In seiner aktuellen Montags-Kolumne in der ZEIT befasst sich der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer (Foto: im Jahr 2005 mit Irans Außenminister Kamal Kharazi) mit „Israels Albtraum“: der existenziellen Bedrohung des jüdischen Staates durch einen Iran mit Atomwaffen.
Fischer sieht die Gefahr einer „weiteren großen militärischen Konfrontation“ im Nahen Osten. Die Ursachen hierfür sieht Fischer in einer „verfehlten amerikanischen Politik im Irak“, die die Feinde der USA und ihrer Verbündeten gestärkt habe. Ein schon immer vorhandener Konflikt um die Vorherrschaft im Nahen und Mittleren Osten habe sich in einen offenen Kampf verwandelt, dessen Hauptkontrahenten Iran und Israel seien. Der hohe Ölpreis und das „bisherige Scheitern des UN-Sicherheitsrats“ verstärke die Gefahren. Enttäuscht zeigt sich Fischer von der Tatsache, dass sich US-Präsident Bush in seiner – wie ich finde: historischen – Rede vor der Knesset nicht mit den stagnierenden israelisch-palästinensischen Verhandlungen, sondern primär mit den Gefahren durch das iranische Atomprogramm befasst habe. Er befürchtet einen bevorstehenden Militärschlag. Fischer fordert abschließend: „Es wird allerhöchste Zeit für ernsthafte Verhandlungen“.
Mit seiner Analyse verkennt Fischer nicht nur die aktuelle und die historische Konfliktlage im Nahen und Mittleren Osten, sondern gleichfalls den Charakter der dort stattfindenden Auseinandersetzung. Seine Lösungsansätze sind realtitätsfern, seine Forderung nach „ernsthaften Verhandlungen“ anmaßend und zynisch.
Die Gefahren durch das iranische Atomprogramm sind keineswegs Folge einer „verfehlten amerikanischen Politik im Irak“. Wie überhaupt die Befreiung des Irak die Ursache oder gar Rechtfertigung dafür sein kann, dass ein totalitäres, islamofaschistisches Mullah-Regime nach Massenvernichtungswaffen strebt und andere Länder mit ihrer Vernichtung bedroht, erläutert Fischer nicht.
Der militärische Sieg über das Baath-Regime hat die Welt von dem Massenmörder Saddam Hussein befreit, einem Ungeheuer, das nicht nur Giftgas besaß, sondern dies auch im eigenen Lande gegen die eigene Bevölkerung einsetzte, ebenso im Krieg gegen den Iran, den er überfiel und der eine Million Menschen das Leben kostete. Wie würde die Region heute aussehen, wäre Saddam noch an der Macht und nicht Soldaten und Flugzeugträger der einzigen Supermacht präsent?
Fischer hat in seinen Ausführungen dem Schicksal der irakischen Bevölkerung keine Bedeutung beigemessen, die von einem Massenmörder befreit wurde und die mit Hilfe der Amerikaner derzeit auch die teilweise vom Iran unterstützten Terrorbanden besiegt. Saddam wird nicht mehr aufrüsten, Massenvernichtungswaffen erlangen und mit Hilfe seiner nachweislichen Kontakte zu Terrorgruppen einschließlich Al Qaida andere Länder bedrohen. Folge des Irak-Krieges war auch die Auflösung des Nuklear-Netzwerkes des Pakistanis A.Q. Kahn, der die Weitergabe der Atomwaffentechnik an Libyen, Iran und Nordkorea zugegeben hat. Unmittelbare Folge des Irak-Kriegs war weiterhin, dass Libyen sein Atomwaffenarsenal unter internationaler Kontrolle abrüstete. Wenn Fischer diese Entwicklungen als „verfehlt“ ansieht, ist die Frage gestattet, wie die Region aussähe, wären die Amerikaner seinen Vorstellungen (die er weitgehend verschweigt) gefolgt.
In einer Rede, die Fischer am 11. November 2004 hielt, heißt es:
„Heute stellen wir fest, dass der europäische Beitrag für die Beantwortung der offenen Fragen im Iran, im Irak, im Nahen Osten und auf dem Balkan unverzichtbar geworden ist… Die Unterstützung des Europäischen Rates im Hinblick auf die Initiative der EU-3 gemeinsam mit Javier Solana gegenüber Iran ist von zentraler Bedeutung, auch wenn ich, wie gesagt, Ihnen noch nicht von einem positiven Abschluss berichten kann.“
Fischer hat mit seinen französischen (de Villepin) und englischen (Straw) Amtskollegen jahrelang mit dem Iran verhandelt. Für eine Kriegsdrohung fehlten ihm die Nerven, mit seiner Appeasement-Taktik ist er grandios gescheitert. Fischer hat sich vom Mullah-Regime vorführen lassen und den Islamofaschisten in die Hände gespielt. Er hat aus erster Hand erfahren, mit welchem Kontrahenten er es zu tun hat. Er wusste, dass die Mullahs niemals einlenken würden. Sie haben ihn dreist belogen und immer wieder hinters Licht geführt. Fischer hingegen hat sich vor den europäischen Medien als Staatsmann aufgeplustert, der berufen sei, den Amerikanern eine Lektion zu erteilen, wie Soft Power funktioniere. Jetzt hat Fischer die Stirn, seine Leser für dumm zu verkaufen:
„Es wird allerhöchste Zeit für ernsthafte Verhandlungen“
lässt er uns wissen. Was, bitte, waren das dann für Verhandlungen, für die er jahrelang verantwortlich war?
Der Vollständigkeit halber ist auf einige weitere Unrichtigkeiten in Fischers Ausführungen hinzuweisen:
1. Fischer behauptet, die Hauptkontrahenten in dem von ihm beschriebenen Konflikt seien Iran und Israel. Hätte Fischer die Rede von Bush, die zu kritisieren gerade er nicht berufen ist, gelesen und verstanden, wüsste er, dass sich tatsächlich ein Konflikt zwischen einem Repräsentanten der westlich-demokratischen Werteordnung (Israel) und dem Islamofaschismus (Iran) abspielt. Viele halten dies für die große Herausforderung unserer Zeit, oder, in den Worten des amerikanischen Präsidenten, die der aufgeklärte Europäer, der es besser zu wissen meint, ungern hört:
“…in seinem Kern ist dies die historische Schlacht zwischen Gut und Böse.”
2. Es steht Fischer, dem Chamberlain unserer Zeit, nicht gut zu Gesicht, sich über das „bisherige Scheitern des UN-Sicherheitsrats“ zu mokieren, jedenfalls nicht, wenn man seine eigenen Verhandlungsleistungen zugrunde legt. Wenn Fischer sich der Erkenntnis nicht verschließt, dass der UN-Sicherheitsrat wegen der Haltung Russlands und Chinas niemals ernsthafte Sanktionen gegen den Iran verhängen wird, wäre dies immerhin ein Fortschritt.
3. Fischer steht es nicht zu, den amerikanischen Präsidenten darüber zu belehren, welche Schwerpunkte er in seiner Rede vor der Knesset besser gesetzt hätte. Fischer, und mit ihm der durchschnittliche Europäer, hätte lieber huldvolle Worte zum israelisch-palästinensischen Friedensprozess gehört. An dem Tag, an dem die Palästinenser und die Araber den jüdischen Staat und dessen Existenzrecht anerkennen, wird es Frieden geben. Bis zu diesem Tag, und solange die Charta der Hamas die Vernichtung Israels propagiert, nichts als Krieg. Und jeder Friedensprozess, ob scheinheilig oder wohlmeinend, führt zu nichts.
Unser großer Staatsmann, der in Wirklichkeit ein Zwergenstaatsmann ist, möge sich an den Worten eines wirklich großen demokratischen Präsidenten orientieren, der sagte:
“We shall pay any price, bear any burden, meet any hardship, support any friend, oppose any foe, in order to assure the survival and the success of liberty.” John F. Kennedy, 20-01-1961