Führende Ökonomen in Deutschland halten die Kritik von Koalitionspolitikern an der schleppenden Kreditvergabe deutscher Banken für ein wahltaktisches Ablenkungsmanöver. Zugleich lehnen der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, und der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, am Montag im Gespräch mit Handelsblatt.com Zwangsmaßnahmen für den Fall einer Kreditklemme ab: "Die Androhung von Zwangsmaßnahmen ist eine scheinheilige Diskussion, die nur Akzente im Wahlkampf setzen will und von eigenen Fehlern der Politik ablenken soll“, sagte Zimmermann. Eine Kreditklemme werde nicht dadurch realer, dass die Politik behaupte, dass es sie gebe.
Die Banken seien in der Rezession und aufgrund höherer Eigenkapitalanforderungen vielmehr „zu Recht risikoscheuer“ geworden, betonte Zimmermann. „Wir können von ihnen jetzt nicht all das verlangen, was die Finanzkrise ausgelöst hat. Wer würde denn dafür die Verantwortung tragen wollen?“ Gleichwohl hält es der DIW-Chef für möglich, dass die toxischen Assets im Portfolio vieler Banken im Aufschwung die Kreditvergabe behindern könnten.
Er bedauerte, dass das Bad-Bank-Modell der Bundesregierung hierfür keine Lösung darstelle. „Wäre man dem Modell des DIW Berlin gefolgt, dann würde der Staat Betreiber der Bad Banks und Miteigentümer von Good Banks geworden“, sagte Zimmermann. Denn als Miteigentümer regulärer Banken bräuchte der Staat nicht drohen, er könne einfach die Geschäftspolitik mitbestimmen. „Insofern sind die jetzigen öffentlichen Drohungen das Eingeständnis des Scheiterns", resümierte er.
IMK-Direktor Horn schlug mehrere Maßnahmen gegen eine Kreditklemme vor. „Der Teufelskreis kann derzeit nur durch die Kombination einer expansiven Fiskalpolitik, die die konjunkturellen Risiken vermindert, und eine unkonventionell expansiven Geldpolitik, die durch den direkten Aufkauf von Unternehmensanleihen die Kreditversorgung mit übernimmt, durchbrochen werden“, sagte Horn im Gespräch mit Handelsblatt.com. „Gleichzeitig sollten die Geschäftsbanken durch die Errichtung von Bad Banks von toxischen Anleihen entlastet und durch die gleichzeitige Eigentumsbeteiligung des Staates rekapitalisiert werden.“
Die derzeitige Aufregung um die Kreditvergabe hält Horn für verständlich. Der Befund könne aber eigentlich nicht überraschen, betonte er. „Denn in einer Konjunkturkrise des gegenwärtigen Ausmaßes sind Banken wegen ihrer Risiko-Aversion immer sehr restriktiv mit der Kreditvergabe“, sagte der Ökonom. Auch in der vergangenen Konjunkturkrise hätten die privaten Geschäftsbanken die Ausgabe von Neukrediten zurückgefahren. Dies alles werde derzeit noch durch die Bankenkrise „erheblich“ verschärft.