Der sogenannte Impfstoff ist zwar noch nicht fertig und auch noch nicht getestet. Die Pharmaindustrie rechnet aber jetzt schon mit Zusatzeinnahmen in Höhe von rund 1 Millarde Euro - allein in Deutschland. Denn die Massen-Impfung soll auch ohne abschließende Erprobung stattfinden.
Dabei ist noch gar nicht klar, ob der Stoff überhaupt wirkt und welche Nebenwirkungen er hat. Das soll nun zunächst an Freiwilligen erprobt werden.
Menschenversuche an Freiwilligen
Das Hamburger Bernhard-Nocht-Institut sucht im Rahmen einer multinationalen Studie Probanden für den Impfstoff. Dieser sei ähnlich zusammengesetzt wie herkömmliche Grippeimpfstoffe, teilte das Institut mit.
Der Impfstoff enthält ausschließlich Komponenten des neuen Subtyps A/H1N1, die sich nicht vermehren können. Das Institut erwartet ähnliche Nebenwirkungen des neuen Impfstoffes wie bei herkömmlichen Grippeimpfstoffen. An der Impfstelle könne es gelegentlich innerhalb der ersten drei Tage zu leichten Schmerzen, Rötung und Schwellung kommen.
Seltener seien Verhärtungen und eine Schwellung der zugehörigen Lymphknoten. Jeder Teilnehmer wird zunächst zwei Impfungen sowie nach einem Jahr eine Auffrischimpfung erhalten.
Der Schweizer Arzneimittelhersteller Novartis hat ebenfalls mit einer Testphase zur Entwicklung eines Impfstoffs begonnen.
Massen-Impfung vor Abschluss der Tests
Eine Person in Großbritannien sei vor etwa zehn Tagen als erste mit dem Wirkstoff injiziert worden, teilte Novartis-Sprecher Eric Althoff mit. Der Impfstoff soll ein Jahr lang an etwa 6.000 Personen in Deutschland, Großbritannien und den USA getestet werden. Althoff sagte, die Markteinführung werde aber wahrscheinlich bereits vor Abschluss aller Tests erfolgen.
Trotzdem der Impfstoff weder abschließend getestet wurde, noch auf seine Wirksamkeit untersucht wurde, ist die Verabreichung an die Bevölkerung beschlossene Sache. Einziger Streitpunkt: Wer zahlt? Die Krankenkassen drohen derweil mit Beitragserhöhung, falls sie für die Kosten aufkommen sollen.
Krankenkassen mache Kasse
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat den Ruf der Krankenkassen nach einer Beitragserhöhung wegen der Kosten für die Schweinegrippe-Impfung zurückgewiesen. Die Forderung sei "ungerechtfertigt und unklug", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel" (Freitagsausgabe).
Die Zusatzkosten für die Impfung lägen nicht, wie von den Kassen angegeben, bei einer Milliarde Euro, sondern "allenfalls halb so hoch". Schließlich könne man nicht einfach die Gesamtkosten, sondern nur die Differenz zu den Kosten dernormalen Grippeimpfung veranschlagen.
Zusatzkosten von 500 Millionen Euro für die Massenimpfung jedoch seien aus dem bestehenden Beitragssatz "bedienbar", betonte Lauterbach. Schließlich handle es sich dabei um weniger als ein halbes Prozent der Krankenkassenausgaben pro Jahr. "Angesichts der Tatsache, dass die Krankenkassen mit dem Gesundheitsfonds das viel höhere Risiko der steigenden Arbeitslosigkeit abgesichert bekommen, wären sie gut beraten, die Kirche im Dorf zu lassen."
Bei der Drohungmit steigenden Beiträgen handle es sich "um eine Art Erpresung, wie im Gesundheitssystem inzwischen üblich", sagte der SPD-Politiker. Offenbar versuchten Kassen, die künftig ohnehin nicht mehr ohne Zusatzbeiträge auskämen, die Schweinegrippe nun zu "instrumentalisieren".