Die US-Zinserhöhung, die eigentlich keine größere Bedeutungfür die Märkte oder die Wirtschaft hat, soll lediglich dazu dienen, einebessere Ausgangsposition bei der Anhörung Ben Bernankes vor demamerikanischen Kongress zu haben.
Sie wissen, ich war kein Anhängerder These, dass die Probleme in Griechenland die Kurse in den USAbelastet haben. Ich hatte belegt, dass die Kurseinbrüche in den USA zumTeil mit anderen Nachrichten zu tun hatten. Nun wird immer deutlicher,dass auch eine ganz andere Sicht möglich ist:
Die Fed hat gestern nachBörsenschluss überraschend den Diskontsatz um 25 Basispunkte auf 0,75 %angehoben. Zwar wurde bereits in den Wochen zuvor auch innerhalb derFed über den Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik diskutiert, sowie beider letzten FOMC-Sitzung genau dieser Zinsschritt in Aussicht gestellt,aber so schnell hatte niemand mit dieser Reaktion gerechnet. (DerDiskontsatz sollte dabei nicht mit dem Leitzins verwechselt werden,dieser wurde unverändert belassen. Über den Diskontsatz können sichGeschäftsbanken gegen Hinterlegung von Sicherheiten kurzfristig Geldvon der Notenbank leihen. In der Regel tun sie das jedoch nur inNotfällen.)
Ein Zeichen
Die gestrige Aktion der Fed muss alsweiterer Hinweis auf eine baldige Zinserhöhung gesehen werden. Siewerden sich erinnern, ich hatte bereits im letzten Jahr geschrieben,dass die Märkte vor möglichen Zinsanhebungen in eine eher seitwärtsgerichtete Phase übergehen werden. Die Angst vor Zinserhöhungen undderen Auswirkung auf die US-Wirtschaft wird Anleger dazu bringen, sicherst einmal zurückhaltender zu verhalten. Die Konsolidierung derletzten Wochen hat somit die sich nun verdichtenden Hinweise auf eineStraffung der Geldpolitik vorweg genommen. Börsen nehmen schließlichEntwicklungen vorweg und spätestens seit der Diskussion über möglicheExit-Strategien hat sich der Markt auf entsprechende Aktioneneingestellt. Nun passt alles zusammen.
Weiterhin erkennbar ist dabei, wieextrem vorsichtig die Fed seit Oktober letzten Jahres vorgeht. DieMärkte werden behutsam Schritt für Schritt auf mögliche Zinserhöhungeneingestimmt.
Zumindest aus Sicht der im SteffensDaily seit Jahren angewendeten Prognosemittel ergibt sich spätestensmit dieser Nachricht wieder ein stimmiges Bild.
Andere Sichtweise
Sie wissen, hier im Steffens-Dailyversuche ich, soweit möglich, die Börse aus vielen verschiedenenBlickwinkeln zu betrachten. Dazu gehört, dass ich auch Thesenuntersuche, die den hier vorgestellten tendenziell widersprechen. Allesandere würde zu Blindheit führen und die ist teuer an den Börsen.
Anhebung lediglich politische Taktik?
Es gibt eine andere These, die nichtuninteressant ist. Einige Analysten sind der Meinung, dassZinserhöhungen in den USA zurzeit und auf längere Sicht noch kein Themaseien. Diese sehen einen ganz anderen Grund hinter der Anhebung desDiskontsatzes. So soll diese Maßnahme, die eigentlich keine größereBedeutung für die Märkte oder die Wirtschaft hat, lediglich dazudienen, eine bessere Ausgangsposition bei der Anhörung Ben Bernankesvor dem amerikanischen Kongress zu haben. Diese findet in fünf Tagen,also am 24. Februar statt.
Die Nähe zu diesem Datum lässtsolche Schlüsse sicherlich zu, obwohl ich mich frage, ob das nichtsogar schon zu offensichtlich wäre. Doch die Vertreter dieser Theseführen noch einen weiteren Grund an:
Politiker verlieren Vertrauen
Zurzeit sieht sich Ben Bernanke demProblem gegenüber, dass immer mehr Politiker in den USA der Fed undderen geldpolitischen Maßnahmen misstrauen. Mit dieser Anhebung desDiskontsatzes, so die Theorie, will Ben Bernanke lediglich den Eindruckerzeugen, die Fed wüsste genau, was sie tut und würde nun tatsächlicheinen Ausstieg aus der Politik des leichten Geldes einleiten.
Die überraschende Anhebung desDiskontsatzes noch vor der Anhörung im Kongress wäre also nichts weiterals eine politische Strategie. Keine Frage, das ist auch eine interessante Sicht der Dinge.
Allerdings wirkt die Aussage, dassBen Bernanke eine solche Maßnahme beschließt, um eine bessere Positionbei der Anhörung vor dem Kongress zu haben, etwas zweifelhaft.Vielleicht hoffe ich auch nur, dass er sich nicht auf solcheKindergarten-Spielchen einlässt. Immerhin geht es hier um höchstrelevante geoökonomische Signale. Da wirft man nicht einfach mitFörmchen. Doch gut, das muss Spekulation bleiben.
Andere Hinweise
Interessanter finde ich da eineandere Herangehensweise: In letzter Zeit mehren sich die Anzeichen,dass die USA den Pfad der Deflation verlassen und wieder zur Inflationzurückfinden. Gestern zum Beispiel wurden die Erzeugerpreiseveröffentlicht, die mittlerweile fast schon wieder das Niveau von Mitte2008 (also vor dem Crash) erreicht haben:
Auch die Kernrate legte mit einemAnstieg von 0,3 Prozent zum Vormonat kräftig zu. Die Fed weiß, sie mussrechtzeitig reagieren (die Produktpreisentwicklung reagiert oft vor derVerbraucherpreisentwicklung). Tut sie das nicht, könnte sie imschlechtesten Fall von einem zu starken Anstieg der Inflationüberrascht werden und müsste dann wiederum zu drastischen Maßnahmengreifen, um eine Übertreibung zu verhindern.
Mir gefällt in diesem Zusammenhangder Vergleich mit einem ins Schleudern geratenen Auto. Man mussrechtzeitig gegenlenken, meist wenn man gerade anfängt in dieGegenbewegung überzugehen, um ein Übersteuern in die andere Richtung zuverhindern.
Der endgültige Verlust der Glaubwürdigkeit
Und drücken wir es so aus: Solltedie Fed die Zinsen plötzlich ähnlich stark erhöhen müssen, wie sie siezuvor gesenkt hat, würde sie wahrscheinlich endgültig ihreGlaubwürdigkeit vor dem Kongress verlieren.
Meines Erachtens ist also diesesAnziehen der Inflation der eigentliche Grund für die Anhebung desDiskontsatzes. Ich bin zudem gespannt, wie die Märkte nächste Wochereagieren.
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