US-Präsident Bush hat in der letzten Woche Israel besucht. Anlass waren die Feierlichkeiten zum 60jährigen Bestehen des Landes. Wer einmal in diesem Land war und mit dem Taxi in nur etwa 30 Minuten vom Flughafen Ben Gurion (Tel Aviv) nach Jerusalem gefahren ist, bekommt nicht nur ein Gefühl dafür, wie klein Israel ist und wie nahe seine Nachbarn sind.
Man bekommt auch ein Gespür für die realen Gefahren, denen der jüdische Staat ausgesetzt ist. Die Bedrohung im Norden - im Libanon - heißt Hizbollah, im Süden - im Gaza-Streifen - Hamas. Der Staatssponsor dieser Terrororganisationen ist der Iran, dessen Präsident erst im Mai Israel als „stinkende Leiche“ bezeichnete, an seiner Seite Terrorpapst Assad in Syrien.
Auch Bundeskanzlerin Merkel hat (im März) Israel besucht. Die Rede, die die Kanzlerin vor der Knesset hielt, empfand ich als enttäuschend. Das Bekenntnis zu Israel ging über die üblichen Erklärungen nicht hinaus. Angesichts der existenzbedrohenden Gefahr durch das Atomprogramm des Iran hieß es lediglich, die Bundesregierung werde sich, wenn der Iran nicht einlenke, „weiter entschieden für Sanktionen einsetzen“. Die Erklärung, es müsse um jeden Preis verhindert werden, dass der Iran über Atomwaffen verfüge, machte die Kanzlerin nicht. Deutschland, Frankreich und England verhandeln seit fünf Jahren mit dem Iran. Einziges Ergebnis war, dass dessen Atomprogramm fortgeschritten ist. Welchen Wert haben die Äußerungen der Kanzlerin vor diesem Hintergrund?
Die Rede, die der US-Präsident in der letzten Woche vor der Knesset hielt, war von ganz anderer Qualität. Bush erntete stehende Ovationen des israelischen Parlaments. Vor dem historischen Hintergrund seiner Rede (60 Jahre Israel) kommt einer Passage besondere Bedeutung zu:
„Einige treten dafür ein, dass wir mit den Terroristen und Radikalen verhandeln sollten, als ob ein geniales Argument sie davon überzeugen könnte, dass sie die ganze Zeit Unrecht hatten. Wir haben diesen törichten Irrglauben bereits früher gehört. Als die Panzer der Nazis 1939 nach Polen vorstießen, erklärte ein amerikanischer Senator: ‚Oh Gott, hätte ich nur mit Hitler sprechen können, all dies hätte vermieden werden können.’ Wir haben die Pflicht, dies als das zu bezeichnen, was es ist: der falsche Trost des Appeasement, der wiederholt von der Geschichte diskreditiert worden ist.“
Die deutschen Medien haben über diese Rede im wesentlichen nur insoweit berichtet, als sich die Spitze der US-Demokraten (Obama, Clinton, Pelosi, Biden) über die zitierte Passage ereiferte („Beleidigend, empörend, Schwachsinn, unwürdig“). Diese „egozentrischen Trottel“ (Mark Steyn), allen voran ihr potentieller Präsidentschaftskandidat Obama, haben mit ihrer überempfindlichen Reaktion nicht nur zu erkennen gegeben, wie angreifbar sie auf außenpolitischem Terrain sind. Es wird auch mehr als deutlich, dass die Versprechungen von Obama, er wolle die Spaltung der Bush-Ära überwinden und zu einer neuen Politik führen, ein weiterer Beleg für die Unaufrichtigkeit seiner Kampagne ist. Es mag sein, dass sich Obama, der nicht namentlich erwähnt wurde, zu Recht angesprochen fühlte. Dies gälte dann aber auch für den Bush-Freund und früheren US-Außenminister James Baker (siehe seine irrwitzigen Vorschläge im Rahmen der Iraq Study Group) und so ziemlich jeden europäischen Außenminister. Und die vorangehende Passage Bushs, die die hysterischen Reaktionen völlig unangemessen macht, wurde gänzlich unterschlagen:
„Es gibt gute und anständige Leute, die die Finsternis dieser Männer nicht verstehen können und die versuchen, deren Worte wegzuerklären. Als Zeugen des Bösen in der Vergangenheit tragen wir eine große Verantwortung dafür, diese Worte ernst zu nehmen. Juden und Amerikaner haben die Konsequenzen der Nichtbeachtung der Äußerungen von politischen Führern, die Hass vertreten, erfahren. Und das ist ein Fehler, den die Welt im 21. Jahrhundert nicht wiederholen darf.
Europa (einschließlich der gesamten deutschen Parteienlandschaft) und die US-Demokraten, die sich allesamt für den Nabel der zivilisierten Welt halten, werden ungern auf geschichtliche Fakten hingewiesen, die nicht in ihr Weltbild passen. Bundeskanzlerin Merkel wird sich fragen lassen müssen, wohin fünf Jahre Verhandlungen mit dem Iran geführt haben. Sie wird sich fragen lassen müssen, warum Deutschland trotz der wohlklingenden Reden der Kanzlerin den Iran nicht z.B. durch massive, einseitige Wirtschaftssanktionen unter Druck setzt, statt auf eine korrupte UNO zu warten. Europa muss die Frage beantworten, welche Schuld es nach fast einem Jahrzehnt von ergebnislosen Verhandlungen, leeren Drohungen und endloser Diplomatie am Völkermord im früheren Jugoslawien trägt, bevor Milosevic mit militärischer Gewalt Einhalt geboten wurde und ob es einen solchen Fehler noch einmal wiederholen will. Die Rede von Bush und seine Warnung vor den Gefahren des Appeasement und einer etwaigen Geschichtsvergessenheit waren geboten, historisch richtig und dem Anlass angemessen. Und es war wichtig, dass der Regierungschef der westlichen Führungsmacht die richtigen Schlüsse und die erforderlichen Bekenntnisse zu Israel formuliert hat. Obama kann in der Zwischenzeit darüber nachdenken, was er mit einem Mann wie Ahmadinejad eigentlich besprechen will, wenn dieser ihm gegenübersitzt. Einem Mann, in dessen Land Steinigung, öffentliches Hängen und Amputationen legale Strafen sind, der Israel abwechselnd als verwesende Leiche und tote Ratte bezeichnet, dessen Raketen von der Hamas nach Israel geschossen werden, der die Hizbollah und andere Terrororganisationen finanziert und hochrüstet, der sein Volk unterdrückt und den Tod amerikanischer Soldaten und irakischer Zivilisten auf dem Gewissen hat.
Nach Maßgabe der Rede, die Obama gestern (18-05-2008) in Oregon gehalten hat, unterschätzt er die Gefahren, die von Terrorstaaten ausgehen, völlig. Auszug:
Obama glaubt offensichtlich, dass der Iran und andere Schurkenstaaten (er erwähnt Iran, Kuba und Venezuela) „keine ernsthafte Gefahr für die USA darstellen“. „Diese Länder sind winzig“, sagt Obama, und vergisst dabei, dass das auch für Afghanistan gilt, wo die Terroranschläge des 11. September geplant und vorbereitet wurden. Obama glaubt inbesondere, dass Iran, da es im Verhältnis zu den USA nur sehr geringe Verteidigungsausgaben tätige, militärisch keine Chance gegen die USA habe. In Zeiten asymmetrischer Konflikte sind die Verteidigungsausgaben eines Landes allerdings offensichtlich nebensächlich. Al Qaida ist noch kleiner als der Iran und verfügt über noch geringere Mittel!
Die Wirklichkeit scheint Obama noch nicht erreicht zu haben: Das Streben des Iran nach Atomwaffen, das Versprechen, Israel zu vernichten, die Sponsorschaft von Terrorgruppen, die Unterminierung Libanons durch Hizbollah usw. Iran hat schon 1983 im Libanon 241 Marines umgebracht. Obama unterliegt einem noch größeren naiven Irrglauben an die Segnungen von Diplomatie und Verhandlungen, als man bislang vermuten konnte. Waren es vierzig Jahre Diplomatie, die die Mauer an der innerdeutschen Grenze zu Fall gebracht haben? Oder waren es vierzig Jahre überparteilicher Abschreckung und insbesondere die Politik der Stärke Ronald Reagans, der die Sowjetunion als „Reich des Bösen“ brandmarkte?
Obama leidet unter einem völligen Realitätsverlust und ist geschichtlich absolut ahnungslos. Seine Äußerungen sind vollkommen lächerlich. Er ist unerfahren, naiv, ignorant, überheblich und gänzlich ungeeignet für das von ihm angestrebte Amt. Obama ist noch unfähiger, als es Jimmy Carter war. Obamas gestrige Rede in Oregon wird in den nächsten Tagen erhebliche Wellen schlagen und im gesamten Wahlkampf eine entscheidende Bedeutung erlangen. Sie ist eine Vorlage für John McCain und sie ist nach den Äußerungen seiner Frau, seines Pastors Wright und der eigenen anmaßenden und arroganten Entgleisungen vor reichen Spendern in San Francisco über kleinstädtische Amerikaner ein weiterer Anlass, warum die Amerikaner ihn nicht zum Präsidenten wählen werden.
» Jerusalem Post: Obama’s unique appeasement style
© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2008