Der Aufschwung, die wirtschaftliche Erholung, dasEnde der Rezession: sie alle brauchen Wachstum als Voraussetzung, sonst wird’sdamit nichts. Wachstum setzt wiederum erhöhten Energieverbrauch voraus – dasEine kann es ohne das Andere nicht geben. Schlecht also, wenn die Energiepreisesteigen, denn so erweist sich die “Roadto Recovery“ recht bald als Sackgasse.
Fürdieses Jahrzehnt gilt, das Gold seit der Milleniumswende unaufhaltsam gestiegenist, und auch der Ölpreis ist kontinuierlich nach oben geschnellt, bis erletztes Jahr seinen geschichtlichen Höchststand erreichte. Der Zusammenhangzwischen der derzeitigen Rezession und diesem nie gesehenen Ölpreis wirdangesichts der Finanzkrise gerne vernachlässigt. Dennoch gibt es Studien genug, die einedirekte Verbindung zwischen einer Ölpreis-Rally und einer nachfolgenderRezession ziehen.
DieFinanzkrise begann im Frühjahr 2007 zu greifen; zum gleichen Zeitraum zog derÖlpreis an. Von 50 US-Dollar schnellte er bis Herbst 2008 auf 140 US-Dollar proBarrel. Der Weltwirtschaft brach diese Preisentwicklung das Rückgrat. Zu denGründen und einer akkuraten Einordnung der letztjährigen Entwicklung schreibtJames D. Hamilton von der Wirtschaftsfakultät der Universität von San Diego:
“Whereashistorical oil price shocks were primarily caused by physical disruptions ofsupply, the price run-up of 2007-08 was caused by strong demand confrontingstagnating world production. Although the causes were different, theconsequences for the economy appear to have been very similar to those observedin earlier episodes, with significant effects on overall consumption spendingand purchases of domestic automobiles in particular. In the absence of thosedeclines, it is unlikely that we would have characterized the period 2007:Q4 to2008:Q3 as one of economic recession for the U.S. The experience of 2007-08 should thus be added to thelist of recessions to which oil prices appear to have made a materialcontribution.”[1]
Öl lieferte die Basis für den Siegeszug der Globalisierung: derWelthandel, seine Logistik, die Herstellung der Güter und landwirtschaftlichenProdukte, ein Großteil der Elektrizität – allesamt undenkbar ohne das „schwarzeGold“, welches vor allem aus dem Mittleren Osten stammt. Mag auch dasInformationszeitalter angebrochen sein, noch herrscht das Ölzeitalter mitseinem Zepter.
GOLD/OIL RATIO
Die sogenannte „Gold/Öl-Ratio“(GOR) kommt zustande, indem man den Marktpreis von Gold durch denMarktpreis von Öl dividiert. Diese Ratio gibt das Verhältnis zwischen Gold- undÖlpreis an, d. h.: wie viele Feinunzen Gold ein Barrel Öl kostet bzw. wie vieleBarrel Öl man für eine Unze Gold aufzuwenden hat. Seit sechzig Jahren neigenGold und Öl zu einer synchronen Bewegung, die, von zeitweiligen „Entfremdungen“wie z. B. 1975/76 abgesehen, konstant zu sein scheint. Die durchschnittlicheGold-Öl-Ratio über die vergangenen Jahrzehnte lag bei 14,5. Die Gold/Öl-Ratiosignalisiert eine Gold-Überbewertung (Distributions-Modus) bei einem Stand vongrößer/gleich 20 und eine Gold-Unterbewertung (Akkumulations-Modus) beikleiner/gleich 10.
ImJahre 2001 setzte ein großer Ausreißer zwischen Gold und Öl ein: während Ölrasant zwischen 2001 und 2004 empor stieg, konnte Gold nicht mithalten – wasnicht zuletzt wohl auch auf die künstliche „Preisdeckelung“ des Goldes durchdas Plunge Protection Team zurückzuführen ist.[2] DieGOR erlebte ihr damaliges Allzeittief.
DieUnterbewertung des Goldes war auch 2008 zu beobachten: im August lag dasVerhältnis bei 7,3. Um die Gold-Öl-Ratio bei den Preisen vom August 2008 aufseinen statistischen Durchschnittswert zu bringen, hätte der Ölpreis von 120US-Dollar auf 60 Dollar fallen müssen, während Gold bei 870 US-Dollar proFeinunze stagniert wäre, oder aber der Goldpreis hätte auf 1700 US-Dollarsteigen müssen bei gleichzeitiger Stagnation des Ölpreises um die 120 US-Dollar-Marke.Aufgrund der einsetzenden Rezession, die stets mit weniger Ölverbrauchverbunden ist, fiel der Ölpreis.
Gleichwohlwar angesichts der geopolitischen Lage der Welt, der wachsendenWeltbevölkerung, und einem zurückgehenden Öl-Angebots durch das Phänomen “PeakOil“ nicht davon auszugehen, dass der Ölpreis ins Bodenlose stützte. Öl, dasunverzichtbare Gut, wird allmählich immer knapper, und das lässt Fatih Birolvon der Internationalen Energieagentur erklären: „Die Ära des billigen Öls istvorbei. Das habe ich vor einem Jahr gesagt als die Preise nach dem Hoch imSommer stark gefallen waren, und dabei bleibe ich. Es stimmt zwar, dass derzeithohe Reservekapazitäten vorhanden sind, die Ölproduzenten also sehr schnelldeutlich mehr aus der Erde pumpen könnten. Doch es zeichnet sich schon dienächste Knappheit ab, und das treibt die Preise.“[3]
Der wirtschaftliche Aufschwung wird dafür sorgen, dass dieÖl-Nachfrage steigt – und mit ihr der Preis. Der steigende Ölpreis, siehe oben,ist für die Goldminenbetreiber hingegen Gift. Ein Ölpreis von derzeitig 80US-Dollar müsste einen Goldpreis von 1200 US-Dollar nach sich ziehen, um aufdie Ratio von 15 zu kommen. Durch die Schwäche des Dollars dürfte dies jedochgeschehen. Als krisensichere Anlage werden mehr und mehr Investoren angezogen.Das zurückgehende Angebot wird sein Übriges tun. Von dem Run, der aufs Goldeinsetzt, wenn der Aufschwung, die wirtschaftliche Erholung und das Ende derRezession ausbleiben, gar nicht zu sprechen. Und das scheint sehr realistisch.Jedenfalls bemerkte Steven Kopits, derVorsitzende des New Yorker-Büros der britischenEnergiewirtschaftsberatungsfirma Douglas-Westwood, unlängst mit Blick auf die USA:
”The US has experienced six recessions since 1972. Atleast five of these were associated with oil prices. In every case, when oil consumption inthe US reached 4% percent of GDP, the US went into recession. Right now, 4% of GDPis $80 oil. So that’s my current view: If the oil price exceeds $80, thenexpect the US to fall back into recession.”[4]
Die Grenze von 80 US-Dollar pro Barrel ist dabei, nachhaltig geknackt zu werden: „Adieu, Aufschwung!“, könnte man sagen. Um genau zu gehen, bat der Verfasser dieses Textes den Investment-Manager Marshall Auerback von RAB Capital um eine exklusive Stellungnahme. Sie fällt wie folgt aus:
“ Yes, I tend to agree, but I might disagree with the reasoning. That said, oil at $80 functions like a tax increase in many respects analogous to the Japanese decision to hike the VAT (Value-Added Taxes) in the 1990s at the height of their depression.
But as I've said before,5 a policy which persistently favours financial intermediaries at the expense of the broader economy is both politically and economically unsustainable.
So yes, I agree that the US is in big trouble next year. But don't ignore Europe. For the Fed's swap arrangements with the ECB, the euro might well have evaporated at the height of the crisis and nothing has been done to rectify the structural flaw at the heart of their system.”
Alles in allem: ungemütliche Aussichten.
Quellen:
[1] James D. Hamilton : “Causes and Consequences of theOil Shock of 2007-08“, Department of Economics, UCSan Diego, published February 3, 2009, Revised: April 27, 2009, at: Causes and Consequences of the Oil Shock of 2007–08
[2] sieheLars Schall/MMNews: „Plunge Protection Team in Aktion“, Interview mit FolkerHellmeyer unter: MMnews - Plunge Protection Team in Aktion
[3] JakobSchlandt: „Die Ära des billigen Öls ist vorbei“, Interview für die BerlinerZeitung mit Fatih Birol, veröffentlicht 12. Oktober 2009 unter: www.berlinonline.de