Angesichts der zu erwartenden Auswirkungen der Krise auf den Arbeitsmarkt plädiert Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, dafür, manche Hartz-IV-Empfänger besser zu stellen. „Ich befürchte, dass im kommenden Jahr die Zahl derer steigt, die in die Sozialkassen eingezahlt haben und dennoch in das Hartz-IV-System übergehen“, sagte Alt der WELT (Montagsausgabe).
Das führe „aus Sicht der Betroffenen zu einem Gerechtigkeitsproblem, ihre Lebensleistung sollte anerkannt werden. Sie sollten im System in irgendeiner Form dauerhaft privilegiert werden gegenüber denjenigen, die ihr Leben lang Transferleistungen bezogen haben“, forderte Alt.
Bisher bekommen Arbeitslose, die aus der Arbeitslosenversicherung in Hartz IV wechseln, nur zwei Jahre lang einen Zuschlag. Experten sehen die Reformvorschläge kritisch. Mit einem Zweiklassensystem bei Hartz IV „drehe man die Hartz-Reformen zurück“, sagte Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), der WELT.
„Damit würde dem Vorruhestand wieder Tür und Angel geöffnet“, sagt der Experte, denn es entspreche schlicht der Verlängerung des Arbeitslosengeldes I, für manche ehemalige Versicherungskunden den Hartz-IV-Regelsatz aufzustocken. „Die Arbeitsanreize werden dann falsch gesetzt“. Zudem sieht er eine „völlige Aushöhlung des derzeitigen Versicherungsgedankens“. Es handele sich bei der Arbeitslosenversicherung um eine Versicherung, die im Schadensfall „wie eine Feuerwehr einspringt“, und nicht eine Kapitalversicherung, die sich nach der Höhe der Einzahlung richte. Die Kosten würden beträchtlich sein, warnt Brenke.
Alt unterstützt zudem die Pläne von SPD und Union in ihren Wahlprogrammen, die Schonvermögen zu erhöhen. „Die Schonvermögen anzuheben, ist eine richtige Idee, um Altersarmut zu vermeiden“, sagte Alt. Auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) kommt Unterstützung: Es sei „notwendig, die Hartz IV-Regelungen zu entschärfen“, sagt Annelie Buntenbach, Vorsitzende des Verwaltungsrates der BA und DGB-Vorstandsmitglied, der WELT.
Die Regelungen zum Schonvermögen müssten verbessert werden. „Der Freibetrag von 150 Euro pro Lebensjahr ist viel zu niedrig. Auch bei den Älteren sollte der Freibetrag von 520 Euro pro Jahr generell für alle ab 60 Jahren gelten“. Es müsse sichergestellt sein, dass die „Älteren in Würde in Rente gehen können, auch wenn sie vorher arbeitslos werden“, sagte Buntenbach.BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt sieht außerdem Reformbedarf bei den Leistungen für die Wohnkosten.
„Wir beobachten, dass sich die Wohnkosten in Richtung der Mietobergrenze bewegen. Man könnte die Kosten der Unterkunft pauschalieren, damit jeder Leistungsempfänger einen Anreiz hat, günstig zu wohnen“, fordert Alt. Bisher werden die Wohnkosten bis zu einer Obergrenze übernommen – findet man eine billigere Wohnung, hat man jedoch keinen Vorteil davon. „Die Pauschale muss natürlich lokal definiert werden“, sagte Alt. Ihm zufolge würde sich das das auch positiv auf die Integrationschancen in den Arbeitsmarkt auswirken. „Wer preiswert wohnt, hat einen höheren Anreiz, auch eine Arbeit mit niedrigerem Lohn anzunehmen“, sagte er.