Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus F. Zimmermann, hat die Drohungen aus der Bundesregierung gegen Banken heftig kritisiert.
"Aus den Statistiken ist keine gesamtwirtschaftliche Kreditklemme erkennbar", sagte Zimmermann der "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe). Die Bankenmüssten in der Krise angesichts steigender Ausfallrisiken genauer aufpassen, an wen sie Kredite vergäben. Man könne von ihnen nicht erwarten, gegen wirtschaftliche Vernunft zu handeln, "sonst kann die Bundesregierung gleich den nächsten Rettungsschirm spannen".
Börsen-Zeitung: Wegen der weithin vermuteten Kreditklemme fordert die Bundesregierung von der EU einen Kurswechsel bei den Eigenkapitalvorschriften für Banken. Das sogenannte Basel- II-Regime müsse zeitlich befristet ausgesetzt werden, um die "prozyklische Wirkung" einzudämmen, so die Logik hinter dem Vorschlag, den Finanzminister Peer Steinbrück beim Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen am heutigen Dienstag vorlegen will.
Korrekt ist: Unter dem derzeitigen Regime sollen Banken in Abhängigkeit vom Ausfallrisiko eines Kredits mehr oder weniger Eigenkapital als Sicherheit in ihrer Bilanz vorhalten. Das führt im Abschwung wegen der sinkenden Bonität vieler Firmen dazu, dass Bankenmehr Kapital unterlegen müssen und die Kreditvergabe zurückführen. Das, was institutsspezifisch rational und sinnvoll ist, mutiert gesamtwirtschaftlich zu einem die Rezession verschärfenden Teufelskreis.
Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Die "prozyklische Wirkung" von Basel II verschärft nicht nur den Abschwung, sondern auch das Hochgefühl im Aufschwung. Diese rauschhafte Euphorie hat dazu beigetragen, dass die Risiken, die Banken in den vergangenen Jahren eingegangen sind, ultimativ wurden und die Kreditvergabe über das Ziel hinausgeschossen ist. Da der Aufschwung in luftigere Höhen geführt hat, als nachhaltig durchzuhalten war, ist der Sturz umso tiefer und der Aufprall schmerzhafter ausgefallen.
Zwar ist die Grundidee des Regelwerks, die Eigenkapitalreserven der Banken an den tatsächlichen Kreditrisiken zu orientieren, nach wie vor gültig. Das Risikoverständnis darf aber nicht parallel zum Konjunkturverlauf variieren.
Insofern ist es völlig richtig, die Basel II eigene Prozyklizität ausmerzen zu wollen. Diese Forderung muss aber symmetrisch sein. Dieses Element von Basel II - das ansonsten viel Gutes beinhaltet - sollte daher nicht zeitlich befristet ausgesetzt, sondern zügig ersetzt werden. Was folgt, darf nicht nur als Maßnahme im Kampf gegendie Finanz- und Wirtschaftskrise verstanden werden, sondern als ein Beitrag zu mehr Finanzstabilität über den Tag hinaus. Die erforderlichen antizyklischen Elemente dieses Regimes - wie Verschuldungsquoten oder der dynamische Aufbau von Kapitalpuffern - würden damit nicht nur die gegenwärtige Rezession mildern, sondern auch den nächsten Aufschwung dämpfen.