Geld,Wachstum, Energie
Die Dinge sind verwoben ungefährwie folgt. Die Finanzwirtschaft diktiert die Ausrichtung der Realwirtschaft.Sie verlangt von der Realwirtschaft beständiges Wachstum, um sich dieungebremste Geldschöpfung durch das Mindestreserve-Schema bei einhergehender Kapitalisierungder Zinsen, der Zinseszinsen, erlauben zu können. Gibt es kein Wachstum, kollabiertdas System. Grundlage für die Möglichkeit, Wachstum zu erzielen, ist derVerbrauch von Energie.
Energie in Form von Öl und Erdgas versetzt dieRealwirtschaft in die Lage, Arbeit verrichten zu können. Die Energie musserschwinglich und reichlich vorhanden sein. Ist Energie teuer und knapp, kanndas Diktat der Finanzwirtschaft, Wachstum zu erzielen, nicht erreicht werden.Denn teure Energiepreise fahren die Arbeitsproduktion zurück. Summa summarumstehen und fallen alle Vorhaben, die wirtschaftliche Talsohle verlassen zuwollen, mit dem Preis für Energie.
Das„Goldene Dreieck“
Wo finden wir dieEnergievorkommen wie nirgends sonst konzentriert auf der Welt? Richtig, imMittleren Osten. Genauer, im „Goldenen Dreieck“ des Persischen Golfs:
“The triangle startswith Kirkuk at the top of Iraq, comes down the eastern side and in 20-30 mileseast of the Iranian-Persian border, drops down to the bottom of the UAE andcomes across to a leg back up to Kirkuk, which is about 40 miles west of thewestern border of the Persian Gulf.”[1
In diesem verhältnismäßig kleinenRaum lagern die größten Erdölreserven der Welt, nämlich rund 65 Prozent. Wasdort passiert, darf man annehmen, ist bedeutsam für die Preisentwicklung desbegehrten Guts.
Stehen die Zeichen dort auferschwinglich und reichlich vorhanden – oder eher auf teuer und knapp?
Nun, schaut man sich an, wasderzeit im Golf von Aden passiert, mag man die optimistische Variante in Zweifelziehen. Zum einen grenzt der ins Visier genommene Jemen an Saudi-Arabien, wasden USA gewiss entgegen kommt. (Ebenso wie die Tatsache, dass die ganze„Piraterie“, die in der Region stattfindet, dort geschieht, wo eine derHauptschifffahrtslinien für Öltransporte entlangläuft. Und ach ja: der Hort der„Piraterie“, Somalia, besitzt übrigens die größten Uranvorkommen der Welt –nicht unerheblich, wenn es um Energie geht. Man sage jedenfalls nicht, Somaliahabe nichts zu bieten.)
Zum anderen steckt das KönigreichSaudi-Arabien, immerhin der zweitgrößte Öllieferant der USA, inSchwierigkeiten, die bisherige Ölförderung auf hohem Niveau zu halten. VomVersprechen der Vergangenheit, die Produktion steigern zu können, ganzabgesehen. Sollte die Leistungsfähigkeit dauerhaft sinken, wird das über kurzoder lang zur weiteren Radikalisierung großer Bevölkerungsteile führen.
DieGefahr von Anschlägen auf die Förderanlagen wächst. Das ist ungünstig, denn wieSeymour Hersh 2001 berichtete, kam ein geheimes CIA-Papier schon Mitte der1980er Jahre zum Schluss, dass bereits eine Handvoll Explosionsstoffeausreichen dürfte, um die saudischen Ölfelder zwei Jahre lang stillzulegen.[2] Undauch wenn die Nachrichten selten davon sprechen: Terroranschläge auf diesaudischen Raffinerien und die Häfen von Juaymah und Ras Tanura dürften zu dengrößten Risiken für die Weltwirtschaft gehören.
Die Gefahr von Anschlägen auf diesaudischen Öllagerstätten geht aber nicht nur von einer verarmenden saudischenBevölkerung aus, sondern kommt noch von einer anderen Seite: der schiitischen.Wie der Wirtschaftsjournalist F. William Engdahl unlängst während einesVortrages in Berlin erzählte, sind die meisten Arbeiter, die auf den saudischenÖlfeldern beschäftigt werden, traditionell Schiiten. Wer ist die großeSchutzmacht der Schiiten in der Welt? Der Iran. Ist der Iran zurzeit allseitsbeliebt? Eher nicht. Sympathien bekommt er im Großen und Ganzen nur vonRussland, China und „aufmüpfigen“ Staaten in Südamerika.
Russland und China haben im Iranlangfristige Interessen. Sie werden es nicht zu lassen, dass die USA dieseInteressen noch einmal torpedieren wie im Irak, wo die Verträge, die zu ZeitenSaddam Husseins unterschrieben wurden, für null und nichtig erklärt wordensind.
Bis hierhin schon konfliktgeladengenug, die Situation. Nun aber wieder zum Jemen. Wer bekriegt sich denn dort?Sunniten und Schiiten. Letztere werden massiv vom Iran unterstützt. DerRegierung entgleitet zunehmend die Kontrolle. Die Lage ist so zugespitzt, dassin den vergangenen Monaten die letzten Juden, die im Jemen lebten, das Landverlassen mussten. Eine Geschichte von über 3000 Jahren Länge ist zu Ende.
Unterstützung erhält diejemenitische Regierung wiederum von Saudi-Arabien, das befürchten muss, dassdie Gewalt über seine Grenzen schwappt. Weitere arabische Staaten wie Ägyptenund Jordanien eilen ebenfalls zu Hilfe, um zu verhindern, dass der Jemen eineRegierung erhält, die dem Iran zu Diensten ist. Saudi-Arabien würde sich danngeradezu in einer Zange befinden. Ein flüchtiger Blick auf die Landkarte verrätzudem, dass der Iran mit einer schiitischen Regierung dafür sorgen könnte, dasskeine Schiffe mehr den Suez-Kanal erreichen (u. a. daher Ägyptens Interesse andem Konflikt). Außerdem stünde zu erwarten, dass sich die radikalen Kräfte inSaudi-Arabien zumindest zeitweise mit denen der Schiiten verbündeten. Das Zielist erst einmal deckungsgleich: der Sturz des Königshauses Saud.
Auch sollte man nicht aus demBlick verlieren, dass das „Goldene Dreieck“ noch einen anderen Spannungszustandaufweist: den zwischen Iran und Irak. Seit Wochen werden von dortTruppenbewegungen der iranischen Armee im Grenzgebiet zum Irak gemeldet, diemit Gebiets- bzw. Ölansprüchen zu tun haben. Der Irak wiederum beherbergt diegrößten bislang unberührten Ölreserven der Welt. Während Saudi-Arabien dabeiist, seinen Status als “Swing-Producer“ der OPEC zu verlieren, ist der einzigeStaat, der in dem ganzen Kartell diese Rolle übernehmen könnte, der Irak.
Dann ist da natürlich noch derKonflikt, den der Iran insbesondere mit den USA und Israel austrägt. Sollte eszu einem Angriff auf die iranischen Atomanlagen kommen, wird zumindest schoneinmal sofort die Seestraße von Hormus dichtgemacht werden. Das würde bedeuten,dass der Ölnachschub aus Saudi-Arabien, Irak, Kuwait und anderen Staaten derRegion ins Stocken geriete. Das allerdings würden sich die USA, ob an einemisraelischen Luftangriff beteiligt oder nicht, niemals bieten lassen. Für dieweiteren Konsequenzen, die dann folgen müssten, bemühen wir Hamlets letzteWorte: „Und der Rest ist Schweigen.“
$ 80 proBarrel Öl
Insofern scheint es eher angeraten zusein, anzunehmen, dass das Ölangebot teuer und knapp wird dieses Jahr. Immerhinsagte der Vorsitzende der Internationalen Energie Agentur (IEA), Dr. FatihBirol, bereits im August letzten Jahres, dass die Welt auf einen katastrophalenEnergie-Engpass zusteuere, “that couldcripple a global economic recovery because most of the major oil fields in theworld have passed their peak production.“[3] Dasheißt, dass Dr. Birol zu diesem Ergebnis kam, ohne Einbeziehung dergeopolitischen Spannungen im „Goldenen Dreieck“ – ihm reichte dafür ein Blickauf die Produktionsdaten.
Es bleibt dabei, wie in den letzten Jahrenbeobachtet: das Angebot an Öl verengt sich. Immer wenigerneue Lagerstätten von nennenswerter Größe werden entdeckt. Zugleich nimmt dieglobale Nachfrage – auf der Suche nach Wachstum – wieder zu, nachdem dieRezession vorerst dafür gesorgt hatte, sie runterzufahren.
Überhaupt werden in dennächsten fünf Jahren zusätzliche 12, 5 Millionen Barrel an Öl pro Tag benötigt,um den erwarteten Nachfrageanstieg befriedigen zu können. Die Lieferklemme, diedurch die absehbare Lücke entstehen muss, wird die Preise gehörig in die Höhetreiben. Für zusätzlichen Schub sorgt, darauf kann man sich verlassen, dasspekulative Element an den Börsen, das erpicht ist, von dem Trend zu profitieren– und ihn damit gleichsam verstärkt.
Kommen wir aufden Anfang zurück: Geld, Wachstum, Energie. Steven Kolpits, der Leiter des NewYorker Büros von Douglas-Westwood, stellte September letzten Jahres folgendeProzentrechnung für die USA auf:
”The US hasexperienced six recessions since 1972. At least five of these were associatedwith oil prices. In every case, when oil consumption in the US reached 4% percent of GDP, the USwent into recession. Right now, 4% of GDP is $80 oil. So that’s my currentview: If the oil price exceeds $80, then expect the US to fall back into recession.”[4]
DiesePreisgrenze behalte man also im Auge: $ 80 pro Barrel Öl. Die Luft für denAufschwung ist dünn.
Quellen:
[1] vgl. Louise S. Durham: “Saudi supply demandingattention”, veröffentlicht am 3. Januar 2005von der American Association of Petroleum Geologists unter: http://209.85.129.132
[2] vgl. Seymour Hersh: “King'sRansom-How vulnerable are the Saudi royals?“, veröffentlicht in The New Yorker am 16. Oktober2001, online einzusehen unter:
http://www.freerepublic.com
[4] Steve Andrews:“The first peak oil recession”, Interview mit Steven Kopits, veröffentlicht aufEnergy Bulletin am 14. September 2009 unter: http://www.energybulletin.net