Ein Reisebericht von Felix Fabich, (19 Jahre).
Noch sieben freie Sommerwochen bis zum Beginn des Studiumsund wie immer: ohne Moos nix los! Aber nichts machen und mich nur in heimischenGefilden aufzuhalten ist so rein gar nicht meine Sache.
Abenteuer, Spannung und Spaß mussten her - jedoch fürkleines Geld.
Da war ja noch die Freundin, die ich vor fünf Jahren aufMallorca kennen gelernt hatte. Ein Jahr jünger als ich, hatte ich mich imUrlaub zwei Stunden nett mit ihr unterhalten. Daraus entstanden später längereChatprotokolle und so manche Urlaubskarte.
Eigentlich der perfekte Zeitpunkt für eine Fahrt vonFreiberg bei Dresden zu ihr in die Nähe von Oldenburg. Laut Routenplaner warendas circa 510 Kilometer inklusive Autobahn - es sollten einige hundert mehrwerden. Aber: die Anreise per Bahn würde über 100 Euro kosten und über denneuen Toyota meiner Eltern brauchte ich gar nicht nachzudenken. Der Drahteselwar also die einzige Option.
Freitagnacht druckte ich noch drei Screenshots von GoogleMaps aus und zusammen mit dem Heftchen zum Elbradweg ging es los. DerGepäckträger schien mit Fahrradtaschen, Zelt, Schlafsack, Isomatte und Rucksacketwas überfordert. Vom Kochgeschirr über eine 20 m² große Abdeckplane fürMalerarbeiten als Regenschutz bis zu meinen Taucherflossen war alles dabei.
Samstag früh ging es endlich - anfangs wegen des Gewichtsnoch leicht wackelig - gen Norden. Bei Riesa wollte ich auf die Elbe auffahrenund dann solange in die Pedalen treten, bis ich müde bin.
Schon nach den ersten zwei Stunden stellte sich ein ganzeinzigartiges Freiheitsgefühl ein. Ich hielt wo es mir gefiel, ich blieb solang ich wollte und ich aß was ich mochte und für gesund hielt. Entgegenkommende Radreisende grüßtenszenentypisch mit einer relaxten Minimalbewegung der linken Hand und dieMenschen an den Straßenrändern schauten mich und meinen Gepäckträger teilsneugierig teils respektvoll an. Viele sprachen mich an: wo ich herkomme und woich hinwolle. Oft löste die Antwort geschockte Minen aus und fast immer folgtedie Frage: “Allein? Ganz allein?” und es wurde sich nach meinem Altererkundigt. Als 19-jähriger alleine über 1500 Kilometer mit dem Fahrrad zureisen hielten viele für verrückt aber mutig. Mit den besten Wünschen für dieweitere Reise endeten die Gespräche.
Bei Havelberg verließ ich den Radweg und machte mich mitKompass und meinen improvisierten Karten Richtung Westen auf. Verfahren konnteich mich an dieser Stelle kaum, da jeder Weg nach Westen der richtige zu seinschien. Die Strecke von Havelberg nach Oldenburg bewältigte ich so binnenzweier Tage.
Auf einem Zeltplatz bei Arendsee lernte ich einenDänen kennen. Der 50-jährige zeigte großes Interesse an meiner Reise und ichdurfte seine offizielle Radfahrkarte mit Zeltplätzen für Norddeutschlandfotografieren. Nebenbei fachsimpelten wir über verschiedene Fahrradteile und erzeigte mir sein Navigationsgerät. Es befand sich unter dem Zelt, das er querauf seinem Lenker transportierte.
Er hatte auch im Gegensatz zu mir eine Radlerhose an. Beimir führte das zu einem extrem wunden am Hinterteil mit Blasenbildung, aber mit zweiUnterhosen kann alles durchgestanden werden.
Bei meiner Freundin war ich zunächst froh meine Wäschereinigen zu können und mal etwas anderes als das Dosenfutter zum Abendbrot zuessen. Nett waren auch die Gespräche. Nach sieben Tagen Fahrt war ich froh mehrals nur Smalltalk führen zu können. Hierzu muss ich sagen, dass ich meinenMp3-Player erst am vierten Tag in meinem Gepäck fand und diesen sparsam, nurstundenweise, in Betrieb nahm. Die Musik motivierte mich sehr und ließ mich fürlängere Zeiträume 25 km/h fahren.
In Oldenburg entschloss ich mich noch einen Ruhetag inCuxhaven einzulegen. Da ich erst gegen 11.30 Uhr auf dem richtigen Weg ausOldenburg war, wurde es schnell sehr spät. Auf der Fähre nach Bremerhavensprach ich mit einem Mann aus Linz, der in drei Wochen mit einem Liegefahrradan die Küste fährt. Er war der erste, der meinte, dass ich es nicht mehrschaffen würde. Unterwegs fragte ich noch andere Küstenspaziergänger, ob esZeltplätze in der Nähe gebe und erzählte ihnen von meinem Ziel Cuxhaven. Allemeinten, dass ich auf dem nächsten Campingplatz halt machen solle - Cuxhavenwäre zu weit. Doch alles, wirklich alles, was im Leben beim Erreichen deinerZiele zählt. ist dein Wille und so konnte ich kurz vor Mitternacht mein Zelt100 Meter vor der Küste von Cuxhaven aufschlagen.
Der nächste Tag wurde zu einem Highlight: ausnahmsweiseweckte mich nicht der Wecker und ich schlief lange, packte meinen Rucksack undkaufte im Supermarkt leckere und billige Sachen. Dann hieß es auf ins Watt undim Schlick versinkend genoss ich den Westwind und die ganz besondere Meerluft.Später kaufte ich mir ein Buch zum Thema “Autogenes Training”, damit der Willebeim nächsten Mal noch stärker ist. Gegen einen Strandkorb gelehnt und mit demBlick aufs Meer ging der Tag zu Ende.
Nach den üblichen 90 Morgenminuten, die es mich zumWachwerden, Packen und Zelt zusammen packen benötigt, ging es dann nach Berlin.Langsam zeigte sich, dass das Geld zu Ende ging. Doch das Schicksal schien esgut mit mir zu meinen: Auf einem Zeltplatz ging ich als Minderjähriger durch,obwohl die Rezeptionistin dreimal meinen Ausweis anschaute und in dergeforderten E-Mail mit der Einverständniserklärung meiner Eltern mein wahresGeburtsdatum angegeben war. In Havelberg konnte ich auch durch Zufall einenregionalen Reporter kennen lernen, der mich zum Mittagessen einlud.
Um mir die Gebühr für den Zeltplatz zu sparen und vieleKilometer zurückzulegen, entschloss ich mich die kommende Nacht durchzufahren.Gegen 21 Uhr kochte ich mir am Elbdeich noch einmal leckere Spaghetti mit Soßeund zog mir meine Thermounterwäsche an. Warm eingepackte konnte die Nachtkommen.
Die Landstraßen waren sehr leer. Während der 6-stündigenDunkelfahrt konnte nur das kleine ausgeleuchtete Trapez unmittelbar vor demFahrrad gesehen werden. Jedes Geräusch und jede Bewegung am Straßenrand schienzehnmal intensiver. Mehrere Male kam es circa zehn Meter vor mir zu einemWildwechsel mit Rehen. Es war insgesamt anstrengender und aufregender als ichdachte, zumal gegen 4.45 Uhr die Glühbirne meines Frontlichtes durchbrannte.Bis zum Sonnenaufgang improvisierte ich einfach mit meiner Stirnlampe.
Am späten Nachmittag machte sich die Müdigkeit bemerkbar,aber nach einem Energydrink und zwei Tafeln Schokolade ging es weiter.Glücklicherweise konnte ich wieder kostenlos zelten.
Übernachtung auf Flugplatz
Diesmal auf einem kleinenFlughafen mit Dusche im Hangar. Für das Wochenende campte dort auch ein Paar imWohnmobil. Sie besaßen sogar ihre eigene Propellermaschine. Freundlicherweisebekam ich zum Frühstück einen Kaffee geschenkt und durfte in einem gepolstertenStuhl an ihrem Tisch sitzen. Wir tauschten Geschichten aus. Zum Abschied wurdenmir noch zehn Euro geschenkt mit dem tollen Hinweis, dass auch ich in 30 Jahreneinem jungen Abenteurer unter die Arme greifen soll.
Begleitet von dem Lärm einer startenden Maschine ging es aufzum Brandenburger Tor und nach über 1560 Kilometern auf dem Fahrrad bin ichendlich da - in Berlin.
Damit geht ein sehr lustiges und impressives Abenteuer zuEnde. Ich kann jedem - insbesondere den Menschen mit schmalem Geldbeutel - soeine Tour wärmstens empfehlen. Man sammelt wichtige Lebenserfahrungen und kommtmit interessanten Menschen ins Gespräch. Außerdem lernt man den Luxus derZivilisation wie ein Sofa oder eine Lampe völlig neu schätzen.
Insgesamt habe ich um die 130 Euro in vierzehn Tagenausgegeben. Es steht somit fest: großes Abenteuer kann man auch für kleinesGeld haben. Es muss nur mit dem Packen begonnen werden…
Etappe Berlin: In 14 Tagen 130 Euro ausgegeben