Berlin. Der FDP-Vorsitzende, Vizekanzler Guido Westerwelle, zeigt
sich unbeeindruckt von der Kritik der Bundeskanzlerin und der
Union an der von ihm ausgelösten heftigen Debatte über Hartz
IV. Der Bundesaußenminister sagte BILD am SONNTAG: “Ich spreche
aus, was die schweigende Mehrheit denkt. Ich will mir nicht ein
paar schöne Jahre im Auswärtigen Amt machen und die Welt kennen
lernen. Ich will, dass dieses Land sich ändert, einen neuen Aufbruch
erlebt. Ansonsten werden wir in 20 Jahren der nächsten Generation
erklären müssen, warum wir die letzten waren, die in einigermaßen
sorgenfreiem Wohlstand leben konnten.“
Auf die Frage, ob er die Bundeskanzlerin vor Veröffentlichung
seiner Hartz-IV-Thesen informiert habe, sagte der Vizekanzler:
“Ich veröffentliche Gastbeiträge ohne sie vorher zur Abzeichnung
im Kanzleramt vorzulegen. Ich bin der Vorsitzende der FDP mit
einer eigenen Meinung.“ Dennoch bezeichnet er sein Verhältnis
zu Bundeskanzlerin Angela Merkel als “ungetrübt“, verwies zugleich
auf die Unterschiede im Temperament: “Sie ist in der Uckermark,
ich bin im Rheinland aufgewachsen. Wir haben unterschiedliche
Temperamente und wollen sie auch nicht verstecken müssen.“
Ausdrücklich bekannte sich Westerwelle im Interview mit BILD
am SONNTAG zu seiner umstrittensten Formulierung in den Hartz-IV-Thesen:
“Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu
spätrömischer Dekadenz ein.“ Westerwelle fügte hinzu: “Ich habe
mit keiner Silbe einem einzigen Bezieher von Hartz IV irgendetwas
vorgeworfen. Ich habe die Debatte nach dem Verfassungsgerichtsurteil
kritisiert und die Fehlentwicklungen unseres Sozialstaates.“
Forderungen, er solle sich für die Formulierung entschuldigen,
weil er Gefühle von Hartz-IV-Empfängern verletzt habe, wies Westerwelle
zurück: “Ich finde, dass diejenigen von links, die solch üble
Unterstellungen über mich verbreitet haben, sich dringend bei
den Hartz-IV-Empfängern entschuldigen sollten, deren Gefühle
sie verletzt haben, um parteipolitische Vorteile zu erzielen.“
Ob er auch CSU-Generalsekretär Dobrindt mit einbeziehe, der Westerwelle
vorgehalten hatte, sozial sei nicht Sozialismus, ließ der FDP-Chef
offen: “Ich lese seit einiger Zeit nicht mehr, was der CSU-Generalsekretär
schreibt. Ich verlasse mich lieber auf meinen Freund Horst.“
Auf die Frage, wie sicher er sich sei, dass die schwarz-gelbe
Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode halte, sagte Westerwelle:
“Da bin ich mir absolut sicher. In den letzten Tagen habe ich
auch von Unionskollegen hinter vorgehaltener Hand viel Zustimmung
erfahren. Und so nach einigem Abwarten kommen ja auch einige
aus der Deckung.“
Kritik, er habe das Thema Hartz-IV zu heftig thematisiert, ließ
Westerwelle gegenüber BamS nicht gelten. “Konrad Adenauer hat
einst als Bundeskanzler gesagt: 'Das Wichtigste ist der Mut!'.
Dieser Idee fühle ich mich verpflichtet. Denn ich will gestalten.“