2010 wird das Jahr, in dem sich Rauf und Runterdie Waage halten: Rauf die Steuern, runter die Renten undSozialleistungen. Wegen wachsenderZahl der Bankrotte von Staaten, Regionen und Gemeinden werden dieZinsen steigen. Regierungen und Zentralbanken haben die Wette auf denwirtschaftlichen Aufschwung, die sie mit den Rettungsschirmen fürBanken und Konjunkturprogramme eingegangen waren, verloren.
Eine Analyse des GlobalEurope Anticipation Bulletin (GEAB)
Nach unserer Auffassung wird die umfassende weltweite Krise im Frühjahr2010 einen neuen Höhepunkt erreichen. Dann wird offensichtlichwerden, dass die bisherigen Konjunkturprogramme ohne Aufschwungswirkungverpufft sind (1) und neue Maßnahmen erforderlich werden. Doch dannwerden die Finanzen in einem so desolaten Zustand sein,dass dafür die Möglichkeit schlichtweg nicht gegeben ist.
Die Regierungen haben sich jedochdurch eigenes Versagen in diese Lage gebracht. Denn sie brachten nichtden Mut auf, die Banken für ihre Fehler und Geschäftspraktiken denPreis zahlen zu lassen (2). Jetzt werden die Rechnung an dieMittelklasse und Rentner weitergereicht. Und für die Armen ist auchkein Geld mehr da (3). 2010 wird das Jahr, in dem sich Rauf und Runterdie Waage halten: Rauf die Steuern, runter die Renten undSozialleistungen.
Vor dem Hintergrund der wachsendenZahl der Bankrotte von Staaten, Regionen und Gemeinden werden dieZinsen steigen. Und dennoch wird das Kapital in Sorgen um dieSicherheit der Anlagen in Gold flüchten.
Da es der internationalenPolitik nicht gelungen ist, eine internationale Alternativleitwährungfür den schwächelnden Dollar zu schaffen und einen Ersatz für die anWert verlierenden (insbs. amerikanischen) Staatsanleihen zu finden,werden die Zentralbanken der Welt, auch wenn sie es noch nicht offeneingestehen, Währungsreserven in Gold aufbauen müssen.
Dagegen mag dieUS-Zentralbank ihren Einfluss geltend zu machen versuchen; es wird ihrmit all ihrem Sträuben nicht gelingen, diese Entwicklung zu verhindern.Die Regierungen und Zentralbanken haben die Wette auf denwirtschaftlichen Aufschwung, die sie mit den Rettungsschirmen fürBanken und Konjunkturprogramme eingegangen waren, verloren (4).
Nun istunvermeidlich, dass die Krise einen weiteren Höhepunkt ihresVerlaufs erreicht und sich erneut beschleunigt. Nach unserer Auffassungwerden ab Frühjahr 2009 die 20.000 Milliarden US-Dollar fiktiverVermögenswerte (5) in die Sozialsysteme der Staaten einsickern, indenen sie angehäuft wurden.
Die Rangfolge der zehn von Staatsbankrott meistgefährdeten Ländernaufgrund hoher Verschuldung im Verhältnis zum BSP (blau: öffentlicheSchuldenlast; orange: private Schuldenlast) – Quelle: Crédit Suisse,03/2009
Wir hatten in der 39. Ausgabe des GEAB vorhergesagt, dass drei Trendsdas Jahr 2010 prägen würden, und einer davon sei Staatsbankrotte (7).Die neuesten Nachrichten bestätigen diese Vorhersage:
- Dubai und Griechenland stehen kurz vor der Pleite;
- die Rating-Agenturen kündigen an, die Einstufung der amerikanischen und britischen Anleihen überprüfen zu wollen;
- die irische Regierung muss massiv ihre Ausgaben kürzen;
- in der Eurozone explodieren die öffentlichen Defizite;
- die Staaten stehen vor immer größeren Schwierigkeiten, ihre Schulden zu bedienen.
Die Informationsflut, die sich aus den Medien ergießt, mussman jedoch in zwei große Kategorien unterschiedlicher Relevanzunterteilen: Vieles ist nur oberflächliche Schilderung der Ereignisseund unreflektierte Reproduktion der Meldungen der herrschendenveröffentlichten Meinung; anderes widmet sich tatsächlich den wahrenUrsachen und Folgen der Krise.
Unter der Rubrik « Hirngespinste » möchten wir die Berichterstattung zum Thema Griechenland unter die Lupe nehmen.
Griechische Schuldenkrise: Kleines Problem für Frankfurt und strenge Warnung für Washington und London
Mit der griechischen Schuldenkrise stoßen wir auf die Variation einesThemas, über das wir bereits in der 33. Ausgabe vom März 2009 (GEAB N°33geschrieben haben. Damals berichtete die Presse lang und breit über dieGefahr der Insolvenz ost-europäischer Staaten. Das würde daseuropäische Bankensystem und den Euro in eine massive Krise reißen.
Wirhaben damals ausgeführt, dass diese These auf keiner festen Grundlageruhe und es sich dabei lediglich „um einen massiven Versuch der WallStreet und Londoner City handelt, das EU-Bankensystem und den Euro mitständigen Meldungen über die prekäre wirtschaftliche Lage in Osteuropazu destabilisieren, die massive Kreditrisiken für west-europäischeBanken mit sich brächte.
Eines der Ziele dieser Kampagne ist, von demsich beschleunigenden Zusammenbruch des britischen und desamerikanischen Finanzsystems abzulenken und die Eurozone im Vorfeld desG20- zu schwächen.“
Im Fall Griechenlands wird nun dasgleiche Spiel gespielt. Das soll nicht heißen, dass es in Griechenlandkeine Krise der öffentlichen Finanzen gäbe; die ist sehr wohl real.Aber ihre Gefahren für die Eurozone werden übertrieben. In Wirklichkeitist diese Krise eine Facette der Krise der Staatsanleihen, undStaatsanleihen sind in erster Linie die Achillesferse der USA undGroßbritanniens (9).
Zuerst einmal ist in Erinnerung zurufen, dass Griechenland ein EU-Mitgliedstaat ist, der eigentlich nierichtig in der EU angekommen ist. Seit 1982 ist die EU für die sichnachfolgenden griechischen Regierungen nur eine Milchkuh fürunerschöpfliche Subventionen.
Eine Modernisierung der wirtschaftlichenoder sozialen Strukturen des Landes wurde verschlafen. 2008 (10) wurdeGriechenland aus Brüssel mit Subventionen in Höhe von 3% des nationalenBSP versorgt. Seit 30 Jahren hängt Griechenland am Subventionstropf dereuropäischen Institutionen.
Die desolate Lage der griechischenöffentlichen Finanzen ist daher nichts weiter als die Folge undFortsetzung einer langen Entwicklung. Die Verantwortlichen der Eurozonewussten schon seit langer Zeit, dass sich Griechenland eines Tages zumProblem auswachsen würde.
Ausgabe von Staatsanleihen 2009 (in Milliarden US-Dollar) - Quelle: PhoenixProject, 07/2009
Aber das griechische BSP macht nur 2,5% des BSP der Eurozone und 1,9%des BSP der EU aus. Bei so einem geringen Gewicht kann auch eingriechischer Staatsbankrott keine massive Gefahr für den Euro und dieEurozone darstellen.
Im Vergleich dazu ist der mögliche BankrottKaliforniens mit einem zwölfprozentigen Anteil am US-BSP ungleichgefährlicher für die Stabilität des US-Dollars und der amerikanischenWirtschaft. Es ist auffällig, dass, wenn über die Gefahren für dieEurozone geschrieben wird, in der Regel die gesamte Liste der Länderaufgeführt, wird, deren Staatshaushalt sich tief in den roten Zahlenbefindet, also Spanien, Irland, Portugal; wir sind sogar damiteinverstanden, auch Deutschland und Frankreich in den Topf zu werfen.
Aber wer objektiv über Währungskrisen schreiben möchte, muss dann auchanführen, dass in den USA nicht nur der Bund so gut wie bankrott ist(11); nur noch dank des unbegrenzten Aufkaufs der US-Staatsanleihendurch die US – Zentralbank vermag er liquide zu verbleiben (vulgo:Gelddrucken): 48 der 50 Teilstaaten haben exponentiell steigendeHaushaltsdefizite zu verzeichnen (12). Deshalb brachte die die über dieUS-Staaten und die Gemeinden schreibende Internetseite Stateline, am 14. Dezember die Schlagzeile: Alptraumszenarien quälen die Staaten. Fast alle US-Staaten stehen heute vor der konkreten Gefahr, im nächsten oder übernächsten Jahr zahlungsunfähig zu sein.
Die Eurozone hat nicht nur die weltweit größten Goldreserven (13); inihr sind auch Staaten vertreten, die bis zum letzten JahrHaushaltsüberschüsse verzeichnen konnten und die bis heuteAußenhandelsüberschüsse erwirtschaften; und ihre Zentralbank hat sichin der Krise nicht als Abfallplatz für „toxische“ Wertpapiere oderfiktive Anlagen zur Verfügung gestellt – im Gegensatz zurUS-Zentralbank. Wenn sich aus der griechischen Schuldenkrise eineGefahr ablesen lässt, dann ist es nicht die des Auseinanderbrechens derEurozone. Sie ist vielmehr das Vorzeichen einer anderen Gefahr, die2010 sehr wohl reell werden kann: Weltweit beträgt das Volumen derStaatsanleihen 49.500 Milliarden US-Dollar; in nur zwei Jahren ist esum 45% angestiegen; Staatsanleihen sind heute eine Anlageblase, diejederzeit explodieren kann (14).
Dass die amerikanischenRating-Agenturen erst nach der Insolvenzerklärung der dubaiischenStaatsunternehmen gewisse Staatsschulden herabgestuft haben, beweistwiederum einmal, dass diese Agenturen das Risiko von Anlagen nichtrichtig bewerten können (oder wollen).
Sie sahen nicht die Krise dersubprime voraus, sie sahen nicht den Kollaps von Lehman Brothersvoraus, auch nicht die Probleme von AIG und von Dubai. Da sieunmittelbar von der US-Regierung abhängig sind (15), können sienatürlich auch keine unabhängigen Einschätzungen über die Bonität derUSA abgeben. Und auch ich nicht über die von Großbritannien, das einwichtiges Element des aktuellen Weltwährungssystems ist, das für dieUSA so segensreich ist .
Wir stimmen jedoch insoweit mit ihnen überein,als wir aus ihren Herabstufungen einiger Staatsschulden eine allgemeineWarnung über eine bevorstehende Krise beim Markt für Staatsanleihenherauslesen. Und auf diesem Markt sind die gefährdetsten Länder die USAund Großbritannien.
Aber selbst gegenüber diesen beidenLänder sprechen die Rating-Agenturen allmählich eine eindeutigereSprache. Hieß es bisher immer, dass in diesen Ländern (16) wegen derStärke ihrer Volkswirtschaften und der soliden Wirtschaftspolitik einStaatsbankrott ausgeschlossen wäre, so fordern die Agenturen heute vonderen Regierungen, dass sie schon ab dem nächsten Jahr anhand ebendieser Kriterien nachweisen, weiterhin die beste Einstufung AAA zuverdienen, die ermöglicht, gegen niedrigste Zinsen Kredit aufzunehmen(17). Wenn sogar die Rating-Agenturen anfangen, Nachweise über dieKreditwürdigkeit der amerikanischen und britischen Regierung zuverlangen, ist dies der Beweis, dass die Lage zu kippen beginnt.
Wir gehen davon aus, dass die aktuelle Lage in dreifacher Hinsicht positiv für die Eurozone ist:
- Sie zwingt die Mitgliedsländer der Eurozone festzulegen, bis zuwelchem Grad sie zu Solidarität in der Eurozone bereit sind, um denStaatsbankrott und damit das Ausscheiden eines Landes aus der Eurozonezu vermeiden. Das hat dann auch den Vorteil, dass die hämischenZaungäste des angeblichen Scheiterns der europäischen Währungsunnionnicht mehr die zwei Optionen zum schlimmsten möglichen Fall aufaddierenkönnen. Entweder wird Griechenland in der Finanzkrise auf sich alleingestellt sein, dann geht von seinem Bankrott auch keine Gefahr für dieEurozone aus. Oder es kann auf die Unterstützung der anderen Euroländerrechnen, dann wird es nicht zu einem Staatsbankrott und damit zu einerSchwächung der Eurozone kommen.
- Sie zwingt die griechische Regierungdazu, endlich ihre Hausaufgaben zu machen, und mit Hilfe der EU dieFinanzen zu sanieren und die grassierende Korruption undVetternwirtschaft zu bekämpfen (18).
- Sie dient den anderen Regierungender EU-Mitgliedstaaten (und darüber hinaus) als Lehrstück dafür, waspassiert, wenn man die Wirtschafts- und Sozialstatistiken eines Landeszu lange manipuliert; ein Land stürzt damit tiefer in die Krise als esnotwendig wäre. Allerdings machen wir uns insofern wenig Hoffnung, dassandere Länder dem Beispiel des griechischen Premierminister folgenkönnten, jedenfalls nicht Großbritannien, Frankreich und Deutschland,solange dort nicht neue Regierungen ans Ruder kommen.
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