Sachverständigenratschef Franz: „Hartz-IV-Regelsatz um 30 Prozent kürzen“. Hilfen für Kinder als Sachleistung gewähren. Arbeitslosengeld I soll konjunkturabhängig gezahlt werden.
Vor dem mit Spannung erwarteten Verfassungsgerichtsurteil zu Harz IV hat der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz eine Absenkung der Hartz-IV-Sätze um 30 Prozent gefordert bei gleichzeitiger Anhebung der Hinzuverdienstgrenzen.
Davon verspricht sich Franz, der Vorsitzende des Sachverständigenrates und Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, stärkere Anreize zur Arbeitsaufnahme. „Wer Arbeitslosengeld II bezieht, gering qualifiziert ist und Kinder hat, steht einschließlich der Zuschläge häufig finanziell besser da als der Nachbar mit schlecht bezahlter Vollzeitstelle“, erklärt der Ökonom in der am Montag erscheinenden WirtschaftsWoche.
„Diese Verletzung des Lohnabstandsgebots wird noch größer, falls das Bundesverfassungsgericht eine Erhöhung der Regelsätze für Kinder durchsetzt. Der Abstand zwischen Transfer- und Arbeitseinkommen schmilzt dann weiter dahin.“
Um die Bereitschaft zu erhöhen, eine Arbeit anzunehmen, will Franz zugleich die Hinzuverdienstgrenzen deutlich verbessern. „Im jetzigen System sind die Arbeitsanreize für Transferempfänger unzureichend. Wer sich etwas hinzuverdient, darf davon nur 20 Prozent behalten, abgesehen von einem Freibetrag von 100 Euro.“
Stattdessen schlägt Franz vor, dass Hartz-IV-Empfänger die Hälfte ihres Hinzuverdienstes behalten dürfen, „allerdings erst ab 200 Euro, um geringfügige Tätigkeiten in diesem Zusammenhang unattraktiv zu machen. Dafür aber wird der Regelsatz generell um 30 Prozent gekürzt. Wer sich dann nicht um Arbeit bemüht oder angebotene Jobs ablehnt, nun gut, der muss dann eben – wie es eigentlich jetzt schon die Regelung ist – mit sehr, sehr wenig Geld auskommen.“
Um unabhängig von den Bezügen der Eltern die Lage der Kinder zu verbessern, hält Franz die teilweise Umstellung von Hartz IV für Kinder auf Sachleistungen für sinnvoll. „Darüber sollte die Politik weiter nachdenken. Im Bildungsbereich etwa böte sich ein Gutscheinsystem an, zum Beispiel für Kindergärten oder die Schulverpflegung.“ Derzeit fließe das Geld für die Kinder „völlig unkonditioniert an den Haushaltsvorstand“.
Teil einer großen Arbeitsmarktreform muss laut Franz auch das Arbeitslosengeld I sein. Der Ökonom schlägt in der WirtschaftsWoche vor, die Bezugsdauer künftig an den Konjunkturverlauf zu koppeln. „In konjunkturell guten Zeiten, in denen die Menschen leichter einen neuen Job finden, sollte die Bezugsdauer des ALG I sinken – und entsprechend in Krisenjahren ansteigen, wenn es weniger Jobs gibt. Diese atmende Bezugsdauer des regulären Arbeitslosengelds wäre ein vernünftiges Vorhaben für die Reformagenda der neuen Bundesregierung.“
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