Für Schmidt war die Öffnung der Mauer eine Vereinigung und einAnschluss zugleich: "Aber das ist zwanzig Jahre her, und inzwischen istes eine Vereinigung geworden. Die Misslichkeiten des Anschlussesverlieren an Bedeutung, in weiteren zwanzig Jahren werden sieverschwunden sein." Mehrere Faktoren haben seiner Meinung nach ganzerheblich zur Verzögerung des Zusammenwachsens beigetragen. So sei esabwegig, "jemanden, der eine Maschinenfabrik oder ein Elektrizitätswerkin Ost-Berlin geleitet hat, nur deswegen abzulösen, weil er der StasiMitteilungen gemacht hat ... Die Sache wurde zusätzlich dadurcherschwert, dass ehemalige SED-Mitglieder, heute sind es eigentlich nurnoch die ehemaligen Stasi-Zuträger, abgelehnt wurden, während die'Blockflöten', die Mitglieder der Blockparteien, alle aufgenommenwurden, obwohl sie auch nicht anders waren als die anderen DDR-Bürger.Außerdem kam hinzu, dass in der ehemaligen DDR über Nacht 80.000 oder100.000 westdeutsche Paragrafen in Kraft traten, mit denen dort niemandumgehen konnte, weshalb viele Ämter und Behörden mit zweitklassigenWessis besetzt werden mussten."
Helmut Schmidt äußert sich zum zweiten Mal in der Kolumne "VerstehenSie das, Herr Schmidt?" im Gespräch mit ZEIT-Chefredakteur Giovanni diLorenzo zu aktuellen Fragen der Politik. Diese Kolumne erscheint inloser Folge.