Vergleich USA / Japan. Die Vorkommnisse in Nippon nach dem großen Immobilienboom bis1990 haben sogar Alan Greenspan zum Zweifeln gebracht, obDeflation auch in einer Fiat-Währung möglich ist. Käme esin den USA zur Deflation, wäre eine lange, zähe Phase derwirtschaftlichen Stagnation zu erwarten.
Passend zu den gesunkenen US-Erzeugerpreisen will ich noch einmal auf die Deflation zurückkommen. Esgibt nämlich interessante Entwicklungen zum Thema Inflation versusDeflation in den USA.
Allgemeiner Konsens unter denWirtschaftswissenschaftlern scheint zu sein, dass die enormeAusweitung der Geldmenge zu einer Inflation führen muss. Zu drängendsind die Argumente, die für eine Inflation sprechen. Hinzu kommt, dasssich nur wenige tatsächlich etwas unter „Deflation“ vorstellen können.Zumal in einer Fiat-Währung ein solches Szenario sowieso nahezuunmöglich erscheint. Man braucht schließlich nur ausreichend Geld zudrucken und das Deflationsgespenst ist vertrieben.
Doch es gibt ein Beispiel, dassämtliche volkswirtschaftlichen Theorien zu verhöhnen scheint: Japan.Und gerade die Vorkommnisse in Japan nach dem großen Immobilienboom bis1990 haben sogar Altmeister Alan Greenspan zum Zweifeln gebracht, obDeflation nicht doch auch unter einer Fiat-Währung möglich ist. Käme esin den USA zu einer Deflation, wäre eine lange und zähe Phase derwirtschaftlichen Stagnation zu erwarten.
Doch zunächst zu den Ursachen der Deflation in Japan:
• Immobilienpreis-Exzess:Bis 1990 explodierten die Grundstücks- und Immobilienpreise (Beispiel:Der Kaiserpalast von Tokio war 1989 mehr wert als alle GrundstückeKaliforniens zusammen).
• Kredit-Exzess:Überteuerte Immobilien wurden als Sicherheiten für weitere Krediteakzeptiert. Es kam zu einer enormen Ausweitung der Kreditvergabe.
• Aktien-Exzess:Durch das enorme Anwachsen der Kreditmenge verbunden mit dem Boom inder Immobilienbranche, kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, dersich in einem extremen Anstieg der Börsenkurse widerspiegelte.
Die Kreditblase
Diese Voraussetzungen für diejapanische Krise lassen sich natürlich auch in den USA im Zusammenhangmit dem letzten Immobilienboom bis 2008 erkennen. Ich vermuteallerdings, dass der Begriff „Immobilienboom“ zu kurz greift.Eigentlich handelt es sich bei diesem Prozess um einen Kredit-Boom.Dieser entstand durch neue Finanzinstrumente (z.B. verbriefte Krediteund Kreditderivate), die durch geringe Eigenkapitalanforderungen undniedrige Zinsen zu hohen Finanzierungshebeln führten und damitschließlich eine ungeheure Ausweitung der investierbaren Geldmengebewirkten. Dieser zusätzlichen (künstlichen) Liquidität ist der Anstiegder Preise bei Immobilien und Aktien, aber auch anderen Assetklassen zuverdanken.
Wenn man das Ganze als Kredit-Boomoder Kredit-Blase betrachtet, wird auch klarer, was 2008 passiert ist:Zwar stürzten zunächst die Immobilienpreise, aber das eigentlicheDesaster war, dass die Kredit-Blase geplatzt war.
Japan nach dem Crash
Durch den Einsturz derImmobilienpreise waren diese Kredite in Japan plötzlich nicht mehrgedeckt. Ungeheure Darlehen standen quasi über Nacht entwertetenSachwerten entgegen. Dieses massive Ungleichgewicht, das dieBankbilanzen belastete, führte dazu, dass die Finanzinstituteeigentlich hätten zusammenbrechen müssen.
Eine ähnliche Entwicklung hatten wirin den USA. Doch die Wirtschaftswissenschaftler behaupten die Situationin den USA sei nicht mit der in Japan vergleichbar.
Mögliche Maßnahmen
Als möglichen Ausweg aus der Krisein Japan wurde von Seiten der Ökonomen vorgeschlagen, einen Großteilder japanischen Sparkassen für bankrott zu erklären. Die Vermögenswertesollten in einer Abwicklungsgesellschaft zusammengefasst werden. Dannmüsste nur noch ein Weg gefunden werden, die verbliebenen Werte starkverbilligt abzustoßen, um dem Immobilienmarkt wieder neue Liquiditätzur Verfügung zu stellen (siehe auch Alan Greenspan: „Mein Leben fürdie Wirtschaft).
Auch das kennen wir. Diese Maßnahmenwerden zurzeit in den USA verwirklicht. Bad Banks, staatliche,halbstaatliche oder private Institute oder Fonds, welche die Papiereübernehmen etc. Es gibt jedoch eine wichtige Ausnahme:
Der verhinderte Konkurs
Vor dem aktuellen Crash in den USAwurde immer behauptet, dass einer der entscheidenden Fehler in Japangewesen sei, dass dort die Banken künstlich am Leben gehalten wurden.Das hatte kulturelle Gründe: So sollen die Japaner eine langanhaltendeDeflation / rezessive Phase in Kauf genommen haben, um den Unternehmenund Einzelpersonen einen Gesichtsverlust zu ersparen. Natürlich hätteniemand im Traum daran gedacht, dass auch in den USA bankrotte Bankenkünstlich am Leben gehalten würden.
Doch es kam, wie so oft, anders: Inder aktuellen Krise waren es nicht kulturelle Gründe, sondernsystemische. Der Kollaps der Großbanken hätte zu einem weltweitenSystemcrash geführt, der unbedingt vermieden werden musste. Und somitwerden auch in den USA nun Banken und Finanzinstitute künstlich amLeben erhalten. So schnell kann es gehen.
Die belastende Kreditschuld
Wenn die Banken künstlich am Lebenerhalten werden, bleibt sozusagen die Kreditschuld bestehen. Zum Teilbei den Banken selbst, einen anderen Teil übernimmt der Staat, wiederein anderer Teil wird in Bad-Banks ausgelagert. Trotzdem hat aber ebendiese Kreditschuld weiterhin ihre Auswirkungen.
Eine der Wachstumstreiber einerWirtschaft sind nämlich Kredite. Mit dieser bestehenden Kreditschuldwird jedoch die weitere Kreditvergabe zum Teil durch die Banken selbstund zum anderen Teil durch den Staat erschwert. Der Staat kann aufgrundder hohen Staatsverschuldung nicht mehr stimulierend und regelnd in dieWirtschaft eingreifen, sondern muss sogar Ausgaben kürzen und Steuernerhöhen. Das geht jedoch immer zu Lasten des wirtschaftlichenWachstums. Den anderen Effekt erleben wir bereits: Die Banken sind inihrer Kreditvergabe (Kreditklemme) eingeschränkt. Auch das ist einEffekt, der die Wirtschaft schwächt.
Wenn jedoch die Wirtschaft nichtausreichend stimuliert wird, kommt es zu einer längeren Phase mitschwachem Wirtschaftswachstum, die sich tendenziell eher deflationärauswirkt. Einer der Hauptgründe für die Deflation in Japan war meinesErachtens somit, dass die enorme Ausweitung der Kredite über vieleJahre zurückgeführt werden musste. Das droht auch in den USA.
Eine weitere Facette
Normalerweise werden in Zeiten einerDeflation die Zinsen gesenkt. Auch in Japan hatte es viele Jahre langeine Nullzinspolitik gegeben. Diese konnte aber die Deflation nichtverhindern. Natürlich haben auch hierfür viele Analysten eineBegründung parat:
Die Carry-Trades waren schuld. DieJapaner haben sich zu niedrigsten Zinsen Geld geliehen und dieses Geldin sicheren Papieren im Ausland zu wesentlich höheren Zinsen angelegt.Das soll dazu geführt haben, dass ein Großteil des in Japan„gedruckten“ Geldes ins Ausland abfloss und somit im Inland nicht dieInflation anheizen konnte.
Und hier finden wir aktuell eineweitere parallel Entwicklung, die sich erst in den letzten Wochen immerdeutlicher gezeigt hat: Aufgrund der niedrigen Zinsen wird nun derUS-Dollar zu einer Carry-Trade-Währung. Institutionelle leihen sich zuniedrigsten Zinsen Geld in den USA, um es in Brasilien oder andernLändern zu investieren, in denen die Zinsen noch deutlich höher stehen.Selbst dieser wichtige Faktor scheint sich nun in die gleiche Richtungwie Japan zu entwickeln.
Die alternde Gesellschaft als deflationäres Element
Ein letztes Argument, das auch immergerne als Grund für die Deflation in Japan herhalten musste, ist, dassdie Bevölkerung in Japan immer älter wurde. Ältere Menschen sindweniger konsumfreudig, sie bauen zudem kaum noch neue Häuser. Undselbst in diesem Punkt können wir nun eine Ähnlichkeit in den USAerkennen. Dort geht aktuell die Baby-Boomer-Generation(Nachkriegsgeneration) in Rente. Auch das wird sich auf den Konsum undden Immobilienmarkt auswirken und wird schon seit vielen Jahren alswirtschaftlich belastender Faktor von Analysten genannt.
Der Unterschied
Es gibt allerdings auchUnterschiede. Der Bank of Japan wurde immer vorgeworfen, sie hätte zulangsam reagiert. Hat sich eine Deflation erst einmal etabliert, seisie kaum noch zu bekämpfen. Untätigkeit oder Zaghaftigkeit kann man derFed nun wirklich nicht vorwerfen. Sehr schnell wurden alle möglichenMaßnahmen beschlossen, bis hin zum Aufkauf von US-Staatsanleihen.
Hier liegt somit die Hoffnungbegründet, dass die USA es doch noch schaffen, das Deflationsgespenstzu vertreiben. Wie man sieht, eine vage Hoffnung, denn die meistenanderen Faktoren sind vergleichbar. Wenn jetzt auch noch der Dollar zueiner Carry-Trade-Währung wird, also Geld aus den USA abfließt, könntees eng werden.
Charttechnische Ähnlichkeit zwischen S&P500 und Nikkei
Und damit abschließend ein Blick auf die Charts:
Der Nikkei225 (linker Chart) hatsich 1990/1991 nach dem Crash bis an das 38% Retracement desvorangegangenen Einbruchs erholt. Genau an dieser Marke steht nun auchder S&P500 (rechter Chart). Sollte der S&P500 an dieser Markescheitern und sogar neue Tiefs ausbilden, wäre das schon ein klarerHinweis auf ein langjähriges Deflationsszenario, beziehungsweise eindeutliches Zeichen für eine langanhaltende Phase wirtschaftlicherSchwäche.
Im weiteren Verlauf können wir alsodie Entwicklung des Nikkeis nutzen, um zu erkennen, in welche Richtungsich die Wirtschaft bewegt. Wir werden demnach bald erkennen können, obder US-Aktienmarkt davon ausgeht, dass es zu einer Deflation kommt odernicht. Sollte es dazu kommen, kann der Nikkei uns darüberhinaus überviele Jahre gute Hinweise auf die weitere Entwicklung des S&P500geben.
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