Der erste Prozess in der Siemens-Schmiergeldaffäre dürfte zu einem unwillkommenen Aufeinandertreffen früherer und jetziger Siemens-Vorstände werden, berichtet "Der Spiegel". Nebendem amtierenden Finanzvorstand Joe Kaeser sollen auch die ehemaligen Siemens-Top-Manager Heinz-Joachim Neubürger, Volker Jung und Thomas Ganswindtim Prozess gegen den langjährigen Siemens-Direktor Reinhard S. vor der 5. Straf-kammer des Münchner Landgerichts aussagen, der in der nächsten Woche beginnt.
Der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer steht am 20. Juni ebenfalls vor Gericht – allerdings nur als Zeuge. Die Staatsanwaltschaft wirft Reinhard S. Untreuein 58 Fällen vor. Er soll zwischen 2001 und 2004 die schwarzen Kassen in der Siemens-Kommunikationssparte organisiert haben, über die Schmiergelder in dreistelliger Millionenhöhe von mindestens 200 Millionen Euro an Entscheidungsträgerin aller Welt geflossen sein sollen.
Als Erster der ehemaligen Siemens-Führung muss Ex-Zentralvorstand Thomas Ganswindt am 12. Juni in den Zeugenstand. Ganswindt,der in der Affäre selbst Beschuldigter ist, war zwischen 2004 und 2006 für die Com-Sparte des Konzerns zuständig. Die inzwischen ebenfalls beschuldigten früheren Siemens-Bosse Heinz-Joachim Neubürger (Finanzen) und Volker Jung (Telekommunikation) werden am 16. beziehungsweise 18. Juni vernommen.
Besonders span-nend dürfte die Aussage des ehemaligen Leiters der Anti-Korruptions-Abteilung, Albrecht Schäfer, werden. Der hatte zuletzt in der Siemensinternen Untersuchungmehrere Dokumente vorgelegt, wonach weite Teile des Zentralvorstands vonSchmiergeldzahlungen im Konzern informiert worden waren.
Auch der heutige Finanzvorstand Joe Kaeser soll vor Gericht Rede und Antwort stehen. Kaeser ist nichtbeschuldigt, war aber zeitweise in der Mobilfunk-Sparte des Konzerns, in der ebenfalls dreistellige Millionenbeträge für die Beschaffung von Aufträgen gezahlt wordensein sollen, für die Finanzen zuständig. Insgesamt sind in dem ersten Verfahren zurSiemens-Korruptionsaffäre bislang 29 Zeugen geladen, 15 Verhandlungstage sindgeplant. Das Urteil soll Ende Juli verkündet werden.