Dimitri Speck istGründungspartner und Chief Financial Engineer von Staedel Hanseatic, ein in Frankfurt, Luxemburg und Riga tätiger Investmentmanager. Nachdem Speck zunächst Elektrotechnik studierte und sichanschließend auf die Mustererkennung bei der Wertpapieranalyse und derenUmsetzung in Handelsalgorithmen fokussierte, tat er sich 2005 mit Felix Pieplowzusammen, um Staedel Hanseatic aus der Taufe zu heben. Der Investmentprozess gründet auf computergestützte Modelle,die beide in jahrelanger empirischer Forschung auf Basis aufwendig validierterDaten und hauseigener Programmierung entwickelten.
Diequantitative Anlagestrategie war vorerst auf institutionelle Investorenbegrenzt. Mit dem “Country Select & Protect Fund“ können seit Ende 2007auch Privatanleger teilnehmen. Die Datenbasis, auf die Staedel Hanseaticzurückgreift, erstreckt sich über 35 Jahre und umfasst 50 Länder sowie 25Commodities und selbst entwickelte Rentenindices.
DimitriSpeck ist auf die Mustererkennungbei Charts spezialisiert. Im Zuge dieser Tätigkeit stieß er auf eine Anomalieim Goldpreis, mit der er systematische Interventionen im Goldmarkt nachweisenkonnte. Zudem konzipierte er den von der Deutschen Börse veröffentlichtenStay-C Commodity Index und ist Herausgeber der Website www.seasonal-charts.com. Dort sindsaisonale Charts für interessierte Anleger kostenfrei nutzbar. WeitereThemenschwerpunkte bilden Marktanomalien, Gold und Rohstoffe.
Seine Erkenntnisse, die denGoldmarkt betreffen, teilt Dimitri Speck nunmehr in dem Buch „GeheimeGoldpolitik. Warum die Zentralbanken den Goldpreis steuern“ mit, das dieserTage im Finanzbuch Verlag in München erscheint. Für mehr Informationen zudiesem hochinteressanten Werk siehe: https://www.finanzbuchverlag.de.
Herr Speck, Sie veröffentlichen dieser Tage beim Finanzbuch Verlag inMünchen ein Buch zum Thema „Goldpreisintervention“ durch Zentralbanken. Seitwann interessieren Sie sich für diese Problematik – oder anders gefragt: wanndämmerte es Ihnen zum ersten Mal, dass „etwas faul im Staate Dänemark“ seinkönnte, so es das Geschehen auf dem Goldmarkt betrifft?
Im Jahre 2001 stieß ich auf einenArtikel, der den Goldpreisverlauf im Tagesverlauf untersuchte. Über einenZeitraum von zwei Monaten fiel Gold regelmäßig in New York, während es in derübrigen Handelszeit stieg. Da ich mich auf statistische Untersuchung vonKursanomalien spezialisiert habe, bot sich mir die Gelegenheit, der Fragenachzugehen: Handelte es sich um zufällige Bewegungen, oder stimmten dieGerüchte, dass der New Yorker Terminmarkt benutzt wird, den Goldpreis zuschwächen? Zur Erhöhung der Signifikanz musste ich den Zeitraum stark erweiternund die Untersuchungsmethode verbessern. Das Ergebnis war eindeutig: DerGoldpreis verhielt sich nicht zufällig. Ich musste zugeben, dass es seit Jahrensystematische Kursbeeinflussungen gab. Nun drängten sich neue Fragen auf: Wiewurde interveniert? Von wem? Wozu?
Eine Frage, die Sie gewiss schon oft gestellt bekommen haben: Warumsollten Zentralbanken, die große Quantitäten Gold halten, ein Interesse daranhaben, dass der Goldpreis möglichst niedrig steht? Welcher Vorteil ergibt sichdadurch?
Die Zentralbanken wurden nichtgegründet, um den Wert ihrer Reserven zu erhöhen. Sie haben geldpolitischeAufgaben. Die Interventionen im Goldmarkt erfüllen verschiedene Funktionen, vonder Beeinflussung der Inflationserwartung über die Festigung des Dollarkursesbis hin zur Signalwirkung in Krisenzeiten. Stellen Sie sich etwa vor, währendder Finanzmarktkrise 2008 – der Interbankenhandel war gerade zusammengebrochenund es gab erste Bank-Runs – wäre auchnoch der Goldpreis stark gestiegen: Das hätte die Panik doch wohl vergrößert.Deshalb wurde der Goldpreis am Steigen gehindert. Das trug dazu bei, Sparer undMarktteilnehmer zu beruhigen.
Bis zu welchem Zeitpunkt lässt sich die Manipulation des Goldpreisesmoderner Prägung Ihres Erachtens nach zurückverfolgen?
In der ersten Hälfte des Jahres1993 drohte in den USA ein Anstieg der Inflationsrate. Zugleich waren dieZinsen auf einem sehr niedrigen Niveau. Normalerweise würde die Fedentscheiden, die Zinsen anzuheben, um die Inflation zu bekämpfen. Das hätteaber die bereits schwache wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich gefährdet.Zudem hätte es ein unerwünschtes politisches Signal gesendet: US-PräsidentClinton hatte nämlich ein Programm zur Reduktion des Staatsdefizits zurAbstimmung im Kongress eingereicht. Die Zustimmung im Parlament war aberungewiss. Deshalb entschied man sich im Anschluss an ein Fed-Meeting, dieInflation zu bekämpfen, indem man keine Inflationserwartung aufkommen ließ.Mehrere Zentralbanken vereinbarten, den Goldpreis daran zu hindern, über dieMarke von 400 Dollar je Unze zu steigen. Am 5. August 1993 begannen dann diesystematischen Goldinterventionen, nachdem diese Marke verletzt worden war.
Wenn ich Ihnen nun mit dem Schlagwort „Verschwörungstheorie“ komme, wasentgegnen Sie mir dann, Herr Speck?
Es ist keine Verschwörung, sondernPolitik – allerdings Politik hinter verschlossenen Türen und mit geheimenAbsprachen. Dies verhindert, dass Öffentlichkeit und Wissenschaft über diePreisbeeinflussungen bei Gold diskutieren können. Das wäre aber Voraussetzungfür eine sachliche und demokratische Entscheidungsfindung. Positiv gemeinteEingriffe in Gesellschaft und Wirtschaft haben nämlich meist auch negativeFolgewirkungen. So ist es auch bei den Goldinterventionen. Sie erzielten nichtnur die gewünschten Wirkungen wie die Preisstabilität. Sie trugen auch zurBlasenbildung an den Finanzmärkten bei.
Würden Sie uns eventuell einmal ein praktisches Beispiel dafür geben,wie so eine Intervention aussieht, damit man sich das plastisch vorstellenkann? Wer macht da was?
Details der Interventionen amGoldmarkt wurden bisher nicht von offizieller Seite veröffentlicht. Sie dürftenaber in manchen Aspekten den Interventionen am Devisenmarkt ähneln, mit denensie oft zeitgleich durchgeführt werden. Ein Beispiel, das mit mehrjährigerVerzögerung bekannt wurde, führe ich im Buch auf. Dabei wird auch dargelegt,wie man die Interventionen zur Zeit ihrer Durchführung verschleierte. Es gibtaber auch eine Reihe an Unterschieden zu Interventionen im Devisenmarkt. Sosind die im Goldmarkt oft schockartig.
Ist es ein Problem, dass eine Zentralbank wie die Federal Reserve inden USA letztlich ein privates Bankenkartell darstellt?
Die Eigentümerstruktur der Fedspielte keine Rolle. Die Entscheidungen wurden international von Politikern undGeldpolitikern getroffen. Allerdings sind die im sogenannten Carry-Tradeinvolvierten Finanzhäuser von großer Bedeutung. Beim Carry-Trade leihen sichPrivatbanken zu niedrigem Zins Gold von den Zentralbanken, verkaufen es imMarkt, und investieren den Erlös höher verzinslicht. Ihr Gewinn liegt in derZinsdifferenz. Bei dieser Geschäftsart können sich privatwirtschaftlicheInteressen mit den Aufgaben der Zentralbanken vermengen.
WelcheRolle nehmen die großen Investmentbanken in diesem „Spiel“ ein? Ist es so, wieChris Powell von GATA argumentierte, dass die Investmentbanken für dieZentralbanken eher als “their agents,their cover“ agieren?
Die involvierten Privatbanken haben schnell einEigeninteresse an einem niedrigen Goldpreis entwickelt, da sie ja Goldschuldeten und am Markt zurückkaufen mussten. Kursrückgänge bei Gold waren ihrzusätzlicher Gewinn. Ende der neunziger Jahre waren private Banken deshalbtreibende Kraft für einen weiter fallenden Goldpreis geworden. Sie bedrängtensogar Zentralbanken zur Herausgabe ihres Goldes. Um die Jahrtausendwendemussten die Zentralbanken dann auch noch erkennen, dass sie in eine schwachePosition geraten waren. Sie standen unter Druck, da das Zentralbankensystem alsGanzes zuviel Gold – mehrere Jahresproduktionen – verliehen hatte. Aus dieserselbstverschuldeten Zwangslage konnten sich die Zentralbanken nur auf einem Wegbefreien: Sie mussten mehr Gold verkaufen. Auf diese Weise konnten ihnen danndie Privatbanken das geliehene Gold zurückgeben. Letztlich haben dieZentralbanken sich selbst das Gold zur Verfügung gestellt, das man ihnenschuldete.
Was sinddie größten Fehlentwicklungen, die sich durch die Goldpreismanipulationergeben? Hat die Finanzkrise beispielsweise auch etwas damit zu tun?
Gold ist nicht irgendeine Ware,sondern das wichtigste liquide Wertaufbewahrungsmittel, das weder durch Konkursnoch durch Inflation bedroht wird. Es steht in direkter Konkurrenz zum heutegängigen, auf Krediten basierendem Geld. Aufgrund dieser Wettbewerbssituationkonnten die Goldinterventionen größere Wirkungen entfalten, als es derwirtschaftlichen Bedeutung des Goldes zu entsprechen scheint. Zu den größtenFehlentwicklungen gehören zu niedrige Zinsen am Geld- und Kapitalmarkt, einereduzierte Inflationserwartung, ein zu hoher Dollarkurs und ein zu großesUS-Leistungsbilanzdefizit. Vor allem aber wurde die Kreditaufnahme erleichtertund damit die Verschuldung befördert. Das hat seit Mitte der neunziger Jahrewesentlich zur Finanzmarktblase beigetragen. Heute ist die Gesamtverschuldung –der Privaten, Unternehmer und des Staates – in Relation zur Wirtschaftskraftauf einem hohen Niveau, bei dem es historisch meist zu finanziellenVerwerfungen kam. Ausnahmen wie Großbritannien nach dem Zweiten Weltkriegbestätigen eher die Regel, leicht ist die Rückführung eines derart hohenSchuldenniveaus typischerweise nicht.
Ein sehrwertvoller Beitrag zur Debatte, wie ich finde, ist in diesem Kontext PeterWarburtons Essay "The Debasement ofWorld Currency: It Is Inflation, But Not as We Know It", der sich hierfinden lässt:
KönntenSie unseren Lesern, die nicht mit dieser Arbeit vertraut sind, erläutern, worindie Stärke von Warburtons Analyse besteht?
Ich möchte die Überschrift desArtikels zum Anlass nehmen, die Wirkungsweise bei der Inflationserwartung anzusprechen: Gold istder klassische Inflationsindikator. Ein steigender Goldpreis wie in densiebziger Jahren signalisiert, dass Geldentwertung droht, was Sparerveranlassen kann, ihre Ersparnisse auszugeben. Man kann sich das leichtvergegenwärtigen, indem man den Extremfall Hyperinflation betrachtet, bei demalles Geld sofort ausgegeben wird. Als man sich 1993 erstmals entschloss, denGoldpreis – das „Thermometer“, wie Greenspan sagte – nicht steigen zu lassen,wollte man seine Signalwirkung unterdrücken. Beispielsweise sollten Sparerdurch die geringe Inflationserwartung veranlasst werden, wenig Geld auszugeben.Geld, das gespart wird, kann keine Nachfrage erzeugen und die Preise nichtanheben. Dadurch konnte die Golddrückung dämpfend auf die Inflationsratewirken, wie es die Zentralbanker beabsichtigten. Allerdings hat diese Maßnahmeeine Nebenwirkung. Das gesparte Geld besteht ja weiter. Es kann späterjederzeit potentiell Nachfrage ausüben. So hat diese Vorgehensweise die Mengedes gesparten Geldes erhöht. Dadurch gibt es ein größeres Nachfrage- undInflationspotential. Es gibt aber auch höhere Ausfallrisiken.
Eine Organisation, die sich um Aufklärung in dem von uns angesprochenenBereich bemüht, ist das erwähnte Gold Anti-Trust Action Committee, GATA. Wiebeurteilen Sie die Arbeit von Bill Murphy & Co?
Die GATA hat viele Informationenzusammengetragen. Diese halfen etwa bei der Aufklärung der Ereignisse im Mai2001. Die Zentralbanken gerieten unter Druck, sie konnten den Goldpreis nichtmehr dauerhaft auf dem damals sehr niedrigen Niveau halten. Deswegen teiltensie den beteiligten Privatbanken mit, dass sie ab Ende 2001 den Goldpreissteigen lassen würden, damit diese sich auf den Anstieg einstellen konnten.
Auf welche Faktoren führen Sie das verstärkte Engagement Chinas undRusslands als Goldkäufer zurück?
„Verstärkt“ ist relativ. Es istimmer noch eine unbedeutende Menge angesichts der Devisenreserven in Höhe vonüber 2000 Milliarden US-Dollar. Das Problem der chinesischen Zentralbank liegtauf der anderen Seite: Was macht man mit soviel Geld? Wie kann man seinen Werterhalten?
Zuletzt hat der Goldpreis gegenüber dem US-Dollar geschwächelt. WelcheGründe sehen Sie dafür – und wo sehen Sie den Goldpreis mittelfristig?
Ich habe keine hellseherischenFähigkeiten. Ich werde aber daran arbeiten…
Würden Sie unseren Lesern zu Goldkäufen raten? Und wie schaut es mitSilber aus – auch ein Markt, der Manipulationen unterworfen zu sein scheint?
Ich rate dem Leser, sich eineeigene Meinung zu bilden.
Eine abschließende Frage. Immer wieder taucht die Frage auf, wo sicheigentlich die deutschen Goldreserven befinden und mehr noch: ob sie überhauptnoch existent sind. Weshalb sollte diese Frage Ihrer Einschätzung nacheigentlich irgendjemandem Kopfzerbrechen bereiten?
Es gibt keinen belastbarenHinweis darauf, dass die Goldreserven der Bundesbank nicht mehr existierten.Entgegen vieler Gerüchte hat die Bundesbank ihre Verleihmenge sogar reduziert.In meinem Buch zeige ich auf, wieviel Gold die Bundesbank verliehen hat. Es istheute wesentlich weniger als etwa vor fünf Jahren. Die Standortverteilung istvon einem geringen Inlandsanteil geprägt. Zwei Drittel des Bundesbankgoldeslagert in New York, der Rest in London, Paris, Frankfurt und Mainz.
Haben Sie vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, HerrSpeck!