Scharfe Kritik haben Wirtschaftswissenschaftler am Wahlprogramm der Linkspartei geäußert. Ein Mindestlohn von 10 Euro gefährde mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Wolfgang Franz, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ / Montagsausgabe). „Dann können wir die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geringqualifizierter Arbeitnehmer vergessen." Angesichts der wachsenden Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt in der Krise passe die Forderung „wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge". Auch der gewerkschaftsnahe Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel, der prinzipiell einen Mindestlohn befürwortet, äußerte Zweifel: „Ich glaube, 10 Euro sind nicht zu finanzieren", sagte Hickel. Einige Branchen hätten Schwierigkeiten mit einer so hohen Lohnuntergrenze.
Auch die Forderung nach einer rentenpolitischen „Rolle rückwärts" ist unter Ökonomen auf scharfe Kritik gestoßen. Die Linkspartei will zurück zur alten Rentenformel und möchte die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre aufhalten. Der Ökonom und Rentenexperte Axel Börsch-Supan von der Universität Mannheim kritisierte: „Das ist eine verantwortungslose Vogel-Strauß-Politik, die den Kopf vor dem demographischen Wandel in den Sand steckt." Ohne die Reformen bei der Rente würde der Beitragssatz zur Rentenversicherung bis 2030 um mehr als 4 Prozentpunkte steigen müssen. Der Vorschlag der Linken verkenne, dass die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland bis 2030 wegen der geringen Geburtenzahl und der Alterung um etwa 5 Millionen abnehmen und dass zugleich die Zahl der Rentner um etwa 5 Millionen zunehmen werde. Da die durchschnittliche Lebenserwartung bis 2030 um etwa drei Jahre steigen werde, sei ein höheres Renteneintrittsalter gerechtfertigt.
In der Steuerpolitik fordert die Linkspartei eine schärfere Umverteilung von Einkommen durch einen höheren Spitzensteuersatz und eine Millionärssteuer sowie eine Börsenumsatzsteuer. Der Ökonom Hickel, der grundsätzlich für eine Entlastung unterer Einkommen und eine Belastung höherer Einkommen eintritt, sieht im Linken-Programm zwar einen „wichtigen Beitrag zur Debatte". Dennoch nennt er es „populistisch, weil eine seriöse Gegenfinanzierung fehlt". Eine spezielle Strafsteuer für Millionäre lehnt er ab; diese sollten im regulären System stärker belastet werden. Zudem müsse Steuerhinterziehung schärfer bekämpft werden, fordert Hickel. Allerdings sieht er bei steigenden Steuersätzen auch die Gefahr von negativen Leistungsanreizen. „Dann könnte es sein, dass das Steueraufkommen trotz höherer Steuern sinkt." Hickel, der den Parteichef der Linken, Oskar Lafontaine, gelegentlich berät, sieht im Programm der Linken das „Prinzip Hoffnung" des Philosophen Ernst Bloch walten: „Es ist insgesamt nicht realistisch."