Man muss sich natürlich fragen, warum sollte die Fed dieZinsen in einer derart fragilen wirtschaftlichen Situation anheben? Daserscheint auf den ersten Blick unsinnig.
Ich möchte heute noch mal an denGedanken von gestern bezüglich Zinserhöhungen seitens der Fedanknüpfen. Man muss sich natürlich fragen, warum sollte die Fed dieZinsen in einer derart fragilen wirtschaftlichen Situation anheben?
Daserscheint auf den ersten Blick unsinnig. Wie ich gestern geschriebenhabe, befinden wir uns noch in einem deflationären Umfeld, undDeflation bekämpft man, wie es auch Ben Bernanke in seiner Zeit alsProfessor gerne dargestellt hat, am sinnvollsten mit niedrigen Zinsen,beziehungsweise der Ausweitung der Geldmenge. Um auf diese Frageeinzugehen, muss man daher zuvor einige Faktoren in die Überlegungeneinbeziehen.
Wie steigen die Preise?
Es gibt zwei wesentliche Faktoren,die sich innerhalb einer Wirtschaft treibend auf die Preise auswirkenkönnen. Zum einen, wenn sich die Geldmenge ausweitet. In diesem Fallsteht quasi mehr Geld der gleichen Anzahl von Produkten gegenüber. Dasbedeutet, dass das Geld im Vergleich zu den Produkten „entwertet“ wird.Die Preise werden steigen, sprich, es entsteht Inflation.
Eine weitere Möglichkeit bestehtdarin, dass sich die Umlaufgeschwindigkeit ändert. Dazu folgendesBeispiel: Gehen wir davon aus, dass immer mehr Menschen mit einerpositiven Entwicklung der Wirtschaft und mit steigenden Löhnen rechnen.Sie hören auf, zu sparen und geben immer mehr Geld aus. Dieses Geldführt dazu, dass eine höhere Nachfrage entsteht, weswegen dieUnternehmen mehr produzieren. Diese Unternehmen machen mehr Gewinn undkönnen mehr Arbeitnehmer anstellen, die wiederum mehr Geld ausgebenkönnen. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes steigt an. Immer öfterwird die der Wirtschaft zur Verfügung stehenden Geldmenge pro Jahrumgeschlagen. Hier ist es die höhere Nachfrage nach Produkten, die zu der Preissteigerung führt.
Den umgekehrten Fall kann man sichetwas einfacher vorstellen: Wenn auf einmal alle anfangen würden, zusparen, würde die Geldumlaufgeschwindigkeit sinken. Die Unternehmenihre Produkte nicht mehr verkaufen können und müssten die Preisesenken. Es entstünde Deflation.
Also beeinflusst auch die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes die Preisentwicklung.
Das bedeutet:Wenn die Geldmenge ansteigt, kann Inflation entstehen, und wenn dieUmlaufgeschwindigkeit zunimmt, kann ebenfalls Inflation entstehen.
Aktuelle Situation in den USA
Wenden wir uns nun der aktuellenwirtschaftlichen Situation in den USA zu. Die Menschen halten Geldzurück, weil sie eine Wirtschaftskrise befürchten. Wir erkennen das ander stark steigenden Sparquote in den USA. Damit verlangsamt sich dieGeldumlaufgeschwindigkeit. Das Geld, das auf den Konten geparkt odermit dem ein Kredit zurückbezahlt wird, bremst sozusagen den bisherigenschnelleren Geldfluss. Dieses Geld kommt nicht mehr bei den Unternehmenan, so dass diese ihre Produkte nicht mehr so gut veräußern können unddie Preise senken. Es entsteht Deflation.
Da die Gewinne sinken, werden Menschenentlassen. Diese können ebenfalls nicht mehr so viel Geld in den Konsuminvestieren, so dass die Entwicklung beschleunigt wird. Auf der anderenSeite beobachten diejenigen, die noch Arbeit haben die Entwicklung aufdem Arbeitsmarkt und werden noch mehr sparen, um sich gegen einenmöglichen Arbeitsplatzverlust abzusichern.
Zurzeit sinkt also die Geldumlaufgeschwindigkeit.
Die versickerte Geldmenge
Andererseits versickert im Momentnoch die Geldmengenausweitung der Fed bei den Banken, die allesversuchen, um ihre Eigenkapitalquoten zu erhöhen und ihreKreditausfallsrisiken abzusichern. Das bedeutet: DieGeldmengenausweitung kommt zumindest noch nicht wirklich in derUS-Wirtschaft an.
Da gleichzeitig dieUmlaufgeschwindigkeit in den USA rapide abnimmt, auch weil dieArbeitslosigkeit explosionsartig zunimmt, werden große Teile derGeldmengenausweitung auch durch diese Faktoren überkompensiert.
Das ist der Grund, warum es trotzmassiver Ausweitung der Geldmenge im Moment noch zu einer deflationärenEntwicklung kommt. Der eine Teil des Geldes versickert in den riesigenLöchern, die durch die Finanzkrise bei den Finanzinstituten entstandensind, der andere wird durch die Rezession absorbiert.
Was passiert, wenn?
Nehmen wir nun an, die enormeAusweitung der Geldmenge wird irgendwann die Löcher im Finanzsystemgestopft haben. Dann wird diese Geldmengenausweitung sofort ungebremstan die Wirtschaft weitergegeben. Das würde zu einer schnellenwirtschaftlichen Expansion führen, die gleichzeitig auch dieGeldumlaufgeschwindigkeit rapide erhöhen würde. Es käme zu dem, was soviele Analysten befürchten: einer stark steigenden Inflation.
Kann die Fed Inflation zulassen?
Nun sollten Sie nicht denken, die Fedwürde diese Zusammenhänge nicht kennen. Gerade Ben Bernanke hat in denJahren als Professor häufig über diese Themen referiert. Die Frage istalso, will oder besser „kann“ die Fed Inflation zulassen.
Viele Anleger behaupten, die USAwerde versuchen, über Inflation das Problem mit der Staatsverschuldungzu lösen. Die Schulden würden einfach „weginflationiert“. Um es krassauszudrücken: Wenn eine Billionen Dollar nach ein oder zwei Jahren nurnoch die Kaufkraft von einer Milliarde Dollar hätte, wären die Schuldenschnell bezahlt. So die Theorie.
Die ganze Sache hat einen großen Haken. Die amerikanische Regierung istin einem erheblichen Maße von ausländischen Krediten abhängig, um ebendiese Staatsverschuldung zu finanzieren. Diese zunehmende Verschuldungtreibt bereits jetzt die langfristigen Zinsen in den USA merklich an.(vereinfacht gesagt: da derzeit eine Schwemme von Staatsanleihen aufden Markt kommt, muss den Käufern ein hoher Zins geboten werden, damitsie die Papiere abnehmen).
Wenn die Fed also eine starkeInflation des Dollars zulassen würde, würde es immer schwerer werden,neue Gläubiger zu finden. Für die Gläubiger wäre die Gefahr, dass dieInflation die erhofften Zinsgewinne auffrisst, einfach zu groß. Dochohne dieses ausländische Geld sind die USA faktisch pleite.
Für Anleger ist also der Realzinsentscheidend (gezahlte Zinsen minus Inflationsrate). Dieser Realzinsbestimmt auch den Kurs einer Währung. Erwarten nun – insbesondereausländische – Anleger eine starke Geldentwertung in den USA und damiteinen niedrigen Realzins, wird auch der Dollarkurs unter Druck kommen.
Ein niedriger Dollarkurs wäre aberwiederum Gift für die US-Wirtschaft. In Dollar gezahlte Produkte wieRohöl und andere Rohstoffe würden im Preis steigen und damit die Kostenfür Unternehmen und Verbraucher zur Unzeiterhöhen, nämlich in derRezession.
Die Fed kann also nicht nur die Inflationselbst, sondern schon die Erwartung einer solchen nicht zulassen. Ingewissen Grenzen wird sie also auch versuchen, den Dollar zu stützen.Eine mögliche Maßnahme dazu wäre, den Märkten die Bereitschaft zusignalisieren, im Falle einer wirtschaftlichen Erholung sofort dieZinsen zu straffen.
Zurück zu unserer Betrachtung:
Wenn sich also auch nur die erstenAnzeichen verdichten, dass die US-Wirtschaft nachhaltig anspringt, wirddie Fed daraufhin sofort reagieren MÜSSEN, indem sie die Zinsen anhebtund die Geldmengenausweitung vorsichtig zurückführt.
Es kann also sein, dass wir vielschneller mit Zinserhöhungen in den USA konfrontiert werden, als vieledenken. Nur wenn sich die Rezession und damit auch die Deflation in denUSA vertiefen, wird die Fed Zinserhöhungen weiter hinauszögern.
Die Folgen für die Märkte
Ohne diese enorme Ausweitung derGeldmenge müssten sich aber die Kurse in den US-Indizes derwirtschaftlichen Realität stellen. Es würde dann nicht zu einemgeldmengengetriebenen Anstieg des Aktienpreises kommen. Die Luft nachoben wäre für die Märkte demnach begrenzt.
Bereits vorweg genommen?
Es kann nun sein, dass die Märktediese Überlegungen bereits vorweg nehmen. Denn irgendetwas stimmtmeiner Meinung nach seit Anfang letzter Woche mit diesem Markt nicht.Und wenn Sie mich lange genug lesen, wissen Sie, dass ich mit solchenAussagen sehr, sehr vorsichtig bin.
Vielleicht ist auch durchgesickert, dass die Fed sich nicht mehr nurtheoretisch Gedanken darüber macht, wann sie wieder mit einerZinserhöhungsphase beginnt, sondern schon konkretere Pläne erarbeitethat. Vielleicht werden wir bei dem Statement morgen erste Hinweise aufhöhere Zinsen erhalten. Das würde die aktuelle Reaktion des Markteserklären.
Genauso kann es sein, dass nach demErgebnis der Fed-Sitzung der Spuk vorbei ist. Das wäre der Fall, wennes keine solchen Hinweise gibt.
Insgesamt, und das gilt für dienächsten Monate, müssen wir uns – egal was morgen passiert – so langsamdamit anfreunden, dass der Markt sich nun mehr und mehr Sorgen umZinserhöhungen machen wird. Das bedeutet, es kann gut sein, dass wirnoch häufiger Kursschwäche im Vorfeld von Zinssitzungen erleben.