entbrannt.
Die USA haben übrigens trotzMega-Verschuldung auch unter Obama den Verteidigungsetat erhöht, um auch beidem Kampf um das schwarze Gold weiter mitspielen zu können. Im Irak ist allesim Sinne der USA aufgeteilt, soll nun der IRAN mittelbar durch Revolutionenattackiert werden? Gold schloss am Freitag bei 933 USD/Unze fast unverändertzur Vorwoche und auch fast unverändert wie vor 1 Jahr, also seitwärts, da sichder Dollar auch bei 1,39 EUR(USD fastunverändert zur Vorwoche einpendelte. Bei einem Wiedererstaken des Dollars (imFalle von steigenden US-Zinsen bzw. Zinsandeutungen der FED) dürfte Gold undandere Rohstoffe wieder ein wenig fallen und damit den Bullenmarkt seit Märzverlassen.
Die Börsenwerden am Mittwoch aber nicht auf die Iran-Demonstration (und deren Hintergründe)schauen, sondern was die FED am Mittwoch machen wird. Die Richtung für dieBörse könnte in der nächsten Woche maßgeblich Ben Bernanke mit seinem Äußerungenzu den Zinsaussichten geben. Ich glaube nicht, dass der US-Zinssatz verändertwird. Wenn Ben Bernanke Anzeichen einer konjunkturellen Verbesserung inAussicht stellt ohne die Zinsen anzuheben, werde die Börsen wieder steigen (undumgekehrt).
Ich glaube eher an einen positiven Impuls am Mittwoch für die WallStreet und daher an leicht steigende Kurse innerhalb einer intakten„Bärmarktrallye“. Die Weltbörsen stehen also in den nächsten Woche im Bann der FED, aber vielleicht war es auchdas, was Obama in der letzten Woche bewirken wollte, nämlich wieder mehr Vertrauenfür das Finanzsystem zu schaffen, um die Krise zu meistern. Die harten Realitätenwerden zeigen, ob das Visionen oder eine Fata Morgana, also Halluzination, wird.
Welche Aktienaus Osteuropa jetzt im Trading-Bereich ge- oder verkauft werden sollten, könnenSie auf der täglich aktualisierten Ostbörsen-Hotline 09001-8614001 (1,86 €/Min)entnehmen.
TV-Hinweis:Der Autor wird am Dienstag, den 23. Juni 2009 um 13.15 Uhr in NTV/Telebörseüber die Aussichten an der Warschauer Börse und die neuen Chancen in Polenbefragt werden. Die Warschauer Börse ist der zweigrößte Finanzplatz inOsteuropa und verdient mehr Beachtung. Sie können sich das TV-Interview unter www.teleboerse.de/geldanalgchecknach der Sendung herunterladen.
Einewesentlich ausführlichere Analyse vom aktuellen Marktgeschehen und zu den Vorschlägen von Obama zurRevolutionierung der globalen Finanzmärkte können Sie jetzt runterladen, wennSie den kostenlosen Newslettter von Andreas Männicke unter www.andreas-maennicke.de bestellen.