Von einem Konsens der Erwartungen für das Jahr 2010 war während der 25. Kapitalanlegertagung in Zürich – diese fand in der vergangenen Woche statt - wenig zu spüren. Beispielsweise reichten die Aussagen für die Renditeerwartungen (10jährige US-Anleihen) von 3,5 bis 5,5 Prozent. Für die Aktienmärkte wurde insgesamt ein eher vorsichtiges Bild gezeichnet, wobei eine tiefgehende Schwäche überwiegend ausgeschlossen wurde. Im Falle der Währungen wurde dem US-Dollar Stärke gegenüber Euro und Yen zugestanden. Für Rohstoffe wird überwiegend eine Phase der Konsolidierung erwartet. Letztendlich erscheint es interessant, sich in der Zusammenfassung auf logische Herleitungen, Denkmodelle sowie interessantes Grundwissen zu konzentrieren.
1. China wird Europa und die USA nicht aus dem Dreck ziehen
Der Stimulus in China betrug dreimal soviel wie in den USA. China dürfte bremsen, aber damit gleichzeitig den Grundstein dafür legen, dass es 2011/12 in eine Rezession rutscht. Auf die Hilfe Chinas können die westlichen Industrieländer nicht zählen (Felix Zulauf).
2. Baby-Boomer wollen keine Inflation
Die US-Baby-Boom-Generation befindet sich kurz vor der Rente. Gleichzeitig besetzen die Baby-Boomer fast alle wichtigen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Positionen. Die Baby-Boomer wollen ihre Ersparnisse erhalten. Inflation bedeutet Umverteilung des Kaptials von Rentner auf die jungen Leute. Die Baby-Boomer werden das nicht zulassen; die politischen Entscheidungen werden entsprechend den Interessen der Baby-Boomer gefällt werden (Stephen King, HSBC).
3. Der übergeordnete Trend ist deflationär
Zentralbanken müssen gegen einen primären Deflationstrend ankämpfen. Schwaches Wachstum plus eine hohe Verschuldung begünstigt Deflation. (mehrere)
4. Der australische Dollar ist eine Ersatzwährung für den chinesischenRenminbi
Durch China getriebene Rohstoffpreisanstiege haben positive Auswirkungen auf den australischen Dollar. (Stephen King).
5. Eine massive Geldabwertung wirkt wie ein Staatsbankrott auf den ausländischen Investor
Man denke nur an die Roovelt’sche Dollar-Abwertung (=Gold-Aufwertung) im Jahr 1933. Sie wird jedoch schwierig umzusetzen sein, da alle größeren Währungen abwerten wollen (Stephen King).
6. Obama ist auf dem Tiefpunkt seiner Popularität angelangt
Populistische Maßnahmen wie „Banken-Bashing“ verhelfen Obama langsam aber sicher zu Popularitätsgewinnen (Byron Wien).
7. Die Welt geht nicht zu Ende
Das März-Tief 2009 wird das Aktienmarkttief bleiben; Handelsspanne in den kommenden Jahren (Ralph Acampora).
8. Die Schweizer Banken sind die zweitgrößten Halter griechischer Staatsanleihen
(Philipp Vorndran).
9. Eine zweite Finanzkrise kann die Staatengemeinschaft nicht mehr stemmen
(Philipp Vorndran)
10. Bei einem Zinsdienst von 30% oder mehr (Anteil an den Staatsausgaben) erreicht ein Staat den „Point of no return“
Deutschland würde die kritische Schwelle bei einem Zinssatz von 8% erreichen, die USA bei 6,5% und Japan bei 2,5% (Philipp Vorndran)
11. Gold kann bis 2.000 Dollar steigen, ohne dass man von einer Blase sprechen kann (Philipp Vorndran; Stefan Keitel).
12. Bei einem Rückgang des Goldpreises auf 900 US-Dollar kann man blind kaufen
(Felix Zulauf).
13. Aktien kann man nach einer Korrektur von 10 bis 20 Prozent kaufen
(Stefan Keitel).
14. Afrikas Mittelschicht wächst
Insbesondere in Südafrika und in Nigeria bildet sich eine kaufkräftige Mittelschichtsbevölkerung heraus (genannt „Black Diamonds“ in Südafrika) (Hartmut Sieper)
15. Zimbabwe wird zunehmend interessant
Zimbabwe ist eine Cash-Economy, als Währung gilt der US-Dollar (Hartmut Sieper)
16. Eine Billion US-Dollar entspricht einem Dollar-Stapel von 157mal der Höhe des Kölner Doms
(Felix Zulauf)
17. Eine Währung hat die Funktion, Ungleichgewichte ins Gleichgewicht zu bringen
(Felix Zulauf).
18. Euro/Dollar fällt auf 1,20/ 1,25
(Felix Zulauf).
19. Griechenland war in den letzten 200 Jahren 105 Jahre bankrott
(Felix Zulauf).
20. Griechenland hat für die EU eine Bedeutung wie das Saarland für Deutschland
Griechenland wird in einem "diffusen Prozess" gerettet werden (Norbert Walter).
21. Abstinenz des Kleinanlegers wird anhalten
Zwei Krisen in einer Dekade fordern ihren Tribut (Jens Erhardt).
22. Mehr als 40% der Verschuldung der USA befindet sich in Laufzeiten von einem Jahr oder weniger
Dies stellt ein massives Risiko dar (Jens Erhardt).
23. Der DAX könnte in den Bereich von 4.800 bis 5.300 Punkte fallen
Zudem: Das Jahreshoch haben wir wahrscheinlich bereits gesehen (Felix Zulauf)
24. Um 2012 bis 2014 beginnt eine Hausse
Diese dürfte allerdings inflationär sein, sodass die realen Gewinne schwächer ausfallen sollten (Felix Zulauf)
Ich erinnere mich an Kapitalanlegertagungen, in denen die Geopolitik deutlich stärker im Vordergrund stand als aktuell. Das macht mich stutzig. Außerdem greifen die Überlegungen in der „Causa Griechenland“ viel zu kurz. Eine alte Weisheit lautet: In wirtschaftlich schwierigen Phasen steigt die Wahrscheinlichkeit geopolitischer Auseinandersetzungen. Dazu zählen Kriege, Krisen, Protektionismus und verbale Auseinandersetzungen. Kapitalströme verändern sich. Alte Vorherrschaften weichen zurück, neue Vorherrschaften entstehen. China nutzt das zur Verfügung stehende Überschuss-Kapital für die Ausweitung seiner Einflusssphäre. In Afrika wurden bisher 50 Milliarden US-Dollar investiert. Davon flossen 9 Milliarden in das ölreiche Angola. Als Gegenleistung zum Aufbau einer modernen Infrastruktur wurden China auf Jahre hinaus umfangreiche Öllieferungen zugesagt. Auch im rohstoffreichen Südamerika (und damit in der Einflusssphäre der USA) ist China stark engagiert.
Eine weitere Unsicherheit – und damit eine offene Flanke der Europäischen Union – ergibt sich im Hinblick auf die so genannten PIGS (Portugal, Italien, Griechenland, Spanien). Griechenland steht kurz vor dem Bankrott. Auch die anderen genannten Staaten plus Irland befinden sich in einer finanziell immer schwieriger werdenden Situation. Nicht nur Kriege, sondern auch der Frieden kostet Geld. Europa leistet sich seit dem zweiten Weltkrieg die Europäische Union. Diese wurde errichtet, um die tausende von Jahren währende Kette europäischer Kriege zu durchbrechen und Frieden in Europa zu schaffen.
Das römische Reich ging nicht am Gegner, sondern an seinen - am Ende ausgelaugten - Staatsfinanzen zu Grunde. Ist Kerneuropa nicht mehr bereit – oder in der Lage -, die Peripherie zu finanzieren, bricht die Peripherie des „europäischen Reiches“ weg. Dies schafft Unsicherheiten. In welche Ecke driftet Griechenland? Wer kauft sich dort ein? China? Möchte die EU dies? Was ist mit Spanien und Portugal? Wird sich der Einfluss des Islam ausweiten, wenn sich Kerneuropa entscheidet, dort nicht zu helfen? Wird die Reconquista rückabgewickelt?
Vordergründig ist klar: Europa muss Griechenland, dass sich mit manipulierten Angaben in die Eurozone geschmuggelt hat, fallen lassen. Durchdenkt man die Sache jedoch weiter, so muss man dieses Verdikt in Frage stellen. Geopolitische Erwägungen werden hoffentlich dazu führen, dass man alles daransetzt, die EU als Einheit zu erhalten. Sonst droht auf mittlere Sicht der Einfluss anderer Mächte zunächst in der Peripherie, im weiteren Verlauf auch in Kerneuropa Überhand zu nehmen.
In Zeiten wirtschaftlicher Stärke kann die Politik machen was sie will: Sie wird immer als erfolgreich wahrgenommen werden. In einem problematischen wirtschaftlichen Umfeld gilt dies nicht: Hier kann die Politik Fehler machen, die nicht wieder gut zu machen sind. Die Politik ist jetzt ganz besonders gefordert.
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