Der Chefvolkswirt der Allianz, Michael Heise, hält ein Wirtschaftswachstum von über drei Prozent im kommenden Jahr für möglich. „Es ist nicht auszuschließen, dass wir über drei Prozent landen werden“, sagte Heise der in Berlin erscheinenden Tageszeitung DIE WELT (Freitagausgabe).
Schon jetzt zählt die Prognose der Allianz für 2010 in Höhe von 2,7 Prozent zu den optimistischeren unter den Banken und Wirtschaftsinstituten. Heise glaubt, dass Deutschland in den kommenden Monaten die Konjunktur-Lokomotive in Europa spielen kann: „Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland als erstes europäisches Land aus der Krise kommen und den anderen Ländern Rückenwind geben wird“, sagte Heise.
Das Anspringen des deutschen Konjunkturmotors werde dazu führen, dass die deutschen Importe aus den Partnerländern wieder steigen würden. „Das wird unterstützt durch die vergleichsweise stabile deutsche Konsumentenentwicklung“, sagte Heise. „Es war ein Fehler, dass viele das Jahr 2009 einfach abgeschrieben haben“, sagte Heise zum überraschend starken Wachstum der Wirtschaft im zweiten Quartal. Es sei auch schon bei Bekanntgabe der Horrorzahlen zu Beginn des Jahres zu erwarten gewesen, dass, sobald die durch die Finanzkrise ausgelöste Unsicherheit abnehme, das Pendel wieder Richtung Wachstum schwingen werde, sagte Heise.
Aufgrund der überraschenden Wachstumszahlen erwartet der Allianz-Chefvolkswirt einen geringeren Einbruch auf dem Arbeitsmarkt als vielfach angenommen: „Wir erwarten nicht, dass dieses Jahr die Vier-Millionen-Marke überschritten wird, was viele schon für sicher hielten. Dafür müsste die Arbeitslosigkeit im restlichen Jahr nun wirklich sprunghaft ansteigen“, sagte Heise. Auch für das nächste Jahr rechnet er damit, dass „wir weit weg sein werden von der Fünf-Millionen-Marke“. Internationale Organisationen rechnen mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit in Deutschland von über fünf Millionen.
Dass die Arbeitslosigkeit bislang nicht so stark gestiegen sei, liege auch an der guten Personalpolitik der deutschen Unternehmen, sagte Heise. Anders als amerikanische Unternehmen haben deutsche Betriebe mithilfe der Kurzarbeit ihre Mitarbeiter größtenteils gehalten. Auch wenn die Produktivität in den USA zuletzt stark gestiegen sei, hält Heise die deutsche Strategie für besser: „Der starke Abbau der Beschäftigung in den USA könnte sich als Fehler herausstellen, denn sowohl Entlassungen als auch Neueinstellungen verursachen Kosten und die Unternehmen müssen jetzt in der Erholungsphase nach neuen Mitarbeitern suchen. Die deutschen Unternehmen haben klug gehandelt“, sagte Heise.
Weniger optimistisch ist Heise allerdings für die Wirtschaftswachstum für 2010: Die Produktionskapazitäten seien in Deutschland schon vor dem Lehman-Schock nur langsam gestiegen und in der Krise dann gesunken. „Momentan ist nicht zu erkennen, was ein kräftiges Wachstum der Produktionskapazitäten auslösen könnte.“ Hinzu kämen die Belastungen der Finanzkrise für Staatshaushalt und Sozialversicherungen, auf die die Politik mit Beitragserhöhungen und langfristig wohl auch mit Steuererhöhungen reagieren werde. „Schon 2010 wird die Dynamik deshalb merklich nachlassen“, so Heise.