Die Idee ist verlockend. Eine Erhöhung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze erlaubt es der Union, ihren Wählern einen um 1 Punkt reduzierten Regelsatz von 18% zu versprechen. Zugleich könnten aus der Operation Mittel abgezweigt werden, um den krisengeschüttelten Bundeshaushalt wieder in Richtung Konsolidierung zu bewegen.
Das Rechenexempel dazu ist einfach: Die ermäßigte Mehrwertsteuer dürfte den Staat heute rund 20 Mrd. Euro jährlich an Steuermindereinnahmen kosten, 1 Mehrwertsteuerpunkt führt dagegen nur zu Einbußen von knapp 7 Mrd. Euro. Würden die ermäßigten Sätze von derzeit 7% auf den Regelsatz angehoben und dieser um 1 Punkt gesenkt, dann bliebe unter dem Strich noch ein deutliches Plus für den Fiskus.
Auch aus ökonomischer Sicht sind die Überlegungen, die ermäßigten Sätze anzupassen, nicht von der Hand zu weisen. Die Beweggründe des Gesetzgebers bei Einführung der ermäßigten Sätze in das Mehrwertsteuersystem von 1968 reichten von sozialen Motiven über die Förderung von Kultur und Bildung bis hin zur Stärkung der Land- und Forstwirtschaft. Tatsächlich ist die Liste der Güter, die dem ermäßigten Satz unterliegen, widersprüchlich. Dies führt zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen einzelnen Branchen.
So ist Milch steuerbegünstigt, Mineralwasser ist es nicht. Zuchtpferde profitieren vom ermäßigten Satz, Wildpferde dagegen nicht. Babywindeln werden voll besteuert, Tierfutter dagegen nicht. Auch für die Rubrik Kuriosa fällt etwas ab: Genießbare getrocknete Schweineohren unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Getrocknete Schweineohren, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind, sind voll zu versteuern.
Die Überlegungen aus der finanzpolitischen Strategieabteilung der Union sind ohne Zukunft. Von der Mogelpackung einer scheinbaren Steuersenkung, die per saldo auf eine Steuererhöhung hinausläuft, sollte die Union besser die Finger lassen. Die hat sie sich bereits verbrannt, als sie zusammen mit der SPD am Anfang der Legislaturperiode bei der Mehrwertsteuer kräftiger zulangte als vor der Wahl angekündigt. Die Wähler haben das nicht vergessen. Die neue Schuldenbremse zwingt den Staat in der Tat zu einem ausgeglichenen Budget. Allein Steuererhöhungen führen aber nicht zum Ziel - auch geringere Ausgaben führen dorthin. [Börsen-Zeitung]