Berlin. Nach den Worten von Bundesinnenminister Thomas de Maizière
ist der Machtzirkel um die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) im Sommer 1990 während der Verhandlungen zum Einheitsvertrag
zwischen der Bundesrepublik und der DDR entstanden. In einem
Interview mit BILD am SONNTAG sagte de Maizière auf eine entsprechende
Frage “Ja, diejenigen, die dabei waren schweißt das fürs Leben
zusammen. Das gilt auch bis heute für mein Verhältnis zu Wolfgang
Schäuble. Das ist die Generation der 89/90er - politisch gemeint!“
Schäuble war damals Verhandlungsführer der Bundesrepublik. Über
seine Teilnahme an den Verhandlungen zum Einigungsvertrag sagte
de Maizière: “Wenn ich jetzt 20 Jahre danach als Innenminister
die Zuständigkeit für die innere Verfasstheit unseres Landes
und die deutsche Einheit bekomme, dann ist das eine wunderbare
Fügung, über die ich mich sehr freue.“
Auf die Frage, unter welchen Umständen er die heutige Bundeskanzlerin
kennengelernt habe, sagte de Maizière: “Ich habe Angela Merkel
Anfang 1990 kennengelernt, als sie noch Pressesprecherin des
Demokratischen Aufbruchs war. Vor der Volkskammerwahl im März
trat der damalige Vorsitzende des Demokratischen Aufbruchs, Wolfgang
Schnur, wegen Stasi-Verstrickungen zurück. Schnur hatte gegenüber
dem Berliner CDU-Chef Eberhard Diepgen im Krankenhaus schriftlich
seinen Rücktritt erklärt. Danach habe ich gemeinsam mit der Pressesprecherin
Angela Merkel eine Pressekonferenz organisiert. Das war unsere
erste Begegnung.“
Über seine persönliche Erinnerung an den 9. November 1989, den
Tag des Mauerfalls, sagte de Maizière: “Ich war damals Pressesprecher
der Westberliner CDU und habe in jener Zeit jeden Tag die DDR-Nachrichtensendung
“Aktuelle Kamera“ gesehen. Da habe ich dann live das merkwürdige
Gestammel von Herrn Schabowski miterlebt. Ich bin an dem Abend
nicht mehr an die Mauer gegangen, weil meine Frau mit unserem
zweiten Kind hochschwanger war und ich sie nicht allein lassen
wollte. Aber am folgenden Wochenende sind wir rüber in den Ostteil
der Stadt. Da haben wir uns dann als Mauerspechte betätigt -
mit Hammer und Meißel.“
Auf die Frage, ob er eher “Ossi“ oder “Wessi“ sei, sagte de Maizière:
“Höchstens ein “Wossi“, wie man früher sagte. Interessant und
auch traurig ist doch, dass die Begriffe “Wessi“ und “Ossi“ nicht
aus der Zeit des geteilten Deutschland stammen, sondern aus der
Zeit des wiedervereinten Deutschland. Ein Teil dessen, was man
Ost-Identität nennt, ist erst in den Jahren nach 1990 entstanden.“
Er selbst habe sich seit dem November 1989 “als Brückenbauer
verstanden. Damals holte mich mein Vetter Lothar de Maizière,
der damalige Ost-CDU-Chef, als Berater. Ich verstand mich danach
nicht mehr als Westdeutscher und noch nicht ganz als Ostdeutscher.“
Der CDU-Politiker weiter: “Politisch und persönlich fühle ich
mich heute als Sachse und in Dresden zu Hause. Da habe ich inzwischen
die längste Zeit meines Lebens ununterbrochen verbracht, nämlich
zehn Jahre.“