DIW-Konjunkturprognose Herbst 2009: 1,3 Prozent Plus - aber noch kein stabiles Wachstum. Arbeitslosigkeit wächst, aber der Anstieg hält sich in Grenzen. Öffentliche Haushalte: Defizite in ungekannter Höhe.
1,3 Prozent Plus - aber noch kein stabiles Wachstum Nach einem beispiellosen Absturz der Produktion kehrt dieWirtschaft in Deutschland wieder auf einen Wachstumspfad zurück.Allerdings ist die konjunkturelle Belebung noch nicht stabil, und dieZuwachsraten werden insgesamt nur bescheiden ausfallen - das ist diezentrale Aussage der Herbstprognose des DIW Berlin. Das DIW Berlinerwartet für 2010 eine Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsproduktsvon 1,3 Prozent. Dies liegt zwar über dem Wachstum im Euroraum (0,8Prozent). Euphorie ist allerdings nicht angesagt: So wird der Einbruchim Prognosezeitraum auch nicht annähernd überwunden: Ende 2010 wirdgerade einmal wieder die Wirtschaftsleistung von Anfang 2006 erreichtsein.
Weltwirtschaft zieht Deutschland mit, aber verspätet Das Wachstum der Weltwirtschaft findet im Prognosezeitraumvorwiegend in asiatischen Schwellenländern statt, die bisher nicht zuden Hauptabsatzgebieten deutscher Exporte zählen. Die Nachfrage nachInvestitionsgütern aus dem Ausland - eine der Domänen deutscher Exporte- dürfte sich wegen der Unterauslastungen der Kapazitäten zunächst nurschwach entwickeln. Daneben wird die Erholung durch einmalige Faktorenbegünstigt. Dazu zählen insbesondere die expansivenwirtschaftspolitischen Maßnahmen. Die Konjunkturprogramme haben dieöffentliche Verschuldung in vielen Ländern massiv erhöht, so dassmittelfristig ein enormer Konsolidierungsbedarf besteht. DerKonsolidierungsdruck wird noch verstärkt, weil das Produktionspotenzialin den nächsten Jahren schwächer zulegen wird. Das Finanzsystem isttrotz der staatlichen Rettungsmaßnahmen nach wie vor angeschlagen undstellt einen weiteren Risikofaktor für die Entwicklung dar.
Arbeitslosigkeit wächst, aber der Anstieg hält sich in Grenzen Für 2010 wird ein Anstieg der Arbeitslosigkeit auf etwas mehr alsvier Millionen Erwerbslose prognostiziert. Damit sind zwar Einbußen amArbeitsmarkt zu erwarten. Sie werden jedoch weniger stark ausfallen alszunächst befürchtet. Die Unternehmen haben auf den abruptenNachfrageausfall vor allem mit Arbeitszeitverkürzungen reagiert, auchum Humankapital in den Betrieben zu halten. Da die wirtschaftlicheErholung jedoch eher schwach ausfällt und einen langen Zeitraumbraucht, wird sich der Druck auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. In denkommenden Monaten ist deshalb damit zu rechnen, dass die Kurzarbeitzurückgefahren wird und der Personalabbau sich verstärkt. Dabei bleibtdie Krise weiterhin im Wesentlichen auf die exportorientierte Industriebeschränkt. Die Binnennachfrage wird durch die niedrige Inflationgestützt. Die Masseneinkommen werden trotz vermehrter Arbeitslosigkeitwachsen.
Konjunkturprogramme wirken lassen Zusätzliche konjunkturstützende Maßnahmen kommen aus Sicht des DIWBerlin aktuell nicht in Betracht. Verschiedene Maßnahmen haben bereitsjetzt zur Stützung des privaten Konsums beigetragen - auch wenn dieserEffekt bei weitem bescheidener ausfällt als die stimulierende Wirkung,die sich infolge der niedrigeren Energiepreise ergibt. Ein großer Teilder Investitionsimpulse läuft jetzt gerade erst an. Es sind allerdingsZweifel daran angebracht, ob alle Projekte mit den erklärten Zielen derPolitik vereinbar sind, nachhaltig die Wachstumskräfte zu stärken oderzur Reduzierung des Energieverbrauchs beizutragen. DieProduktionseffekte sind oft gering, weil beachtliche Sickerverluste inRechnung zu stellen sind.
Keine "Kreditklemme" sichtbar Gab es im letzten Aufschwung in Deutschland ein deutlichesÜberangebot an Krediten, das geringere Kreditstandards nach sich zog,liegen derzeit Kreditnachfrage und Kreditangebot eng beieinander. Dieszeigen ökonometrische Untersuchungen des DIW Berlin. Eine Kreditklemmeist daher nach wie vor nicht gegeben.
Gleichwohl ist das Risiko nicht auszuschließen, dass es zu einerweiteren Verknappung des Kreditangebots kommen könnte. Denn immerhinist die Eigenkapitalbasis im Finanzsektor deutlich geschrumpft. Das DIWBerlin empfiehlt daher erneut, die Inanspruchnahme staatlicherRekapitalisierungsmittel gesetzlich vorzuschreiben, sobald dasEigenkapital einer Bank ein kritisches Niveau erreicht. DieserSchwellenwert sollte oberhalb der Mindeseigenkapitalanforderung vonBasel II liegen. Mit einer gesetzlichen Pflicht würde die von denBanken gefürchtete Stigmatisierung vermieden.
Öffentliche Haushalte: Defizite in ungekannter Höhe
Trotz der sich abzeichnenden Erholung sind die staatlichenHaushalte in diesem und nächsten Jahr mit Defiziten in bisherungekannter Höhe konfrontiert. Nachdem noch 2008 ein fastausgeglichener Haushalt vorgelegt werden konnte, wird das Defizit 200975 Milliarden Euro und im nächsten Jahr 125 Milliarden Euro betragen.Die Defizitquoten erreichen damit 3,2 bzw. 5,2 Prozent des nominalenBruttoinlandsproduktes. Die Maastricht-Kriterien einer maximalenNettoneuverschuldung von 3 Prozent und einer Schuldenquote vonhöchstens 60 Prozent rücken damit in weite Ferne.
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