Deutschland hat gewählt. Wird diese Wahl einen Einflussauf die Wirtschaft und damit auch auf die Börse haben? Der Einfluss der deutschen Politik auf dasWirtschaftswachstum und die Arbeitslosenquote wird massiv überschätzt.
Überschätzter Einfluss
Doch bei dieser Thematik wird immer wieder der kurz- bismittelfristige Einfluss der deutschen Politik auf dasWirtschaftswachstum in Deutschland und somit auch auf die Entwicklungder Arbeitslosenquote etc. massiv überschätzt. Wir als Börsianerwissen, dass die Musik anderswo spielt. Die allernächste ZukunftDeutschlands hängt nicht davon ab, welche Volksparteien regieren,sondern davon, was in den USA geschieht und wie sich dementsprechenddie Weltwirtschaft entwickelt.
Es hängt davon ab, ob sich die US-Wirtschaft erholen wird
Der Erfolg der gerade gewählten schwarz-gelben Koalition wirddamit hauptsächlich davon abhängen, ob sich die US-Wirtschaft in dennächsten vier Jahren nachhaltig erholt. Noch hat die USA die Rolle alsLokomotive der Weltwirtschaft inne. Und nur wenn die Weltwirtschaftanzieht, wird auch Deutschland als Exportweltmeister davon profitierenkönnen.
Europa als Handelspartner
Gut drei Viertel der Ausfuhren von Waren „Made in Germany“ werdenallerdings in europäische Länder geliefert. 64 % der Ausfuhren gehendavon direkt an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Also wirdauch hier die Entwicklung der europäischen Wirtschaft einen wesentlichgrößeren Einfluss haben, als Parteien und Politiker. Die europäischeWirtschaft ist natürlich aufgrund ihrer weltweiten Verflechtungwiederum vergleichsweise abhängig von der Weltwirtschaft.
Dazu ein Diagramm. Dargestellt ist die Rangfolge der 20wichtigsten Handelspartner Deutschlands nach dem Wert der Exporte.Interessant ist, dass mehr Waren(wert) nach Frankreich als in die USAexportiert werden. China liegt „nur“ an elfter Stelle. Nach den USAkommen Großbritannien, die Niederlande, Italien, Österreich, Belgienund Spanien, alles EU-Länder.
Über 50 % Export
Beeindruckender in dem oben genannten Zusammenhang ist jedoch eineandere Grafik. Sie zeigt, wie sehr Deutschland vom Export abhängig ist:
Die Exporte haben einen Anteil von fast 51 % amBruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik Deutschland. Im Vergleich dazuist der Anteil der Exporte einiger ausgewählter Länder dargestellt. DieUnterschiede sind deutlich. Die USA ist mit einem Anteil von 13 % weitabgeschlagen. In den USA werden also innenpolitische Entscheidungenunter Umständen sogar einen erheblichen Einfluss auf dasUS-Wirtschaftswachstum haben können.
Das BIP
Das Bruttoinlandsprodukt gibt den Gesamtwert aller Güter (Warenund Dienstleistungen) an, die innerhalb eines Jahres innerhalb derLandesgrenzen einer Volkswirtschaft hergestellt wurden und demEndverbrauch dienen.
Wenn schon über 50 % des BIPs in Deutschland vom Export abhängigsind und man dazu rechnet, wie viele Waren und Dienstleistungen nichtzyklisch, also nicht oder kaum abhängig von wirtschaftlichenEntwicklungen sind (z.B. Lebensmittel), wird deutlich, auf wie wenigAnteil des BIPs die deutsche Politik tatsächlich Einfluss nehmen kann.Hinzu kommt, dass die meisten Mittel, wie z.B. Steuererleichterungenoder anderes selbst wiederum nur partielle oder indirekte Auswirkungenhaben.
Fasst man das alles zusammen, enttarnt sich endgültig wiebedauerlich niedrig der kurzfristige Einfluss der Politik auf dasWirtschaftswachstum und damit auch auf die Entwicklung derArbeitslosenquote in Deutschland ist. Oder vereinfacht ausgedrückt:Boomt die Weltwirtschaft geht es Deutschland gut, tut sie das nicht,geht es Deutschland schlecht.
Und damit ist auch erläutert, warum die europäischen Börsen sostark auf Veränderungen an den US-Börsen reagieren und es bisher nichtgeschafft haben, sich diesem Sog zu entziehen.
Geschmückt mit fremden Federn
Umso amüsanter finde ich, wenn Politiker der jeweiligen Parteieneinen Wirtschaftsaufschwung, die Verringerung der Arbeitslosenzahlen(sofern er nicht nur „schön gerechnet“ ist) und anderes als Verdienstihrer eigenen Arbeit bezeichnen. Meistens, wie man auch in 2005 bis2007 gesehen hat, sind solche Erfolge eher Folgen der positivenweltwirtschaftlichen Entwicklung gewesen.
Deutschland zwischen Euphorie und Sorgen
Wenn Sie sich also fragen, welchen Einfluss die schwarz-gelbePolitik nun auf die Entwicklung Deutschlands in den nächsten vierJahren haben wird, kann ich – je nach Ihrer politischen Einstellung –entweder Ihre Sorgen verringern oder muss Ihre Euphorie dämpfen. Eswird nicht viel passieren, und das, was schließlich tatsächlichpassiert, hängt zu einem großen Teil eben nicht von politischenEntscheidungen in unserem kleinen Deutschland ab.
Die langfristige Entwicklung
Doch Politik ist natürlich nicht unnütz. Ich habe immergeschrieben „kurzfristigen“ Einfluss. Eigentlich müssten sich diePolitiker vielmehr mit den langfristigen Entwicklungen des Landesbeschäftigen. Und hier sind Themen wie Bildungspolitik,Familienpolitik, demographische Entwicklungen, Standortfaktoren,technologische Forschung und die Frage der langfristigenwirtschaftlichen Ausrichtung von sehr zentraler Bedeutung. Doch seinenwir ehrlich, ausgerechnet da, wo die Politik wirklich Einfluss nehmenkann, wurde in den letzten Jahrzehnten vielfach von allenregierungsbildenden Parteien einiges verschlafen.
Politische Börsen haben kurze Beine
Heute aber feiert der DAX erst einmal den Wahlausgang. Auch dasist typisch. In den meisten Ländern reagiert die Börse positiv, wennkonservative Parteien an die Macht kommen. Es kann sein, dass der DAXnoch einige Tage zum Markt eine gewisse Outperformance aufweist, dannwird die Wahl das sein, was die Börse schon immer schnelllebig gemachthat: eine Nachricht von gestern...