In Frankfurt wird das Gerücht verbreitet, die DeutscheBank hätte massive Probleme mit toxischen Wertpapieren. Es soll um eineSumme von 200 Mrd. Euro gehen. Auch von einer Krisensitzung hierzu istdie Rede, deren offizielles Thema die Lage in den USA gewesen seinsoll.
Deutsche Bank real timeManchmal muss man sehr aufpassen, denn die Börse ist voll vonGerüchten. Das Problem ist, der überwiegende Teil dieser Gerüchte sindschlichtweg falsch.
Nur wie soll man herausbekommen, welche Gerüchtefalsch, welche richtig sind?
Wie eigentlich bei allen Nachrichten, dienicht von absolut zuverlässigen Quellen stammen, hilft heutzutageleider nur die eigene Recherche. Und hier sollte man sehr gründlichsein.
Ich lese in letzter Zeit zum Thema Börse, Wirtschaft und Politikderart viel Unsinn, dass man echt verzweifeln will. Gerade das Internethat sich zum Tummelplatz von haltlosen Behauptungen,Verschwörungstheorien und Außenseiterthesen gemausert. Und dieBereitschaft der Menschen, alles zu glauben, was geschrieben steht, istimmer sehr hoch, zu hoch. Doch wie geht man mit einem Gerücht um? Dazuein Beispiel:
Deutsche Bank mit 200 Mrd. Euro in Schieflage?
Ich habe in der letzten Woche eine Mail von einem Kollegenerhalten, dass sich in Frankfurt das Gerücht verbreite, die DeutscheBank hätte massive Probleme mit toxischen Wertpapieren. Es soll um eineSumme von 200 Mrd. Euro gehen. Auch von einer Krisensitzung hierzu seidie Rede, deren offizielles Thema die Lage in den USA gewesen seinsoll.
Passend für ein typisches Gerücht ist die Aussage, dass dieseSchieflage bis zur Wahl natürlich unbedingt geheim gehalten werdensoll. Das ist der Verschwörungsaspekt, der in diesem Fall sogar nochvon der Aussage gekrönt wird, dass allerdings Bundeskanzlerin Merkelbereits informiert sei. Ich neige mittlerweile dazu, solche Gerüchte,die derart typische Merkmale aufweisen, zu ignorieren. Aber wir wollenes einmal als Beispiel nutzen:
1. Schritt: Gesunder Menschenverstand
Zunächst sollte man Börsengerüchten mit dem gesunden Menschenverstand entgegentreten. So kannich mir kaum vorstellen, dass gerade jetzt bei der Deutschen Bank nocheine unerwartete (!) Schieflage durch toxische Wertpapiere auftaucht. Die Banken sollten ihre Bestände mittlerweile kennen. Aber gut, in dieser Krise ist alles möglich, also wer weiß.
In diesen Schritt gehört auch die Frage, ob dieses negativeGerücht nicht von „interessierten Kreisen“ absichtlich gestreut wurde.Das hat meistens den Hintergrund, dass hier Fonds u.a. versuchen, zuguten Kursen in eine Aktie hinein zu kommen, oder ihre Short-Positionenzu verkaufen. Angesichts der schon fortgeschritteneren Kursbewegung derDeutschen Bank halte ich das für eher wenig wahrscheinlich. Zurzeitwären eher kursstützende Gerüchte förderlich, um vielleicht noch zuguten Kursen aussteigen zu können.
2. Schritt: Kursverlauf und Insiderverkäufe
Dann sollte man sich in einem zweiten Schritt den Kursverlauf imVergleich zum Index (hier der DAX) anschauen. Denn häufig zeigen sichschlechte Nachrichten (die schon bei Insidern bekannt sind, bevor sie als Gerücht in Umlauf kommen) im Kursverlauf.
Eine leichte relative Schwäche istzu erkennen, allerdings ist die Deutsche Bank gerade in den letztenTagen dabei, diese wieder abzubauen. Das spricht eher gegen diesesGerücht.
Die Schwäche wird wohl vielmehrdamit zu tun haben, dass es gerade im August erhebliche Insiderverkäufebei der Deutschen Bank gegeben hat. Es wurden Aktien im Wert vonmehreren Millionen Euro veräußert. Verkäufer waren unter anderem KevinParker, Leiter des Asset-Managements, Seth Harrison Waugh, Mitglied desGroup Executive Committee und CEO der Deutsche Bank America.
Diese Insiderverkäufe sind unschönund tendenziell geeignet das Gerücht zu untermauern. Es gibt eineBörsenweisheit, nach der man immer sehr vorsichtig sein muss,wenn Insider Deutsche Bank Aktien verkaufen. Oft kamen Verkäufe einoder zwei Monate bevor der Gesamtmarkt sein Hoch gefunden hat, so dieThese.
Aber solche Insiderverkäufe allein sind noch kein Beweis. So gabes zum Beispiel Insider der Deutschen Bank, die in der Nähe derTiefstkurse Aktien veräußert haben, also zu einem sehr ungünstigenZeitpunkt. Gerade der oben genannte Kevin Parker hat noch am 26.02.09Aktien 22.499 Aktien zu 21,59 Euro verkauft. Auch im April und Mai gabes zahlreiche Verkäufe – eindeutig zu früh.
Die Henne oder das Ei
Es kann sich nämlich auch genauanders herum verhalten halben. Meines Erachtens viel wahrscheinlicherist, dass gerade diese Insiderverkäufe mit der Sorge, dass erst nachder Wahl die eigentlichen Horrornachrichten kommen, zu eben diesemGerücht geführt haben. Aber das gehört eigentlich in Schritt 1.
3. Schritt: Welche Nachrichten kommen aus der Firma selbst
Liest man das Interview, das NorbertWalter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, der Euro am Sonntag gegebenhat, so finden sich dort viele Dinge, die ich bereits vor meinem Urlaubhier im Steffens Daily immer wieder angemahnt habe.
Auch er beschreibtdie aktuelle Hausse als liquiditätsgetrieben und meint, dass die hoheAktienbewertung so lange fortbestehen wird, wie dieNiedrigzinspolitik anhält. Er ist der Auffassung, dass die Aktienmärkteim kommenden Jahr getestet werden, wenn die Fed die Zinsen anhebenwird.
Es scheint ein wenig so, als traueauch Norbert Walter der aktuellen Rally nicht über den Weg. Undnatürlich würden, wenn sich eine solche Meinung in der Deutschen Bankverbreitet, auch die Insider aussteigen. Und das möglichst früh, nochbevor der Markt das spitz kriegt.
Gegen das Gerücht spricht zudem,dass Josef Ackermann auf einer Bankertagung für die Finanzmärkte einLicht am Ende des Tunnels sieht. Das allerdings nicht ohne daraufhinzuweisen, dass er das Gleiche bereits vor einem Jahr gesagt hat undzwar genau eine Woche bevor die US-Investmentbank Lehman Brotherszusammengebrochen ist.
Ein leicht zynischer und nicht ganz ernst gemeinter Einschub
Als paranoiderVerschwörungstheoretiker könnte man natürlich auf die Idee kommen, dassdie Aussage: „Licht am Ende des Tunnels“ so etwas wie ein Geheimcodefür eine große Krise sei, die kurz bevorsteht. Das ist aber natürlichUnsinn und eher Stoff für zweitklassige Thriller.
Übernahme von der Sal. Oppenheim noch im Gespräch
Etwas anderes sollte jedochberuhigen. Josef Ackermann betonte eben bei dieser Tagung, dass dieDeutsche Bank derzeit die Bücher der Sal Oppenheim prüfe. In dernächsten Woche werde die Deutsche Bank ankündigen, was die nächstenSchritte sein werden. Finanzkreisen zufolge, will die Deutsche Bankzunächst Anteile in Höhe von 30 bis 50 Prozent erwerben, später solldann die Mehrheitsübernahme folgen.
Es ist eher unwahrscheinlich, dassAckermann bekräftigt, nächste Woche Näheres zu dieser Übernahme bekanntzu geben, wenn es eine Schieflage von 200 Mrd. Euro zu beichten gäbe. Das wäre schon sehr zynisch.
Allerdings wurde vor etwas übereiner Woche bekannt, dass der Kauf von Teilen der ABN Amro durch dieDeutsche Bank geplatzt ist. Hm..
Fazit:
Fassen wir zusammen: Wir haben einunbestätigtes Gerücht, dessen eigentlicher Ursprung nicht bekannt ist.Wir haben eine Kursentwicklung, die eine relative Schwäche abbaut. Wirsehen Insiderverkäufe. Das mag etwas bedenklich sein. Doch auch imFebruar, April und Mai gab es nicht unerhebliche Verkäufe, ohne dasetwas geschehen ist. Diese Insiderverkäufe könnten also auch andersmotiviert sein.
Ein Grund könnte sein, dass die Insider davon ausgehen,dass die aktuelle Rallye kein Fundament hat. Eventuell wissen die Jungsin den Chefetagen auch, dass zum Beispiel die Fed morgen nach derFOMC-Sitzung Zinserhöhungen für 2010 o.ä. ankündigen wird. JosefAckermann zeigt sich optimistisch und spricht immer noch von derÜbernahme der Sal. Oppenheimer. Auch das passt nicht ins Bild.
Fasst man all das zusammen, bleibtvielleicht eine Wahrheitswahrscheinlichkeit von höchstens 15-20 %übrig. Das Problem bei Gerüchten ist allerdings, dass man sich letztenEndes auch nach einer intensiven Recherche nie sicher sein kann, ob siestimmen oder falsch sind. DasErgebnis wird also meistens unbefriedigend bleiben.
Da jedoch diemeisten Gerüchte aus unbestätigten Quellen falsch sind, sollte mangrundsätzlich erst einmal davon ausgehen, dass auch das aktuelleGerücht nicht stimmt, es sei denn man findet deutliche Hinweise, die esbestätigen.
Steffens Daily --->stockstreet.de
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