Politologe Mahbubani erwartet weiter wachsenden Einfluss Asiens. „Die Dominanz des Westens ist eine Ausnahme“. Das asiatische Jahrhundert habe „definitiv schon begonnen“.
Die aktuelle Vorherrschaft des Westens ist für den Politologen KishoreMahbubani, Professor an der National University of Singapore und von1971 bis 2004 Diplomat Singapurs auf zahlreichen Auslandsposten, dieAusnahme in der Geschichte und eine vorbeigehende Ausnahme.
Dasasiatische Jahrhundert habe „definitiv schon begonnen“, sagte Mahbubaniim Gespräch mit der am Montag erscheinenden WirtschaftsWoche. „Zwarwird die Entwicklung in der Region in den kommenden Jahren nicht immerreibungslos verlaufen, es wird auch wieder Rückschläge geben. Aber dergenerelle Trend ist klar: Asiens Macht und Einfluss werden starkzunehmen“, erwartet der Politologe.
„Dabei muss man bedenken, dass dieDominanz des Westens in den letzten 200 Jahren nur eine Ausnahme in derGeschichte war. Bis 1820 waren China und Indien die größtenVolkswirtschaften der Welt. Was im Moment passiert, ist eigentlichnichts Neues. Es wird lediglich die historische Normalitätwiederhergestellt.“
Das werde auch erhebliche Folgen für zahlreicheinternationale Organisationen haben. „Die derzeitige globale Ordnungbasiert auf der Dominanz des Westens. Ein ungeschriebenes Gesetz besagtbeispielsweise, dass der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF)ein Europäer sein muss, der Chef der Weltbank ein Amerikaner. Das isteine absurde Regel, die abgeschafft gehört.
Oder nehmen wir denUNO-Sicherheitsrat. Die ständigen Mitglieder sind die Sieger desZweiten Weltkriegs. Das kann doch nicht sein.“ Die Dominanz des Westensvergleicht Mahbubani mit der Apartheid. „Es ist doch besser, wenn dieGeschicke der Welt von einer Region gelenkt werden, die die Mehrheitder Weltbevölkerung stellt. Nur zwölf Prozent der Weltbevölkerung lebtim Westen, dagegen mehr als die Hälfte in Asien. Die heutigeWeltordnung ähnelt der einstigen Apartheid in Südafrika. EineMinderheit kontrolliert die Mehrheit. Das muss sich ändern.“
Allerdingswehre sich der Westen immer noch, Teile seiner Macht an Asienabzugeben. „Der Westen sträubt sich dagegen, Macht und Einfluss mit denAsiaten zu teilen. Als etwa der Menschenrechtsrat der VereintenNationen ins Leben gerufen wurde, bestand Europa auf einem großenAnteil der Sitze. Genauso ist Europa im IWF stark überrepräsentiert.Die Beneluxländer haben dort mehr Stimmrechte als China.“
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