Auf keinen Fall in Zertifikate investieren. GEAB: "Es wäre ja nicht das erste Mal, dassZertifikate auf Gold auf einen Schlag ihren Umtauscheinspruch verlören.Denn genau das war es, was die Regierung Nixon 1971 gemacht hat, alssie die Golddeckung des Dollars aufhob."
Eine Analyse des europäischen Think-Tanks LEAP/E2020, publiziert im GlobalEurope Anticipation Bulletin (GEAB)
Auf der ganzen Welt ist ein Paradox feststellbar, das sogar derallgemeinen Presse aufgefallen ist: Wegen der Krise haben dieInvestoren überwiegend ihr Geld aus den meisten Anlagenarten(Immobilien, Aktien, Devisen, Rohstoffe…) abgezogen. Viele haben einTeil ihrer flüssigen Geldmittel in Gold angelegt. Dieser Trend ist soausgeprägt, dass vieler Orts Goldmünzen und –Barren vergriffen waren.Dennoch, und hierin liegt das Paradox, oszilliert der Goldpreis seitMonaten um die 900-Dollarmarke, ohne je zum ultimativen Steilfluganzusetzen.
Im ersten Halbjahr 2008 wurde alsErklärung dafür allgemein akzeptiert, dass viele Investoren Verluste inanderen Anlagearten abdecken und dafür ihre Goldbestände hättenverkaufen müssen, so dass die gesteigerte Nachfrage einem ausreichendenAngebot gegenüber stand. Damals war das wohl auch noch zutreffend. Aberauch 2009 steigt der Preis nicht, obwohl diese Erklärung heute nichtmehr korrekt sein kann.
Wir haben es unternommen, dierichtige Erklärung hierfür aufzuspüren und nützliche Ratschläge fürunsere Leser daraus abzuleiten. Allerdings ist eine Analyse desGoldmarkts besonders komplex, weil mehrere Parameter ihn bestimmen undzu seiner Intransparenz beitragen:
1. Der Goldmarkt ist ein Markt, derzum einen hoch spekulativ ist und auf dem die wildesten Informationenmit dem Ziel zirkulieren, den Markt zu manipulieren, zum anderen ist erein echter Rohstoffmarkt mit einer Nachfrage der Realwirtschaft, insbs.für die Schmuckherstellung.
2. Der Goldmarkt ist bevölkert vonTeilnehmer, die ihn für einen ganz besonders wichtigen halten, diehäufig sogar ideologisch motiviert sind und Gold für einzigartig unddie einzig legitime Basis von Wirtschaft und Geld halten.
3. Die Bewegungen am Goldmarkt werdenvon den Zentralbanken und den Regierungen mit Argusaugen verfolgt, dasie ihn in Krisenzeiten als Gefahr für die Papierwährungen fürchten,während sie gleichzeitig Gold als Wert zu schätzen wissen, den siebeschlagnahmen können, wenn ihnen in einer aus der Kontrolle laufendenKrise keine andere Wahl mehr bleibt (1).
4. Zuletzt ist der Goldmarkt derMarkt, auf dem das Metall gehandelt wird, das seit Jahrtausenden Symbolfür Reichtum ist und das Menschen schon in den Wahnsinn getrieben hat !
Enstscheidend für eine Analyse des Goldmarkts ist, scharf zwischen zwei Untermärkten zu trennen:
1. Zum einen den reellen Markt, auf dem real existierende Goldstückeund –Barren ausgetauscht werden, die man anschließend irgendwounterbringen muss, ob in einem Banksafe, im Garten oder unter derMatraze.
2. Der Goldmarkt als Wertpapiermarkt :Darauf werden Wertpapiere gehandelt, die einen Anspruch auf einebestimmte Menge Gold einräumen, die der Verkäufer dem Käufer zuverschaffen verspricht, wenn dieser es verlangt.
Der praktische Aspekt desGold-Wertpapiermarkts ist einleuchtend : Gold muss nicht transportiertund gelagert werden, was für Käufer großer Mengen ein echtes Problemwäre. Damit wird ein quantitativer Handel möglich, der auf demphysischen Goldmarkt nicht möglich wäre. Allerdings erfordert er einabsolutes Maß an Vertrauen zwischen allen Markteilnehmern und denAufsichtsbehörden.
Insbesondere die Verkäufer müssen überjeden Zweifel erhaben sein und die Marktregeln präzise einhalten, dieihnen in der Regel vorschreiben, 90% des verkauften Goldes physischvorrätig zu halten. Die Aufsichtsbehörden auf dem Goldmarkt müssen auchdie faktische Möglichkeit haben durchzusetzen, dass die Verkäufer derGoldzertifikate die Regeln einhalten.
Hierzu ist aber angesichts derUmtriebe der großen internationalen Banken und der unzureichendenRigorosität der Aufsichtsbehörden der Finanzmärkte während der letztenzwei Jahre wenig Optimismus berechtigt. Die Banken haben sich wieBetrüger benommen und scheinen auch jetzt ihr Geschäftsgebaren nichtsonderlich geändert zu haben; und die Aufsichtsbehörden, insbs. an derWall street und in der City of London, die die wichtigsten Goldmärkteweltweit sind, waren ihre Komplizen (2).
Wir gehen davon aus, dass in dergegenwärtigen Situation, in der viele großen Banken und Finanzinstituteum ihre Überleben kämpfen müssen, es sehr naiv wäre zu glauben, dassdie Aufsichtsbehörden an den Goldmärkten sich lediglich derDurchsetzung der bestehenden Regelungen im Interesse eines fairen undeffizienten Marktes widmen würden. Denn das wäre nachteilig für denDollar, das britische Pfund und überhaupt alle Papierwährungen – undfür die Bilanzen und Ertragslage der großen Banken und Finanzinstitute,die schon heute um ihr Überleben kämpfen müssen. Wir gehen daher davonaus, dass der Gold-Wertpapiermarkt heute nicht mehr regelkonformfunktioniert; dass viele der Verkäufer nicht mehr die Auflage erfüllen,90% der gehandelten Goldmenge auch physisch zur Verfügung zu haben.Natürlich kann man nicht wissen, wie hoch der Deckungsgrad noch ist,aber es ist absolut möglich, dass er schon auf ein recht tiefes Niveaugefallen ist, und zwar so tief, dass der Markt zusammen brechen würde,wenn von heute auf morgen mehr als die Hälfte der Käufer die Einlösungihrer Zertifikate und damit die Lieferung der ihnen als reales Goldzustehenden Goldmenge forderten (3).
Es wäre ja nicht das erste Mal, dassZertifikate auf Gold auf einen Schlag ihren Umtauscheinspruch verlören.Denn genau das war es, was die Regierung Nixon 1971 gemacht hat, alssie die Golddeckung des Dollars aufhob. Vor 1971 war der Dollar einStück Papier, das einen Anspruch auf Umtausch in eine bestimmte MengeGold einräumte. Mit ihrer Verschuldenspolitik während desVietnam-Kriegs benahmen die USA sich wie ein Verkäufer vonGoldzertifikaten, der seine Versprechen nicht honorieren kann. DieAufhebung der Golddeckung war nichts weiter als das öffentlicheEingeständnis der USA, ihre Verträge mit den Dollarbesitzern nicht mehrerfüllen zu können (4).
Entwicklung der Goldverkäufe durch die Zentralbanken Frankreichs (rot),der Schweiz (blau), der Niederland (grün) und der restlichen Welt(orange) - Quelle : World Gold Council / VM Group , 02/2009
Natürlich hängt der Goldpreis auch vom Angebot am konkreten Metall ab.Dieses Angebot entsteht überwiegend durch Goldbergbau (wobei dieErträge relativ konstant sind) oder den Verkauf der Goldreserven vonZentralbanken oder internationalen Institutionen wie dem IWF (5). Mitmassiven Verkäufen, ob öffentlich oder diskret, können die Staaten denGoldkurs manipulieren (6). Gegenwärtig ist der Verkauf staatlicherGoldreserven relativ stabil. Die Regierungen der Eurozone, z.B., habenkein Interesse an Goldverkäufen, da die nationalen Goldvorräte mit derSchaffung des Euros den nationalen Zentralbanken als Teil derWährungsreserven des Euro überlassen werden mussten. Der Sturm iminternationalen Währungssystem, der mit Ende des Sommers 2009 über unshereinbrechen wird, dürfte dazu führen, dass viele Regierungenversuchen werden, ihre Währungsreserven, insbs. ihre Dollarreserven,gegen Gold einzutauschen. In den USA repräsentieren die Goldreserven,die zu dem gegenwärtigen Preis auf 300 Milliarden Dollar geschätztwerden (7) (eine Zahl, die mit Vorsicht zu genießen ist, da es keineverläßlichen Informationen über die Höhe der US-Goldreserven gibt (8)),nur einen kleinen Bruchteil der Riesensummen, die die US-Regierungaktuell in der Krisenbekämpfung einsetzt. Jedoch zur Klarstellung: Wirwollen mit unserer Analyse keine Einschätzung über den Kursverlauf desGoldpreises abgeben, sondern über die Sicherheit einer Anlage; damitder Goldkäufer auch tatsächlich Gold in den Händen hält und nichtlediglich einen Fetzen Papier ohne Wert. Denn die Analyse der Situationläßt eigentlich nur den Schluss zu, dass die erhöhte Nachfrage amGoldmarkt mit Gold-Zertifkaten gedeckt werden, für deren Umtausch nichtausreichend Gold zur Verfügung steht.
Daher empfehlen wir unseren Lesern,die nicht spekulieren wollen (wobei Spekulation immer heißt, das Risikoeinzugehen, alles zu verlieren (9)), Investionen in Gold-Zertifikatenzu meiden und ausschließlich physisches Gold zu kaufen (10). Natürlichergeben sich daraus die praktischen Zwänge seiner Lagerung. Aberangesichts der zu erwartenden Turbulenzen im internationalenWährungssystem im Sommer 2009 gehen wir davon aus, dass ein realesRisiko existiert, dass Inhaber von Gold-Zertifikaten ihre Investitionenvollständige verlieren werden, wenn die Verkäufer sich als unfähigerweisen werden, ihre Obligationen angesichts massiverUmwandlungsverlangen zu honorieren.
---------
Noten:
(1) In vielen Ländern wurde schon der private Besitz von Gold verbotenund/oder sein Verkauf an den Staat zu einem Spottpreis angeordnet. Imzwanzigsten Jahrhundert geschah dies z.B. in Amerika und inDeutschland. Die USA haben das Verbot des privaten Goldbesitzes von1934 bis 1974 aufrecht erhalten. Daher warnen wir schon seit zweiJahren unsere Leser davor, diese Gefahr zu unterschätzen und fordernsie auf, nach Vorzeichen für eine solche Reaktion bei ihren nationalenRegierungen zu achten; dennoch empfehlen wir zur Zeit, bis zu 30%Edelmetalle in seinem Portefolio zu halten.
(2) Sources: TraderTech; Quid
(3) Avery Goodman hat zwei sehr interessante Artikel zu diesem Themaveröffentlicht, in dem er zwei Fälle aufführt, die den Schlussnahelegen, dass zum einen der New York Stock Exchange bereits seineGoldvorräte für besondere Zertifikatsarten aufgebraucht hat, und zumanderen dass die EZB dem New Yorker Goldmarkt (also der COMEX) diskretmit Gold versorgt hätte, um einen Vertrauensverlust in den Goldmarkt zuverhindern. Quellen: SeekingAlpha, 27/03/2009; SeekingAlpha, 02/04/2009
(4) Wie auch Großbritannien 1931 in der Weltwirtschaftskrise.
(5) Der IWF hat letztes Jahr bekannt gegeben, im Zuge seinerNeustrukturierung 400 Tonnen Gold verkaufen zu wollen. Und dieÄußerungen des G20 von London über die Goldverkäufe des IWF sind allesandere als klar. Handelt es sich dabei um diese 400 Tonnen, wie letztesJahr angekündigt, oder um weitere Mengen? Jedenfalls wird dieVollversammlung des IWF darüber zu entscheiden haben. Quelle: Reuters, 02/04/2009
(6) Für eine Übersicht über die globalen Goldreserven: Wikipedia.
(7) Quelle: Watoday, 09/03/2009
(8) Seit einigen Jahren haben Änderungen in der Bezeichnung derverschiedenen Bestandteile der US-Goldreserven dazu geführt, dass nichtmehr eindeutig ihre Menge ermittelt werden kann. Ihre Nutzung durch denESF (Exchange Stabilization Fund,dessen Intervention auf dem Devisenmarkt LEAP/E2020 schon im Sommer2008 angeprangert hat, ist Anlaß für Spekulationen, dass die physischenUS-Goldvorräte viel niedriger sind, als sie nach den offiziellenVerlautbarungen sein dürften. Quelle: MarketOracle, 31/01/2007
(9) Wir erinnern noch einmal daran, dass unsere Empfehlungen sich niean Spekulationserwägungen orientieren. Und dass die, die sie dennochdafür missbrauchen, dass Risiko eines Totalverlust wie jeder Spekulanttragen müssen. Angesichts der umfassenden staatlichen Rettungspläne fürBanken ist dies eine Selbstverständlichkeit, die in Vergessenheit zugeraten scheint, so dass ein solcher Hinweis seine Berechtigung hat.
(10) Und damit auch ihre Zertifikate alsbald in physisches Gold umzuwandeln.