Der ehemalige Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Werner Marnette, erhebt im Zuge der Krise bei der HSH Nordbank erneut schwere Vorwürfe gegen Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und Finanzminister Rainer Wiegard (beide CDU). Wie das Hamburger Magazin stern in seiner neuen, am Donnerstag erscheinenden Ausgabe berichtet, bezichtigt Marnette seinen Parteifreund Carstensen, auf Anfragen des Parlaments die Unwahrheit gesagt zu haben. Seinem früheren Kabinettskollegen Wiegard wirft er vor, er habe "seit Herbst 2008 alles versucht, jegliche Information über die tatsächliche Situation der HSH zurückzuhalten, zu verzögern beziehungsweise einer kritischen Prüfung zu unterziehen".
Marnette war Ende März als Wirtschaftsminister zurückgetreten, weil er den Kurs der Kieler Regierung bei der finanziell stark angeschlagenen Landesbank nicht mehr mittragen wollte. Die HSH Nordbank, die zu 85,5 Prozent den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein gehört, konnte nur durch Milliarden aus der Steuerkasse vor der Schließung bewahrt werden.
In Interviews meldete sich Marnette seitdem wiederholt kritisch zu Wort. Seine jetzigen Äußerungen besitzen jedoch eine neue Qualität: Marnette hat seine Sicht der Abläufe im Kieler Kabinett in einem politischen Tagebuch dokumentiert. Die Aufzeichnungen, die dem stern vorliegen, will der Ex-Minister nun dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Kiel zur Verfügung stellen, der die Misere der Landesbank derzeit aufarbeitet. Über das Krisenmanagement des Ministerpräsidenten notiert Marnette zum Beispiel am 27. Februar 2009: "MP Carstensen reagiert sehr ärgerlich auf die ihm soeben vorgelegte handschriftliche Notiz von mir zur HSH Nordbank. Inhaltlich wollte er dazu nicht Stellung beziehen. Er ermahnte, dass wir aufhören sollten, Schriftstücke zu verschicken."
Als Vertreter der Kieler Regierung saß Finanzminister Wiegard in allen entscheidenden Kontrollgremien der HSH Nordbank. Er weist Marnettes Vorwürfe zurück. Ministerpräsident Carstensen gab bereits früher auf eine Anfrage der Grünen in Kiel hin an, der frühere Wirtschaftsminister sei mehrfach und umfassend informiert worden. Marnette bestreitet dies weiterhin beharrlich. In seinem Entwurf für den Untersuchungsausschuss heißt es: "Die Aussagen des Ministerpräsidenten bezüglich Inhalt und Umfang des Informationsaustausches sowie des Engagements des Finanzministers entsprechen nicht den Tatsachen."