Im Streit um die Frage, ob die schwer angeschlagene HSH Nordbank im November
2008 ohne rechtliche Verpflichtung 45 Millionen Dollar an die Investmentbank Goldman
Sachs gezahlt hat, sind interne Mails aus der HSH-Rechtsabteilung aufgetaucht.
Darin hatte der stellvertretende Justitiar im Oktober 2008 durchgängig die Position
vertreten, dass Goldman Sachs keinen Anspruch habe, weil das Unternehmen
die Frist dafür verpasst habe. „Goldman Sachs kann uns rechtlich nicht zu einem Ausgleich
zwingen“, heißt es dort etwa in einer Mail des Hausjuristen, in einer anderen:
„Rechtlich sind wir uns sicher“. Eine Mail gleichen Inhalts ging auch an den damaligen
Vorstandschef Hans Berger und den Vorstand Jochen Friedrich, die mit dem Thema
befasst waren. Die Unterschrift des damaligen Finanzvorstands Dirk Jens Nonnenmacher
auf einem Protokoll deutet zudem darauf hin, dass auch der heutige Vorstandschef
Kenntnis von dem Vorgang hatte; nach Angaben der Bank war Nonnenmacher
damit aber nicht befasst.
Gegen Nonnenmacher, Berger, Friedrich und einen weiteren Vorstand ermittelt die
Staatsanwaltschaft Hamburg wegen des Verdachts der Untreue in dieser Angelegenheit.
Aus dem Mailverkehr und einem internen Revisionsbericht geht hervor, dass Berger
und Friedrich zunächst ebenfalls eine Zahlung abgelehnt hatten, erst am 30. Oktober
schwenkte die Bank um. Berger will mit der Entscheidung selbst nichts mehr zu
tun gehabt haben; er schied kurz danach aus der Bank aus. Eine mögliche Beteiligung
anderer Vorstände wollte die HSH nicht kommentieren. Nach Angaben der Bank hatte
sie kurz vor dem Schwenk doch noch rechtliche Bedenken bekommen; einen schriftlichen
Beleg konnte sie dafür bisher allerdings nicht vorlegen. Außerdem habe sie vor
dem Hintergrund der dramatischen Lage auf dem Finanzmarkt nach der Pleite der Investmentbank
Lehman Brothers keine unkalkulierbaren Risiken eingehen wollen.
Ein unter Verschluss gehaltenes Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
KPMG aus dem April 2009 stellt fest, dass die Bank durch zahlreiche Versäumnisse
im Risikomanagement zu dieser Zeit nicht mehr wusste, wie viel Geld sie noch hatte.
„Der Vorstand war im Geschäftsjahr 2008 nicht zur jederzeitigen Bestimmung der
Vermögens- und Ertragslage der Bank im Stande“, heißt es in dem Papier, „dies hat
sich von September bis Mitte November 2008 ausgewirkt.“ Verlustrisiken in dreistelliger
Millionenhöhe seien „für mehrere Wochen unerkannt“ geblieben. Noch Ende
2008 habe die Bank Papiere in ihren Büchern im Vergleich zum Marktwert mit gut 2,2
Milliarden Euro zu hoch angesetzt. DER SPIEGEL 42/2009