Das in Bayern ansässige Pharmaunternehmen Tutogen lässt in der Ukraine im großen Stil Leichen ausnehmen, um daraus medizinische Produkte zu gewinnen.Das geht aus zahlreichen firmeninternen Dokumenten hervor, die dem Hamburger Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL vorliegen.
In seiner am Montag erscheinendenAusgabe dokumentiert der SPIEGEL beispielsweise Tutogens interne Preisliste für Leichenteile: Demnach zahlte das Unternehmen im Januar 2002 für einen Oberarmknochen42,90 Euro, für einen kompletten Oberschenkel ebenfalls 42,90 Euro und für einen Herzbeutel je nach Größe 13,30 bis 16,40 Euro. Allein im Geschäftsjahr2000/01 wurden in der Ukraine 1152 Leichen für Tutogen genutzt.
Den Angehörigen soll dabei in vielen Fällen nicht klar gewesen sein, was mit den Knochen ihrer Verwandten geschieht. So berichtet Lena Krat aus Kiew dem SPIEGEL,dass sie überrumpelt wurde, den Leichnam ihres Vaters für eine Gewebespende zur Verfügung zu stellen. Ihr sei erzählt worden, dass nur Hautstreifen abgeschältwürden. Tatsächlich wurde den Leichen aber ganze Sehnen, Knochen und Knorpel entnommen. „Wenn ich gewusst hätte, dass so viel herausgeschnitten würde, hätteich nie zugestimmt“, so Lena Krat.
Der Leiter der Rechtsmedizin in Kiew, Wladimir Jurtschenko, bestätigte dem SPIEGEL, dass auch heute noch Leichen ausgenommen werden, deren Knochen dannbei der deutschen Firma Tutogen landen.
Die aus Leichenteilen gewonnenen Produkte werden vor allem in den USA als Ersatzteilebei Patienten eingesetzt, ihr Nutzen ist allerdings umstritten. Die Brancheist in den vergangenen Jahren zu einem milliardenschweren Markt angewachsen.
Würde eine Leiche in all ihre Einzelteile zerlegt, verarbeitet und verkauft, käme manauf einen Erlös von bis zu 250 000 US-Dollar. Tutogen selbst lehnte jedes Gesprächmit dem SPIEGEL ab und beantwortete schriftliche Fragen nicht. Auch der Direktor des ukrainischen Unternehmens Bioimplant, das dem Gesundheitsministeriumgehört, reagierte auf schriftliche Fragen nicht.