Die gegenwärtigen Maßnahmen zurBekämpfung der Krise, die weltweit ergriffen werden, versuchenüberhaupt nicht, dieses Problem anzugehen.
Mit dieser Vorgehensweise wird derZusammenbruch der globalen Finanzbasis, auf der unsere Wirtschaft seitJahrzehnten, und besonders seit etwas über zwanzig Jahren aufbaute,noch beschleunigt.
Schätzung der Verluste der Geschäfts- und Hypothekenbaken inGroßbritannien im Verhältnis zum britischen BSP und den britischenStaatsschulden - Quelle: Bridgewater - 02/2009
Die Symptome sind leicht zuidentifizieren: Bilanzen, in denen die Eigenmittel immer weiterabnehmen, Geldanlagen und Werte, die immer mehr an Marktwert verlieren,exponentiell ansteigende öffentliche Verschuldung, Einstellungöffentlicher Dienste, wachsende Schwierigkeiten, fälligeZahlungsverpflichtungen zu erfüllen, Häufung der Unternehmensbankrotte,Vertrauensverluste in Papierwährungen… (3) .
Wie wir bereits in der 31. Ausgabe desGEAB schrieben: Wir schätzen inzwischen die Gesamthöhe der fiktivenVermögenswerte, die sich im Lauf der Krise seit 2006 als bar realenGegenwerts entpuppt haben, auf 30.000 Millarden US-Dollar.
Das Zusammenbrechen der globalen finanziellen Basis wird ab Ende 2009zur Folge haben, dass der Rückgang an Macht, Reichtum, globalemEinfluss und Lebensstandard vieler globaler Akteure sich beschleunigenwird; jedoch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und inunterschiedlichen Proportionen.
An der unten stehenden Graphik kannman sehr schön ablesen, wie die großen global tätigen Banken in derKrise geschrumpft sind, und zwar in unterschiedlichen Proportionen.Daraus läßt sich auch ablesen, dass, wie wir in den vorhergehendenAusgaben schrieben, die Bedeutung des Finanzsektors im nationalen BSPentscheidend für die Auswirkungen der Krise in den einzelnen Staatensein wird; je größer der Finanzsektor, desto schlimmer dieAuswirkungen. Mit dem folgenden Schaubild lassen sich dieentsprechenden Trends hervorragend vorhersagen.
Vergleich des Marktwerts der großen internationalen Banken - In blau im2. Quartal 2007/in grün am 20.1.2009 – Quelle: JPMorgan / Bloomberg(21.01.2009)
Das zweite Phänomen,das dazu beitragen wird, dass die Weltordnung zerfallen wird, ist diesich beschleunigende Divergenz zwischen den massgeblichen Akteuren derWeltordnung und den großen globalen Institutionen. Die Debatte über diemögliche Rennaissance des Protektionismus ist sowohl Beweis als auchElement dieses Phänomens.
Die Regierenden dieser Welt leidenimmer mehr an Persönlichkeitsspaltung: Ihre Handlungen haben immerweniger Bezug zu ihren Worten. Gerade deshalb gehen wir davon aus, dassdas letzte Zeitfenster für Maßnahmen, die einen Zerfall deröffentlichen Ordnung noch verhindern könnten, zwischen dem G20-Gipfelvom April 2009 und dem Sommer 2009 offen steht.
In den Reihen der internationalenWirtschaftsexperten, die maßgeblich die Propaganda für dieLiberalisierung des Welthandels der letzten Jahrzehnte geliefert haben,wird die Arbeitslosigkeit stark ansteigen – es sei denn, sie verwandelnsich unter dem Druck der Ereignisse in Herolde des Protektionismus oderder Integration regionaler Blöcke, ohne sich große Fragen über dieEthik ihres Richtungswechsels zu stellen. Warum sollten sie? AuchExperten sind letztendlich Menschen und die menschliche Natur istflexibel genug, um sich unter Druck der Tatsachen neu auszurichten undsich einzureden, dass die neue Richtung schon immer die ihre gewesenwäre. Diese neue Ausrichtung läßt sich schon heute an Artikeln dergroßen Medien zu Finanzen, Wirtschaft und Politik feststellen.
Diese zunehmende Divergenz wird anhand offensichtlicher Linien verlaufen:
Die großen Exportnationen wie China, Japan, Deutschland sowie diegesamte EU, die momentan noch mit allen Mitteln darum kämpfen, ihrenZugang zu den noch solventen Weltmärkten offen zu halten, werden zurJahresmitte 2009 gezwungen sein, sich über den Erfolg ihrer BemühungenRechenschaft abzulegen.
Weder die WTO noch die UN und ihreSonderorganisationen werden diese Entwicklung verhindern können, dennihr Einfluss hängt davon ab, dass zumindest ein großer Teil ihrerMitglieder bereit ist, die bisher geltenden Regeln zu respektieren.Wenn es bei vielen an diesem Willen fehlt, sind diese internationalenOrganisationen ohnmächtig (14).
Diese Interessendivergenz ist nichtsweiter als die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auf das Strebennach dem Gemeinwohl, oder anders ausgedruckt, die gelebte Umsetzung desPrinzips „Jeder ist sich selbst der Nächste“.
Die ersten Konflikte zwischen denbisherigen « Verbündeten » brechen schon für alle ersichtlich aus. Dieöffentliche Kritik des französischen Präsident Sarkozy an der„wirkungslosen“ Politik seines britischen Kollegen (15) oder seineAbkehr vom Prinzip des europäischen Binnenmarkts mit dem Ziel,Arbeitsplatzverlagerungen in das europäische Ausland zu verhindern,sind konkrete Beispiele für die Anwendung der neuen Logik derausschließlich am eigenen Interesse ausgerichteten Politik.
Wenn der russische PremierministerPutin Washington und London vorwirft, die Verursacher der gegenwärtigenKrise zu sein (20), und man feststellen kann, dass die Mehrzahl dereuropäischen Regierungen (21) diese Aussage schweigend und damitzustimmend zur Kenntnis nimmt, läßt sich schon voraus ahnen, wohin dieVerfolgung nationaler Interessen uns bald führen wird.
Noch ein paar Monate in diesemRhythmus, dann wird bei diesen Attacken nicht einmal mehr der Scheinder Höflichkeit und der guten Manieren aufrecht erhalten; dann wird derZerfall der öffentlichen Ordnung weltweit für alle sichtbar einsetzen.
(2) Das britische Pfund ist nur ein Anhang der Dollarzone.
(3) Wie immer sind die ersten Leidtragenden einer Krise dieSchwächsten, wie man an der Ukraine sehen kann, die sich in einerDepressionsspirale befindet. Die westlichen „Paten“ der „orangenenRevolution“ haben selbst auch kein Geld mehr, um der Ukrainebeizustehen. Quelle: Financial Times, 08/02/2009
(4) Wer diese erstaunlich aktuelle Fabel nachlesen möchte: Les animaux malades de la peste.
(5) Dies ist ja der Grund, warum wir seit Februar 2006 dieser Krise denNamen « umfassende weltweite Krise » gegeben haben.
(6) CNN berichtet überwissenschaftliche Untersuchungen, die zu erklären versuchen, warum ineiner Gruppe von Menschen alle die Tendenz haben, das gleiche zudenken. Diese Erkenntnisse scheinen in vollem Umfang auf die G7, G8oder G20 übertragbar zu sein und zeigen uns, dass das Entstehen eineseigenen, neuen Politikansatzes, der der Krise angemessen sein könnte,aus diesen Zirkeln leider nicht zu erwarten sein dürfte. Quelle: CNN, 15/01/2009
(7) Im übrigen scheint dies inzwischen auch den Käufern von Staatsanleihen klar geworden zu sein. Quelle: Telegraph, 08/02/2009
(8) Wer aber hilft den erdölproduzierenden Ländern des Persischen Golfs, die bis heute schon 2500 Milliarden Dollar in der Krise verlorenhaben?. Quelle: BBC, 17/01/2009
(9) Man könnte in diese Reihe auch Mervyn King, Gordon Brown und Alistair Darlingeinstellen, wenn auch in Nebenrollen, sowie die Regierenden allerStaaten, die massiv von der Dollarzone abhängen oder die massiv inDollar-Vermögenswerte investiert haben. Vgl. hierzu die vorher gehendenAusgaben des GEAB.
(10) Es ist aufschlussreichfestzustellen, dass die schwächsten Länder, die sich der Globalisierungweit geöffnet hatten, wie die Philippinen, bereits heute am stärkstenunter dem Ende der Globalisierung zu leiden haben. Quelle: Asia Times, 13/02/2009
(11) Quelle: RTE, 03/02/2009
(12) Quelle: MarketOracle, 15/01/2009
(13) Das heißt, inbs. wenn er ausreichend groß ist, um einenbedeutenden Anteil dieser Exporte zu absorbieren. Mit Ausnahme der USAund (zumindest teilweise) Chinas ist dies für keine der großenExportnationen gegeben.
(14) Inzwischen bettelt schon der IWF,jedoch ohne viel Erfolg, um Kapital, um weiterhin seine Aufgabe auchwährend einer verschärften Krise erfüllen zu können. Die Epoche des„Jeder ist sich selbst der Nächste“ hat bereits eingesetzt. Quelle: Telegraph, 08/02/2009
(15) Quelle: La Dépêche, 06/02/2009
(16) Quelle: Times, 12/02/2009
(17) Das ist wirklich der Gipfel der politischen Unehrlichkeit, dennder Hauptverantwortliche für das aktuelle montäre Chaos ist derUS-Dollar.
(18) Einige Politiker haben sich imübrigen mit sehr harten Ausdrücken zu Wort gemeldet, in denen sie denUSA massiv vorwarfen, sie in diese dramatische Lage gebracht zu haben,und sich bitter beklagten, nun auf Geldanlagen “zu sitzen”, dieunweigerlich an Wert verlieren werden. Wenn ein “Partner” eine solcheEinstellung entwickelt hat, dann ist davon auszugehen, dass er nichtmehr lange ein “Partner” sein wird. Quelle: Financial Times, 11/02/2009
(19) Quelle: International Herald Tribune, 11/02/2009
(20) Quellen: Australian Business / Wall Street Journal, 29/01/2009
(21) Die europäischen Politiker enthalten sich zur Zeit jeglicherÄußerungen zum Wechselkurs zwischen Euro und Dollar. Zu sehr fürchtensie einen Absturz der US-Währung, der den Euro zu neuen Höhen befördernwürde, was mit den wirtschaftlichen Interessen der Eurozone schwerlichzu vereinbaren wäre. Quelle: MarketWatch, 09/02/2009
(22) Quelle: Telegraph, 06/02/2009